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| Zuletzt Online: 28.04.2023
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INHALTSWARNUNG: Beschreibung einer Panikattacke (Ende)
[♫ We're Still Here — Sleeping At Last]
Meine Angst spiegelte sich in Echos Augen wieder, als unser Blicke sich trafen. Für eine Sekunde lang war es, als würde ich mich selbst aus seiner Perspektive sehen. Abwesend, schwach und verzweifelt aber entschlossen nicht aufzugeben. Kaum hatte ich die Frage geäußert wurde mein Körper in eine warme, schützende Umarmung geschlossen. Wo mein Zittern aufhörte und seines begann war unmöglich zu bestimmen. Vielleicht zitterte ich auch bloß so stark, dass es sich auf ihn übertrug. Ich wehrte mich nicht einmal gegen die Berührung. Außer einem Sekundenbruchteil, in dem sich meine Muskeln selbstständig anspannten, konnte ich keine Gegenwehr mehr aufbringen. Sein Worte waren überflüssig, und doch brannten sie sich in mein Gedächtnis ein wie Feuer: Indem du merkst, dass du nicht alleine bist. Dies war wohl wirklich das erste Mal in Jahren, dass ich nicht alleine mit einem Problem klarkommen musste. Und ich war dankbar. Wie lange wir so verharrten wusste ich nicht. Ich spürte bloß, dass sich die Klaue der obsessiven Gedanken um meinem Brustkorb mit jedem Luftholen löste, während Echos Atem sanft durch mein Rückenfell strich. Irgendwann kamen mir die Ängste um den Nebel und meinen bevorstehenden Tod gar nicht mehr so real vor. "Danke." flüsterte ich, meine Schnauze noch immer in das helle Bauchfell gedrückt. Mit der Ruhe trat auch die Wirklichkeit der Situation langsam aber sicher an mein Bewusstsein. Ich wusste, dass ich mich gleich wieder unweigerlich unwohl fühlen würde, so fest an einen anderen Wolf gepresst. Aber für ein paar weitere Atemzüge verdrängte ich diese hemmenden Gedanken.
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INHALTSWARNUNG: Beschreibung einer Panikattacke und Derealisation (wird aktiv erlebt)
Mein Herz pochte in meinen Ohren, als wäre ich stundenlang gerannt. Nur gedämpft, wie in viele Lagen Moos gepackt, drangen Echos Worte zu mir durch und es dauerte noch ein paar Augenblicke bis ich sie vollständig verarbeitet hatte. Er stand genauso ratlos neben mir wie ich mich selbst fühlte. Immerhin erfüllte sich meine eigene Warnung, dass er mich umbringen würde, nicht. Noch nicht. Meine Gedanken kreisten weiter um den Nebel, als wäre er noch präsent und eine Gefahr. Bin ich tot? Hat der Nebel mich vergiftet und ich träume das alles nur in meinen letzten Sekunden? Was, wenn ich noch am leben bin und diese Halluzinationen mich beruhigen sollen, damit ich nicht aufwache und vor dem Nebel fliehen kann. Was, wenn der Nebel gerade mein Fell und mein Fleisch bis auf die Knochen wegätzt und wenn ich aufwache muss ich diese Schmerzen ertragen. Sollte ich wirklich versuchen aufzuwachen? Wenn ich jetzt warte und versuche herauszufinden, ob ich träume, dann liege ich noch länger reglos da. Ich muss mich jetzt entscheiden! "Das ergibt einfach alles keinen Sinn...", murmelte ich und löste meinen Blick vom Boden um Echo anzusehen. Er hatte sich entschuldigt. Für was, verstand ich nicht genau. Ich wollte keine Last sein. Ich wollte nicht, dass er sich um mich sorgte und mich als hilflos ansah. Wenn mein Körper endlich aufhören würde mich mit Adrenalin vollzupumpen könnte ich wenigstens klar denken. "Ich weiß nicht. Ich glaube nicht. Nein. Aber es ist bestimmt bald vorbei," sagte ich mich erstaunlich fester Stimme. Eben hatte ich doch noch meine verrückten Gedanken heraussprudeln lassen wie ein Wasserfall. Der letzte Satz war offen für Interpretation. Mein Herz fühlte sich jedenfalls an, als würde es gleich explodieren. Dann wär es zumindest wirklich vorbei. Oder würde ich dann einfach in den nächsten Traum rutschen? Das reicht! "Wie finde ich raus, ob ich träume?" fragte ich schließlich zusammenhanglos. Ich musste wirklich verrückt wirken.
