Ich hatte keine Ahnung wie lange wir nun schon hier lagen, doch ein bekannter Geruch kitzelte meine Nase. Avani., flüsterte ich und hob meinen Kopf ungläubig von meiner Pfote. Hatte ich gerade wirklich meine Schwester gerochen? Wie hypnotisiert erhob ich mich und machte ein paar Schritte nach vorn, um unter dem Felsvorsprung hervor zu treten. Ich schnupperte in der Luft. Habe ich mir das bloß eingebildet? Fragend legte ich den Kopf schief. Was, wenn nicht? Unruhig gab ich ein kleines Jaulen von mir. Wenn ich jetzt hier blieb, dann würde ich es nicht herausfinden. Ich... ich muss gehen., sagte ich über meine Schulter hinweg zu Zayn. Tut mir leid. Das Ganze durchkreuzte unsere eigentlichen Pläne, doch auch wenn ich den Rüden nur ungern verlassen wollte, so musste ich es dennoch tun. Ohne eine weitere Erklärung lief ich schließlich los und stieg den Berg wieder herab.
Ich bestieg den schmalen Pfad der uns nach oben führen würde bis wir nahe genug am Revier der Bergwölfe waren. Der Boden war eben und noch nicht sonderlich bedenklich. Im lockeren trab lief ich los.
Den ganzen Weg über musste ich über die Worte des silbrigen Rüden nachdenken. Oder eher über das eine Wort. Alphatreffen... Ein Ausdruck, der mir beinahe schon einen Schauer über den Rücken jagte, wenn ich darauf zurückblickte, wie ich mit ihm gesprochen hatte. Denn ich brauchte keine Ewigkeit, um schlusszufolgern, dass ich wohl vorhin einem Alpha oder zumindest Ranghohen gegenübergetreten war. Und das nicht gerade mit herzlichem Ton. Klar, ich war Streunerin und brauchte mich hier niemandem zu unterwerfen oder zu beugen. Doch einem Alpha mit abfälligem Spott zu begegnen, war etwas, das bereits als Welpe unter die drei höchst untersagten Tabus gehörte. Egal, ob eigenes Rudel oder nicht. Es war schlichtweg eine Sache der Ehre. Na gut, inwieweit Ehre überhaupt noch eine Bedeutung als Rudeltreue brechende Streunerin hatte, war vermutlich eine Sache für sich. Aber frühere Gewohnheiten und Sitten konnte man von einer einst gestochen erzogenen Rudelwölfin dennoch schlecht trennen.
Trotz des doch etwas flauen Gefühls durch die ganze Sache, wusste ich jetzt immerhin, dass es in der Umgebung zwei Rudel gab: Das der Silberwölfe und das von diesem Huttser. Was mich etwas überraschte. Nach den Begegnungen mit ausschließlich streunenden Artgenossen hätte ich in der Gegend nicht einmal ein Rudel erwartet. Doch wer wusste schon, wie üppig sich das Tal in seiner Breite auszeichnen konnte.
❝ she rememered who she was and the game changed ❞
Um ihn nicht noch mehr zu belasten, lief ich schweigend hinter ihm her und betrachtete stattdessen die Landschaft. Hier war ich noch nie gewesen. Ein fremder Geruch kam mir entgegen. Eine Rudelgrenze hatten wir noch nicht übertreten. Neugierig sah ich mich um.
Liora war auffällig ruhig, ich hoffte einfach nichts gesagt zu haben das ihr unangenehm war. Aber darüber konntw ich großartig nicht nachdenken, der Anstieg war jetzt steiler und ich musste teilweise über große Steinbricken klettern. Die Felswand vor uns ging fast senkrecht nach oben aber dahinter lag die Rudelgrenze der Bergwölfe, dort wären wir am nächsten am Rudelplatz dran. Ich stemmte mich auf die kleinen Vorsprünge und kletterte nach oben. Einige der spalten waren schmal und brüchig aber soweit konnte man hier gut klettern. Oben angekommen wurde der Fels flach und ein großes Plateau erstreckte sich. Ich schüttelte mich einmal und sah dann nach unten zu Liora.
