Ich zwang mich dazu einmal tief durchzuatmen und mich auf die Fakten zu konzentrieren. Also den Bäumen nach zu schließen ist es schon lange Herbst, dabei sind wir im Sommer hergekommen, oder? Genau, weil das Wasser zurückgegangen ist. Ich runzelte die Stirn und sah mich ein weiteres Mal um. Können wir denn so lange geschlafen haben? Wir sollten vermutlich schnell wieder zurück ins Revier. Ich stand auf, meine Beine waren noch etwas steif, da fiel mir auf wie zerzaust Bijous Fell war, welches ja sonst immer so glatt war. Bist du okay? Besorgt sah ich sie an und kam noch etwas näher an sie heran.

Die Aussage des weißen Wolfes machte anhand der Fakten Sinn - aber in der Realität kann es doch nicht so gewesen sein, dass wie einige Monde lang einfach durchgeschlafen hatten. Selbst wenn wir wirklich wirklich müde gewesen wäre, wären wir doch nicht einfach an Ort und Stelle umgefallen. Aber danach sah es doch aus momentan. Ich schüttelte den Kopf und erhob mich. "Ich bin total verwirrt. Irgendetwas stimmt hier nicht." meinte ich zu meinem Gegenüber. Ein unschönes Gefühl, stellte ich fest.

Eigentlich hatte ich mich abwenden wollen, hielt in der Bewegung aber inne, als der große Wolf näher zu mir kam. Seine Stimme klang besorgt. Nervös hielt ich den Atem an. Seine Wirkung auf mich war noch immer da und sofort konnte ich mich nur noch auf die bernsteinfarbenen Augen konzentrieren. "Iiich? ..... Ich .... bin okay..:." würgte ich noch schnell hervor. Wa.... Warum?"

Am liebsten wäre ich in Grund und Boden versunken. So stand ich also da und stotterte wie ein junger Welpe. Reiß dich mal zusammen!"

Ich bin auch verwirrt, aber wir finden sicher heraus was passiert ist. Ich lächelte, streckte dann aber vorsichtig meine Schnauze noch etwas näher zu Bijou, den Kopf ein bisschen schief gelegt, ein Ohr aufgestellt. Ich weiß nicht, du wirkst gerade etwas... durch den Wind und... zerzaust?

Oh nein! ehe ich mich versah, war Dash noch näher gekommen. Seine Nase war nun so nah an mir, dass ich seinen Atem auf meinem Fell spüren konnte. Meine Beine gehorchten mir nicht mehr, sodass ich einfach vor dem Rüden in den Kies sank und ungläubig zu ihm hoch blickte. "Zerzaust???? Ich bin zerzaust????" Ein Aussenstehder würde mein Problem wahrscheinlich niemals nachvollziehen können, doch in diesem Moment machte ich mir mehr Sorgen darüber, dass ich noch immer zerzaust aussah, als dass wir wohl monatelang geschlafen haben oder meine Pfoten einfach nachgegeben hatten. Leise begann ich zu schluchzen.
"Wie konnte das nur passieren?" Große Krokodilstränen liefen mir die Lefzen runter, während ich unwirsch mir der sandigen Pfote drüber strich.

Mit großen, verwirrten Augen sah ich Bijou zu, wie sie erst zu Boden sank und dann zu weinen begann, denn das hatte ich nun wirklich nicht gewollt. Hey, tut mir leid, ich wollte dich nicht verletzen. Ich legte mich neben Bijou und stupste sie vorsichtig mit der Nase an. Es ist gar nicht so schlimm, steht dir sogar, ich dachte nur, weil du sonst immer so gepflegt aussiehst... Ich verstummte wieder, meine Ohren zuckten etwas unruhig und meine Rute drängte sich dichter an meinen Körper. Ich war nicht eben der beste mit solchen Situationen. ich war viel besser darin ein freundliches Gesicht aufzusetzen und Ruhe auszustrahlen, nicht... eine weinende Fähe zu beruhigen. Ich kann dir damit helfen, wenn du willst?