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INHALTSWARNUNG: Erwähnung und Beschreibung einer Panikattacke (wird aktiv erlebt)
Mit zaghaft schwingender Rute begrüßte ich Echo, der mir entgegengerast kam. Ich zog den Kopf nach hinten und bereitete mich auf den Zusammenstoß vor, der nicht kam. Ein breites Grinsen strahlte mir entgegen, als ich meine zusammengekniffenen Augen wieder öffnete. "Ja i—" weiter kam ich nicht. Offensichtlich überrumpelt von der plötzlichen Zuneigungungsbekundung — Halt die Schnauze, Kopf, es ist normal für uns Wölfe sich so zu begrüßen — und noch immer recht schwach auf den Beinen, wich ich bei der Berührung minimal zurück. Dann erst konnte ich mich fangen und spüren, wie froh ich tatsächlich war nicht mehr alleine zu sein. Also für den Moment natürlich. Bis es mir besser geht und ich weiß was hier los ist. Insgesamt kann ich gut alleine sein. Ich lächelte zaghaft. Meine Atmung entschleunigte sich wieder und somit sank auch die Panik rapide. "Ich glaube schon," antwortete ich schließlich. "Mein ganzer Körper tut weh." Demonstrativ schüttelte ich meine Hinterbeine eines nach dem anderen. "Als hätte ich Ewigkeiten geschlafen. Und alles hat sich verändert. Bevor dieser scheiß Nebel aufkam war es doch noch Sommer. Ich hatte keine Ahnung was passiert war und das hat mir echt Panik gemacht!" Kaum dachte ich wieder über alles nach kehrte das allzu bekannte Stechen in meiner Brust zurück. Starr fixierte ich den Boden. Oh nein... "Aber ich kann gar nicht so lange geschlafen haben weil du ja in der Nähe warst. Wir sind doch nicht weit weg von da wo wir gelegen hatten, oder? Aber bist du auch eingeschlafen oder bin ich einfach plötzlich weggerannt und du bist nur durch Zufall hier? Und wie lange war ich überhaupt ausgeknockt? Wenn ich so lange geschlafen habe, wie lebe ich dann überhaupt noch? Ich habe doch monatelang nichts gegessen. Wir müssten verhungert sein!" Haltlos rutschte immer weiter in die Spirale der Nervosität ab und gleichzeitig konnte ich nicht aufhören darüber nachzudenken, dass ich Echo gegenüber vermutlich noch nie so viele Wörter auf einmal geäußert hatte. Und vor allem hat dich noch nie jemand mit so einer Panikattacke erlebt. Du bist gerade vollkommen hilflos. Wenn er wollte könnte er dir jetzt einfach das Genick zerbeißen.
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Ein Heulen ertönte als Antwort auf meinen Ruf und dann hörte ich auch meinen Namen. Erleichterung überkam mich und ich tapste langsam und etwas zitternd vom Waldrand Richtung Fluss und in Echos Richtung. Jap, so fängt's an: Du bist in einer ungemütlichen Situation und klammerst dich direkt an andere. Bald wirst du ganz anhängig von externer Hilfe sein und dann verkümmerst du zu einem schwachen Hund. Lächerliche Gedanken, für die ich jetzt keinen Nerv hatte, bohrten sich durch meinen Kopf. Sobald ich Echo erspüren konnte verflog ein Teil der Angst, die sich in meinem Brustkorb festgesetzt hatte. "Echo!", rief ich abermals. Kaum war der letzte Ton verklungen sah ich den Grauen einige Wolfslängen entfernt am Ufer entlanglaufen.