Der Aufstieg wurde wirklich immer schwieriger. Treb schwieg, was ich nicht weiter schlimm fand, da ich mich sehr darauf konzentrieren musste, wo ich meine Pfoten hinsetzte. Ich hatte es fast geschafft und war immer brav den gleichen Weg hinauf geklettert, den Treb vor mir gegangen war. Weg war übertrieben. Es waren nur noch felsige Einbuchtungen und etwas größere Risse in einer Felswand. Treb sprang vom einem letzten Vorsprung nach oben und sah zu mir. Ich hatte gut mitgehalten. Ich war nicht weit hinter ihm. Ich sprang auf den Vorsprung, auf den sich gerade noch Treb befunden hatte und wollte nun wie er auf das Plateau springen, auf dem Treb schon stand, als der Felsvorsprung unter mir plötzlich zu wackeln begann und als ich mich schnell abstieß in der Hoffnung, das obere Ende noch zu erreichen, gab der Vorsprung göeichzeitig mit einem unheimlichen Krachen nach. Noch während ich in der Luft hing, wurde mir klar, dass es dadurch, dass der Fels nachgegeben hatte, nicht ausreichen würde. Mein Maul öffnete sich erschrocken. Der Vorsprung war zu hoch oben. Ich würde ihn wahrscheinlich nur mit meiner Schnauze erreichen können. Meine Gedanken wirbelten blitzschnell durch meinen Kopf. Wenn ich mich nirgendwo halten kann, falle ich. Wenn ich falle, bin ich tot. Fassungslos starrte ich nach oben.
Wir hatten es soweit geschafft, Liora machte das gut und erklomm den letzten Felsvorsprung. Gleich waren wir da, auf den Rückweg würden wir einen anderen Abstieg nehmen, der zur hintour aber zu lang war. Außerdem konnten wir von dort aus zu den Schattenwölfen. Noch während ich überlegte wie ich Lyvianne die schreckliche Botschaft überbringen sollte, gab es zu Lioras Pfoten ein grausames knallen und ich musste mit Anblicken wie sich der Boden unter ihr löste. Kurz flammte Hoffnung auf das sie es schaffen würde, doch sie war zu weit weg. Liora! Ich schoss vor und schnappte verzweifelt nach ihr. In letzter Sekunde bekam ich sie am Kragenfell zu fassen und schloss die Kiefer eisern. Meine Vorderpfoten rutschten dem Gewicht hinterher und vom Plateu, haltlos hing mit dem Oberkörper nur noch in der Luft und rutschte weiter auf die Leere zu. Für eine schreckliche Sekunde baumelten wir am Abgrund, dann fand ich halt mit den Hinterpfoten und wir hielten an. Kleine Steine und Dreck segelten an mir vorbei und verschwanden, nach einigen Herzschlägen hörte ich sogar den Fels auf dem die Fähe eben noch gestanden hatte aufschlagen. Langsam stemmte ich die Pfoten gegem die Felswand und versuchte mich langsam hochzudrücken. Vor Anstrengung knurrte ich, solange ich nicht losließ konnte ich es schaffen. Nicht bewegen... presste ich hervor, die Balance auf der ich uns beide hielt war nicht besonders belastbar und so zog ich mich Stück für Stück zurück auf das Plateau, erst als ich festen Boden unter meinen Pfoten spürte traute ich mich meine vorsichtigen Bewegung zu beschleunigen und hiefte die Fähe mit letzter Anstrengung über den Rand. Vorsichtshalber ließ ich sie erst los als wir ein Stück vom Rand entfernt waren. Völlig erschöpft setzte ich mich neben sie. Ist alles in Ordnung? Hast du dich verletzt? keuchte ich besorgt,im selben Moment spürte ich einen Stich im Bauch, mein schlechtes Gewissen meldete sich. Es war meine Schuld, der Weg war zwar der kürzeste gewesen aber auch nicht gerade der sicherste, beinahe wäre sie gestürzt und vielleicht sogar gestorben. Sie hätte überhaupt nicht mitkommen dürfen, du kannst die Sicherheit dieser Fähe nicht garantieren! schallt mich meine eigene Stimme und ich senkte schuld bewusst den Kopf. Wir waren jetzt an der Grenze, das hier war meine Aufgabe, nicht ihre.