Bleierne Träge zog an meinem Körper und wollte mich für Ewigkeiten nicht mehr freigeben. Am liebsten hätte ich das auch zugelassen und mich wieder in die gemütlichen Traumwelten fallengelassen. Auch als die Wirkung des Nebels nachließ und das Gefühl in meinen Beinen wieder kam, genoss ich die glückselige Ahnungslosigkeit noch einige Zeit und schob das Aufwachen vor mir her.
Irgendwann kehrte ich dann doch mit einem ausgiebigen Gähnen in die Realität zurück. Ich steckte und dehnte meine Gliedmaßen, schlurfte inn Richtung Flussufer, trank bis sich meine Kehle nicht mehr staubtrocken anfühlte, und erst dann wurde mir langsam bewusst, dass ich ein bisschen zu lange geschlafen hatte.
Oh nein... mit nervös aufgerissenen Augen hob ich den Kopf. Oooh nein! Nein nein nein neinneinneinneinnein— "Alessio?!", rief ich mehr oder weniger laut. Verwirrung machte sich in mir breit. Warum ist es Herbst? War es nicht eben noch sterbensheiß? Warum bin ich eingeschlafen? Konzentriert ging ich die letzten Ereignisse durch, an die ich mich erinnerte: Die anderen Wölfe auf der Ebene, der Rückweg mit Alessio zum Lachsfluss, der Nebel, der uns überrascht hatte und in dem wir uns verloren hatten und dann Dunkelheit. Wo kam dieser Nebel her? Bin ich hingefallen und ohnmächtig geworden? Ich würde es mir zutrauen.
Ratlos sah ich mich nach einem bekannten Gesicht um.

Meine weichen dunklen Ohren drehten sich in die Richtung bevor ich bewusst die bekannte Stimme hörte. Doch dann folgte mein Kopf sofort, es hatte definitiv nach Naya geklungen wenn auch sehr leise und weit entfernt. Naya! , rief ich erleichtert und hüpfte ein Stück als könnte ich so besser sehen da ich größer war. Ich brummte leicht unzufrieden denn auch wenn ich groß war, kam ich doch nicht ganz an die Größe meines Vaters heran. Ich wollte gerne noch etwas wachsen. Schnell schüttelte ich meinen Kopf um mich auf die Gegenwart zu konzentrieren und rannte dann Richtung Nayas Stimme. Erst fühlte sich mein Körper steif und angestrengt an, die Pfoten und meine stachen und brannten. Doch je mehr ich sie bewegte umso entspannter und weicher wurden meine Muskeln bis sich alles wieder normal anfühlte. Wenig später erkannte ich das vertraute Fell und überbrückte die letzten Meter. Naya ich hab mir sorgen gemacht, alle haben geschlafen und ich hab dich im Nebel nicht mehr gefunden. Ich sprang um sie herum und rieb zwei mal meinen Kopf an ihrer Schulter und Rücken. Meine Freude ließ mich beinah wie einen Welpen wirken aber das war mir egal. Ich war nur erleichtert, dass es ihr gut zu gehen schien.

Vorsichtig wischte ich mit der sandigen Pfote noch einmal über die Schnauze, langsam wurde das Schluchzen weniger. Mein Herz schlug noch immer wild in meiner Brust, die Nähe zu Dash ließ mir keinen Spielraum für andere Gedanken. Ich wollte mich an ihn drücken und meinen Kopf in die Kuhle unter seinem Hals drücken. Ein zaghaftes Lächeln erschien auf meinen Lefzen. "Du würdest mir helfen?" Ich konnte kaum glauben, dass der Alpha bereit war, mir bei meiner Fellpflege zu helfen. Nur ganz langsam normalisierte sich meine Atmung, sodass ich es schaffte dem weißen Wolf in die Augen zu schauen. "Meine egoistische Seite würde das Angebot sehr gerne annehmen. Doch du musst nach dem Rudel sehen. Ich denke ich schaffe das auch alleine. Ist ja nicht überlebenswichtig." Die letzten Worte murmelte ich leise vor mich hin, denn für mich war das überlebenswichtig. Doch das musste Dash ja nicht wissen.
Vorsichtig belastete ich zuerst die Vorderpfoten um mich sodann auf die Hinterpfoten zu stemmen. Ich stand, auch wenn etwas zitritt. "Lass uns zum Rudelplatz zurückkehren."

Besorgt beobachtete ich wie Bijou sich zum Glück wieder beruhigte und dann etwas wacklig aufstand. Ich war froh, dass sie aufgehört hatte zu weinen und auch, dass sie wie ich ans Rudel dachte, denn ich wollte wirklich gerne zurück um zu sehen ob alle in Ordnung waren. Ich lächelte also vorsichtig und nickte. Okay, dann gehen wir. Aber mein Angebot steht noch. Ich wusste nicht recht wieso, aber ich zwinkerte Bijou zu, schleckte ihr frech einmal über die Wange und lief dann voraus, zurück Nachhause.
(Rudelplatz)