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Einige Zeit lang hatte ich an Ort und Stelle verweilt und mich gezwungen langsamer zu atmen bis das Gefühl in meine Beine wiederkehrte und mein Herz nicht mehr rasant pochte und hämmerte und mir die Brust zuschnürte. Ich versuchte mich auf die Kälte des Schnees, die hellen Farben und die gedämpften Geräusch meiner Umgebung zu konzentrieren bevor ich mich wagte wieder über die Situation nachzudenken. Kaum überlegte ich was passiert war, warum ich einfach eingeschlafen war und wie viel Zeit vergangen war, kam die Panik wieder auf und ich musste mich wieder irgendwie beruhigen. Ich war ratlos und schutzlos und hatte Angst und ich hatte niemanden der mir helfen konnte. Nein, ich bin nicht alleine. Zumindest war ich bis eben... bis dieser Nebel kam, nicht alleine. "Echo!" Meine Stimme hörte sich kratzig an und viel zu leise. "ECHO!," rief ich ein zweites Mal, diesmal kräftiger aber auch mit ein bisschen zu viel Verzweiflung im Ton. Stell dich nicht so an! Warum denn gleich so dramatisch?! Peinlich. Meine eigenen Gedanken machten mich wütend aber ich hatte nicht die Kraft dagegen anzukämpfen. Stattdessen versuchte ich endlich auf die Beine zu kommen.
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Mit dem Regen, welchen ich dankbar den Staub und die Hitze aus meinem Fell waschen ließ, kam der Nebel. Er war anderes als die unheimlichen Schwaden in den Hügeln. Noch viel dichter und voll stechender Säure. Erinnerungsfetzen wallten in mir hoch: Krallen aus Ästen, die nach mir greifen, ein unheilverkündendes Heulen, ein Adrenalinschub nach dem anderen. Ich knurrte und floh vom Flussufer an den Waldrand, doch der Nebel breitete sich rasant aus und verschluckte mich. Echos graues Fell konnte ich nirgendwo mehr sehen, aber ich hatte nicht vor aufzugeben. Während mein Körper bereits in sich zusammen sackte, sträubte ich mich gedanklich mit allen Mitteln. Diese Giftwolke konnte nichts gutes sein und ich war nicht bereit mich der unbekannten Dunkelheit hinzugeben, die ich in dem Moment fürchtete. Dennoch rutschte ich unweigerlich in die schwammigen Traumwelten ab und verlor das Bewusstsein. ——— Ein Ruck ging durch meinen Körper und katapultierte mich in die Realität zurück. Mit rasendem Herzen sprang ich auf und bereute es im selben Moment. Meine Beine gaben unter mir nach und ich krachte wieder zurück auf den Boden. Noch immer schmeckte ich den giftigen Nebel wie einen pelzigen Belag auf meiner Zunge. Uuuarrrghhh! Ich verharrte gezwungenermaßen mit ermüdeten Muskeln an Ort und Stelle und musste einige Male trocken Würgen. Das ganze Ausmaß der Situation wurde mir erst bewusst, als ich mich wieder zusammenreißen konnte und den Blick zu den ganzen kahlen Bäumen hob. "Ach du Scheiße..." Ungläubig schlurfte ich ein paar Schritte Richtung Lachsfluss. Ich wollte rennen, wollte der ängstlichen Verwirrung, die sich bis in meine Haarspitzen ausbreitete, Raum geben. Doch alles war ungelenk und steif als hätte ich Monate geschlafen. Wenn du deinen Augen trauen kannst, dann stimmte es auch. Schau dich um! Es ist fast Winter!