Bevor ich auch nur um Hilfe rufen konnte, packte mich Treb. Bist du blöd? Ich reiß dich mit in den Tod!, schrie meine innere Stimme, doch plötzlich hielt ich an. Treb hatte Halt gefunden. Mit eingezogenem Schwanz baumelte ich in der Luft. Ich traute mich nicht einmal zu atmen, weshalb Trebs Worte überflüssig waren, aber mir dennoch Mut gaben, denn das bedeutete, wenn ich mich nicht bewegte, konnte er mich vielleicht hochziehen. Unter mir hörte ich den Felsen aufprallen und in mehrere Teile zersplittern. Ich spürte, wie ich Stück für Stück nach oben gezogen wurde und als ich endlich wieder Boden unter den Pfoten hatte, traute ich mich endlich wieder zu atmen. Trotzdem war ich froh, dass Treb mich nicht sofort losließ. Als er es dann doch tat, ließ ich mich flach auf den Boden rutschen und sah zu ihm hoch. "Es geht mir gut. Alles okay", erwiderte ich auf seine Frage. "Danke...Ich hätte dich fast mit in den Tod gerissen. Das war super dumm von dir! Tut mir leid, dass ich abgerutscht bin." Die Worte sprudelten nur so aus mir heraus und ich schnappte nach Luft.
Genau wie die Fähe war ich völlig fertig, meine Gliedmaßen schmerzten von der plötzlichen Anstrengung und noch immer schlug mein Herz wie wild. Ja sie hatte recht, ich hätte mit ihr abstürzen können. Wäre es dir lieber gewesen, ich hätte dich nicht festgehalten? fragte ich sie, erwartete aber keine Antwort denn meine Frage war nicht wirklich ernst gemeint. Aus Frust schüttelte ich mich einmal und leckte mir das Brustfell ab. Nein. sagte ich dann entschlossen. Es muss dir nicht leid tun, Unfälle können passieren, aber es muss mir leid tun. schuldbewusst legte ich die Ohren an. Ich habe dich in Gefahr gebracht, wärst du heute gestorben... Nach diesen Worten sprach ich nicht weiter, es kostete mich Kraft. Ich kannte die Fähe nicht lange aber sie war jemandes Tochter, Schwester und Familie. Ich hatte bereits mehrfach zu spüren bekommen wie es war dies zu verlieren und wünschte es von Herzen nicht mal meinen Feinden. Ich kann nicht noch jemanden sterben sehen. murmelte ich während ich mich abwandte und zur Rudelgrenze sah. Ich holte tief Luft und legte den Kopf in den Nacken, dann heulte ich langgezogen und laut. Mein ruf nach Lyvianne schallte von den Bergen wieder und trug meime bitte bis tief in ihr Revier. Dann setzte ich mich wieder hin. Hoffentlich hörte jemand mich.