Mit dem Regen, welchen ich dankbar den Staub und die Hitze aus meinem Fell waschen ließ, kam der Nebel. Er war anderes als die unheimlichen Schwaden in den Hügeln. Noch viel dichter und voll stechender Säure. Erinnerungsfetzen wallten in mir hoch: Krallen aus Ästen, die nach mir greifen, ein unheilverkündendes Heulen, ein Adrenalinschub nach dem anderen.
Ich knurrte und floh vom Flussufer an den Waldrand, doch der Nebel breitete sich rasant aus und verschluckte mich. Echos graues Fell konnte ich nirgendwo mehr sehen, aber ich hatte nicht vor aufzugeben. Während mein Körper bereits in sich zusammen sackte, sträubte ich mich gedanklich mit allen Mitteln. Diese Giftwolke konnte nichts gutes sein und ich war nicht bereit mich der unbekannten Dunkelheit hinzugeben, die ich in dem Moment fürchtete.
Dennoch rutschte ich unweigerlich in die schwammigen Traumwelten ab und verlor das Bewusstsein.
———
Ein Ruck ging durch meinen Körper und katapultierte mich in die Realität zurück. Mit rasendem Herzen sprang ich auf und bereute es im selben Moment. Meine Beine gaben unter mir nach und ich krachte wieder zurück auf den Boden. Noch immer schmeckte ich den giftigen Nebel wie einen pelzigen Belag auf meiner Zunge. Uuuarrrghhh! Ich verharrte gezwungenermaßen mit ermüdeten Muskeln an Ort und Stelle und musste einige Male trocken Würgen. Das ganze Ausmaß der Situation wurde mir erst bewusst, als ich mich wieder zusammenreißen konnte und den Blick zu den ganzen kahlen Bäumen hob. "Ach du Scheiße..." Ungläubig schlurfte ich ein paar Schritte Richtung Lachsfluss. Ich wollte rennen, wollte der ängstlichen Verwirrung, die sich bis in meine Haarspitzen ausbreitete, Raum geben. Doch alles war ungelenk und steif als hätte ich Monate geschlafen. Wenn du deinen Augen trauen kannst, dann stimmte es auch. Schau dich um! Es ist fast Winter!

Meine wirren Gedanken wurden von einer bekannten Stimme unterbrochen, die nicht allzu weit entfernt schien. "Alessio!" antwortete ich wieder voller Freud um ihn zu mir zu lotsen. Ein paar Meter ging ich ihm entgegen — für mehr war mein Körper noch nicht in der Lage — und da sah ich ihn schon auf mich zu rennen. Erleichterung überströmte mich bei seinen Worten. "IchdachteschonichwäredieEinzigeundhättedasRudelimStichgelassenunddannwärtihralletotalwütendund—!" mein Gebrabbel wurde durch Alessios Anschmiegen unterbrochen, aber das machte mir überhaupt nichts aus. Im Gegenteil. Ich lächelte glücklich und erwiderte die Zärtlichkeit. Ein Fehler: Das Kribbeln in meinem Bauch tauchte plötzlich auf und ich was mir ziemlich sicher, dass es nicht daran lag, dass ich so lange gelegen hatte. Verlegen schaut eich auf den Boden. Wie peinlich! Warum muss ich denn so übertrieben reagieren. Ich bin doch kein Welpe mehr!

Obwohl Dash schon losgelaufen war, verharrte ich einen Moment an Ort und Stelle. Der Alpha hatte mir einfach über die Wange geschleckt und wie so oft konnte ich diese Geste bei Dash nicht einordnen.

Ich beschloss später darüber zu grübeln, bevor ich den Rüden komplett aus den Augen verlieren würde und trabte ihm direkt hinterher.

-> Rudelplatz Schattenwölfe

Erst auf Kibo's Hinweis hin hob ich meine Nase in die Luft und witterte. Er hatte recht, es roch komisch. Ich konnte nicht wirklich festmachen wonach es roch, der Geruch war mit keinem mir bekannten vergleichbar. Ich rieche es auch, aber ich kenne es nicht. Meine Strin zog ich in Falten. Sorgenfalten. Es hat etwas von Mensch. Unweigerlich musste ich ein wenig die Zähne fletschen.

Das Heaven wach war, beruhigte mich ungemein. Allerdings musste ich feststellen, dass er irgendwie anders aussah. War er...größer geworden? Ein wenig verdattert schaute ich Makulay an. Sie wirkte unverändert auf mich. Der Welpe vor uns könnte auch der Welpe eines anderen Pärchens sein, würde er nicht so deutlich nach Heaven riechen. Mein fragender Blick wanderte abwechselnd von Heaven zu Makulay und wieder zurück.

"Mensch? Meinst du wirklich?", ich hielt meine Schnauze erneut auf den Boden und prüfte den Geruch. "Hmmmm.." Mit schiefgelegten Kopf schaute ich mich um. "Aber wie schaffen sie es,das es überall danach riecht?" Mit etwas wackeligen Beinen erhob ich mich und streckte mich dann, nachdem ich endlich sicher stand.