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Ein paar Augenblicke lang verharrten wir in Stille. Mein Blick schweifte ans andere Flussufer und in die Ferne, wo ich ein paar andere Wölfe vermutete, doch direkt bei uns war es noch still. Ich versuchte meine äugen zu schließen und mich auf das Gefühl der brennenden Sonne auf meinem Fell zu konzentrieren. Manchmal half es mich auf meine anderen Sinne zu konzentrieren, wenn ich mich sonst nicht entspannen konnte: Was sehe ich, was rieche ich, was fühle ich. Jetzt machte es aber alles nur schlimmer. Die Hitze war allgegenwärtig. Beunruhigt hob ich wieder meinen Kopf, stand dann auf und stakste durch eine Schlammschicht ans Wasser. Nur noch ein erbärmliches Rinnsal war dort vorzufinden und von Fischen war weit und breit keine spur. Ich hätte doch früher jagen sollen. Selbst schuld. Mürrisch trank ich noch ein paar Schlucke. "Lass uns in den Schatten gehen," schlug ich Echo vor.
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Ein Teil von mir krampfte sich zusammen und lachte mich aus, dass wir gemeinsam beschlossen wo wir verweilen wollten. Ohne es zu merken hatte ich eine unausgesprochene Abmachung mit Echo getroffen, dass wir fürs erste zusammen bleiben würden. Es wunderte mich nicht, dass ich mich jetzt dagegen sträubte, wo es mir auffiel. Ich grummelte zustimmend, obwohl mich der Gedanke an das Überfüllte Fussufer sehr abstieß. Ich rutschte etwas herum um es mir bequemer zu machen und bettete dann den Kopf auf die Pfoten. Das Plätschern des Flusses erinnerte nun mehr an einen sanften Bach und ich überlegte, ob ich vielleicht doch noch versuchen sollte den ein oder anderen Fisch zu fangen, bevor ich mich ausruhte.
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Echo wirkte unglaublich abwesend als er so knapp antwortete. nicht, dass ich ihm das wirklich vorhalten konnte, wo ich mich doch ähnlich benahm, aber es bereitete mir Unbehagen. Mitgefühl und das Bedürfnis zu verstehen was in ihm vorging wallten in mir auf. Mein erster Instinkt war es diese Gefühle zu unterdrücken, wie ich es eigentlich immer tat. Ganz logisch — es ist ja auch gefährlich anderen zu vertrauen. Allerdings machte mich dieser Gedanke nun sogar etwas wütend. Die Stimme in meinem Kopf klang nicht mehr ganz wie ich selbst und das machte es leichter mich dem Sog zu widersetzten. Während ich mit meinen Besorgnissen um Echo und meine eigene Sicherheit rang, lag mein Blick starr auf dem grauen Rüden. Ich konnte doch nett zu ihm sein, mit ihm reden und trotzdem vorsichtig sein? Ich erwiderte sein Lächeln, damit er sich vielleicht besser fühlte. "Es ist okay dein altes Zuhause und deine Geschwister zu vermissen. Ich tue es auch ein bisschen", erwiderte ich, gefolgt von einem ausgiebigen Gähnen. Ein Nickerchen würde mir bestimmt gut tun. "Aber es stimmt: Sooo schlecht ist es hier nicht." Abgesehen von dem Horror-Nebel... Meine Schnauze kräuselte sich kurz bei der Erinnerung; ich überspielte es, indem ich mich hinter dem Ohr kratze.
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Was Echo erzählte klang eigentlich sogar ganz schön. Ich lächelte und nickte. "Vermisst du das Leben bei den Menschen?" Ich war mir unsicher welches Leben ich mehr schätzte, auch wenn klar war, dass ich nie zurück gehen würde. Die Sonne wärmte mein Fell auf machte mich etwas schläfrig. Insgesamt schien alles irgendwie sehr trocken und träge. Sogar der Fluss wirkte, als würde er mit jedem Moment mehr austrocknen.
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Die Hitze schien mir zuzusetzen. Erst jetzt erinnerte ich mich, dass ich Echo im Wald noch erzählt hatte, dass ich aufgegeben hatte ein Rudel finden zu wollen. Jetzt war das wieder mein Langzeitziel? Innerlich verdrehte ich die Augen über mich selbst. Vielleicht hatte mein matschiges Gehirn ja Recht? Die Sehnsucht wuchs jedenfalls gerade. Wie auch immer... Ich beschloss mich auf Echos Geschichte zu konzentrieren um mich nicht in meinen eigenen Gedanken zu verlieren. Er schien noch viel intimere Verbindungen zu den Menschen zu haben als ich. Ich hatte mit meiner Familie und den Anderen Wölfen in einem großen Gehege gelebt. Meine Menschen nahmen nur alte und kranke Tiere auf, die im Freien nicht überleben würde. Seine Variante klang, als hätte er wie ein Hund bei normalen Menschen gelebt — zumindest am Anfang. Etwas verwirrt legte ich den Kopf schief, hörte aber weiterhin aufmerksam zu. Was er anschließend erzählte deckte sich schon eher mit meiner Erfahrung: Fremde Wölfe, Aufgaben, Auswilderung. Auf die Erwähnung seiner Schwester hin nickte ich eifrig, auch wenn der Name mir irgendwie doch noch ein komisches Gefühl verlieh. Es fühlte sich fast an, als wär ich irgendwie mit ihr verbunden, obwohl das natürlich Schwachsinn war. "Das hört sich nach einer schönen Kindheit an. Aber was hat es mit den ersten Menschen auf sich, bei denen ihr aufgewachsen seid? War das eine normale Familie? Die wollten euch in ihrem Haus haben?", ungläubig hakte ich nach. In dem Reservat hatte ich am Zaun oft staunende Menschen begrüßt und vor allem die Kinder waren immer entzückt, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass die menschen einen Wolf in ihren Häuser haben wollten. Es war immer gefährlich mich auf ein Grundstück zu wagen.
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Von jetzt auf gleich wirkte Echo geradezu beschwingt von der Idee zu einem Rudel zu gehören. Meine Antwort hatte ihn wohl erleichtert. Ein kleines lächeln entrang er mir, als er so in Erinnerungen und Träumen schwelgte. Ich hatte nie viel über meine Geschwister nachgedacht, denn ich wollte mich weder um sie sorgen noch eifersüchtig werden. Raven, Onyx und Slate waren alle vor mir ausgebildet gewesen. Was wäre, wenn ich sie in der Freiheit wiedergefunden hätte? Wären wir zusammengeblieben? "Ja... vermutlich ist das ganz nett", gestand ich und ließ mich Echo gegenüber nieder während er die Menschen aufbrachte. "Manchmal, ja. Sie haben sich gut um uns gekümmert," erklärte ich. Ich wandte den Blick ab und beobachtete dem Fluss, der mittlerweile auffallend wenig Wasser führte. Kurz sehnte ich mich zurück in Sicherheit. In dem Rehabilitationszentrum hatte es mir an nichts gefehlt. Ich hatte mir nie Sorgen machen müssen, wie ich an Essen kam oder wo ich eine kalte nacht verbringen könnte. Erst die Geschichten von den anderen Wölfen, die aus der Freiheit kamen, hatten in mir den Wunsch geweckt diese welt selbst zu entdecken. "Wie war das Leben bei den menschen für dich?," fragte ich nun ehrlich interessiert.
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Echo reagierte nicht wirklich auf meinen Kommentar. Zumindest nicht mit Worten. Ein bisschen leid tat es mir schon, dass ich ihm so abweisend begegnete. Mich einfach so zu öffnen kam allerdings auch nicht in Frage. Neugierig linste ich hin und wieder zu ihm herüber. Will er gehen? Will er mich alleine lassen? Der Gedanke gefiel mir nicht, auch wenn es mich nicht überraschen würde. Stellt er vielleicht doch eine Gefahr dar? Will er mein Vertrauen gewinnen um mir dann in einem unachtsamen Moment in den Rücken zu fallen? Es durfte einfach keinen solchen Moment geben. Als er seufzte drehte ich mich blitzschnell zu ihm um, eine patzige Antwort parat — Wenn du nicht bei mir sein willst, dann verpiss dich doch einfach! Denkst du mich kümmert das?! — doch er drehte sich auch zu mir um und brach das Schweigen zuerst. "Äh..." Eigentlich musste ich nicht groß nachdenken. Ich brauchte nur Zeit um die Gedanken auszusprechen und zu überlegen, ob ich sie überhaupt offenbaren wollte. Ganz ehrlich... Langzeitpläne hatte ich mir nie erlaubt zu machen. Zu manchen Zeiten war ich mir nicht mal sicher gewesen, ob ich überhaupt den nächsten Tag erleben würde. Meine Planung bestand höchstens aus Handlungsanweisungen füralte möglichen Situationen. Anweisungen, die ich mir selbst ausgedacht hatte, und dann hunderte Male im Kopf durchgegangen war, um sicher zu sein, dass ich sie bei Bedarf sofort abrufen konnte. Wenn es ernst wurde musste ich einen kühlen Kopf bewahren können. Überleben war vermutlich das größte Ziel bisher, aber der Wunsch, den ich seit meiner Auswilderung hatte, war trotzdem noch nicht verschwunden: "Ich wollte früher unbedingt zu einem Rudel gehören." Der Gedanke war bittersüß, denn die Vorstellung war so schön, voller Wärme und fühlte sich nach Sicherheit an, aber ich war mich nicht mal sicher, ob ich überhaupt fähig war Teil eines Rudels zu sein.
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Echos Frage traf mich unvorbereitet, aber sie war wohl berechtigt. Immerhin hatte ich ihn mit einer vermutlich eher düsteren Miene angestarrt. Wie soll ich das denn begründen, ohne dass es komisch rüber kommt? "Nichts..." tat ich seine Frage also ab und wandte mit zusammengezogenen Augenbrauen den Blick ab. Es irritierte mich, dass er plötzlich so direkt wurde, ganz anders als zu Anfang unserer Begegnung. Dabei schätzte ich offene Kommunikation doch eigentlich sehr. "Ich habe dich nur beobachtet." Und das hört sich jetzt nicht komisch an, oder was? Immerhin stimmt es.
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Echo verwirrte mich zugegebener Maßen etwas. Er kam super optimistisch rüber und eigentlich ganz entspannt, aber plötzlich so unruhig und manchmal sogar richtig unsicher. Leicht skeptisch beobachtete ich daher wie er zum Wasser stürzte und näherte mich erst anschließend dem Ufer. Dann stillte auch ich meinen Durst. Immer wieder scannten meine Augen die Umgebung, während meine Ohren jedes Geräusch um uns herum aufnahmen. Selbst wenn ich mich nach außen hin gelassen geben konnte, war ich innerlich wohl immer auf Habachtstellung. Dabei wollte ich gar keine Angst haben. Es war anstrengend. Als ich fertig war und wieder ein paar Wolfslängen Anstand vom Wasser nahm, war Echo noch immer am trinken. Ich musterte ihn abermals, als gäbe es eine Möglichkeit seine Gesinnung nur an seinem Erscheinungsbild zu erkennen.
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Sein überdrehtes Grinsen ließ mich eine Augenbraue hochziehen, doch dann brachte auch ich ein Lächeln zustande. Der Teil in mir, der keine Angst hatte, freute sich endlich jemanden gefunden zu haben, der mich nicht abwies, aber so ganz wollte ich diese Freude noch nicht zulassen. Trotzdem folgte ich Echo zielstrebig und schloss neben ihn auf.
--> Lachsfluss
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Ich dachte kurz über sein Angebot nach und wog alle Möglichkeiten ab. Was konnte passieren, wenn ich mit ihm ging? Was, wenn ich meine Achtsamkeit sinken ließ? Was konnte ich vermeiden, wenn er mich alleine ließ? Wenn mir irgendjemand etwas böses wollte, dann würde er es auch hinbekommen. Lieber war ich dann darauf vorbereitet und hatte die Situation unter Kontrolle, als dass ich mich in Sicherheit wog. "Ist in Ordnung. Lass und zu diesem Fluss gehen," stimmte ich dann also zu und erhob mich wieder. Neben all den Sorgen und negativen Szenarien, bedachte ich schließlich auch die Möglichkeiten, die nicht ganz so düstere Aussichten hatten. Ganz vielleicht war er ja wirklich nett. Vielleicht musste ich nicht mehr so ganz alleine sein.
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"Ich will kein Mitleid. Das hat nichts mit dir zu tun," grummelte ich. Ob es jetzt gut war, dass ich mich erklärt hatte, oder nicht, konnte ich nicht entscheiden, aber immerhin hatte ich meine Angst überwunden. Yay. Und jetzt? Noch genauer würde ich da bestimmt nicht drüber sprechen. Ich rollte etwas gequält mit den Augen und ließ mich fast schon erschöpft auf den Boden sinken. Ich wollte Echo schon irgendwie gerne glauben, dass er so freundlich war wie er tat, aber ich fand es immer noch seltsam, dass alle hier so viel weniger feindselig waren als bisher. Als hätte ich eine unsichtbare Freundlichkeits-Grenze überschritten.
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Schon wieder weckte Echos Reaktion dieses miese Gefühl der Reue in mir. Ich erwartete, dass er ging, aber er tat es nicht. Es dämmerte mir, dass ich jetzt meinen Mut zusammen nehmen sollte. Ich hatte Angst, aber ich konnte was dagegen tun. Nicht wegrennen wie im Nebel. Da war ich schwach gewesen. Ich bin mutig! Wieso sollte ich überhaupt Angst haben ihm das zu erzählen? Was für ein Schwachsinn! Fast schon wütend platzte ich also mit dem Grund heraus, weshalb ich gesagt hatte, dass "mich niemand will"—bei dem Gedanken schüttelte es mich wieder: "In dem Rehabilitationszentrum haben mir die älteren Wölfe erzählt, dass es draußen super toll ist und viel besser und dass es Rudel gibt die zusammenhalten und uns aufnehmen. Aber nee, nix da Rudel die mich aufnehmen! Die haben mich weggejagt weil ich nach Menschen gerochen habe." Ich schüttelte wütend den Kopf. Die Gefühle von früher kamen wieder hoch, aber ich ließ nicht zu, dass die Angst mich lähmte wie damals. "Sorry. Ich wollte nicht gemein sein," entschuldigte ich mich am Ende; noch immer etwas barsch.
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Meine Antwort beschränkte sich auf ein kurzes Schnauben. mehr war auch nicht nötig, weil er wieder anfing zu reden. Sein Zögern weckte in mir bereits den verdacht, dass mir nicht gefallen würde was da kam. Und wie ich Recht hatte. Oh Mist. Ich hatte ganz vergessen, dass ich das von mir gegeben hatte. Wie selbstmitleidig. Schrecklich. Ich biss bereits unwillig die Zähne zusammen und sah mich gedanklich nach einem Fluchtweg um, da übertraf er das alles noch mal. Für ein paar Sekunden sah ich ihn einfach nur mit einem sehr unwohlen Gefühl im Bauch an. Insgeheim hatte ich nämlich Angst. Angst, dass er es nicht ernst meinte und mich nur vorführen wollte, oder seine Meinung ändern würde. Ich konnte mich an keine Situation nach dem Reservat erinnern, in der mir jemand mal gesagt hatte, dass er mich mochte. Nichtmal Quinn fiel mir ein. Schließlich kam ich zu dem Entschluss, dass mit ihm etwas nicht stimmen konnte, wenn er der Einzige war, der das so sah. Ich war doch nichtmal nett zu ihm gewesen! Ich schluckte schwer und sah ihn schief an: "Da verträgt wohl jemand die frische Luft nicht." Wie elegant ich seine Frage mir diesem bissigen Kommentar abgewendet habe. Herausragend. Wirklich unübertrefflich.
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