"Nein", gab ich zu. Mein Herzschlag beruhigt sich langsam wieder. Ich schüttelte bestimmt den Kopf. "Es muss dir nicht leid tun. Ich wollte mitkommen. Ich bin erwachsen und habe mich selbst in diese Gefahr gebracht." Ich spürte, die Schuld, die er auf sich nahm und wollte es nicht einsehen, dass er Schuld gehabt hätte. Ohne Treb wäre ich gestorben. Naja, oder wäre gar nicht erst mitgegangen. So oder so. Ich war dem Rüden zu dank verpflichtet. Aufmerksam stellte ich meine Ohren auf. Er hatte also schon häufiger jemanden sterben sehen. "Ich habe noch nie jemanden sterben sehen", sagte ich als sein Heulem verklungen war. Ich versuchte mir vorzustellen, wie es mir damit gehen würde. Würde ich gut damit klarkommen? Bestimmt würde ich weinen, oder?
Ich war in einen leichten Dämmerschlaf gefallen und schreckte auf, als Nalu zunächst etwas murmelte, dass ich nicht verstand und dann aufstand. Ich wollte gerade fragen was los war, als die schöne Wölfin über ihre Schulterhinweg meinte, dass sie gehen müsse. Ich wollte etwas erwidern, doch da lief sie schon davon. Perplex stand ich auf, doch fühlte mich zu benommen, um ihr zu folgen. Bald hatte der Regen die Spur der Fähe verblassen lassen, während ich noch immer hinter ihr her sah.
Nach einer Ewigkeit raffte ich mich endlich auf und trottete davon. Was hatte ich hier überhaupt verloren...?
Ich wartete und wartete aber es regte sich nichts. Ich war zu leise...oder vielleicht haben die Bergwölfe selber Probleme und können nicht kommen. Während meine Gedanken sich darum stritten wie ich weiter verfuhr sah ich Liora an. Sie hatte recht aber auf der anderen Seite war ich hier immer noch derjenige der sie hergeführt hatte. Sei froh, einen Wolf sterben sehen der dir viel bedeutet, das ist als würde es eine Narbe in dir hinterlassen die nie wirklich verblasst. Ich legte den Kopf in den Nacken und heulte erneut, diesmal wesentlich lauter und eindringlicher, ich ließ mein Heulen nicht verstummen bis ich sicher war das es über den ganzen Berg schallte. So musste es doch jemand hören.
Ich hörte ihm aufmerksam zu. Auf das erste Heulen hatte niemand reagiert. "Ich hab auch keine Narben", sagte ich dann und sah in die Richtung in die Treb sah. Sein zweites Heulen war um einiges lauter und dringlicher. Darauf reagiert bestimmt jemand. Es sei denn, sie wollen nicht... Ich konnte mir gut vorstellen, dass die Bergwölfe besseres zu tun hatten, als sich dem nächstbesten Heulen zu widmen.
Ich lächelte über ihre Antwort, aber nicht lange. Sie sind nicht da. gab ich die gehörte Information weiter und legte die Ohren an. Sie sind im Tal, ich weiß ungefähr wo. Komm, der Weg ist nicht weit und ich weiß wo wir langgehen können. Natürlich ärgerte es mich sehr den gefährlichen Aufstieg hinter mich gebracht zu haben und Liora dabei fast auch noch verloren zu haben aber immerhin waren wir unserem Ziel nahe. Ich stand auf Es ist diesmal auch der einfachere Weg versicherte ich ihr schmunzelnd. Dann lief ich über das Plateau und sprang über einen schmalen Schlund von etwa einer Wolfslänge, der sich über mehrere Längen in die tiefe erstreckte. Auf der anderen Seite wartete ich erstmal auf Liora.
Interessiert nickte ich. Das zweite Heulen, das erklungen war, hatte ich gebauso verstanden, wie er es übersetzt hatte, auch wenn ich mir nicht gabz sicher gewesen war. Als er vom "einfachen Weg" sprach, schnaubte ich. "Gefährlich würde mich auch nicht abschrecken", sagte ich, lief ihm nach und machte einen Satz über die Kluft. Springen konnte ich durch meine langen Beine zum Glück sehr weit. Ich kam sicher neben ihm auf und sah ihn abwartend an.
Wolfsrudel - Das Leben der fünf Rudel
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22.06.2022 10:59
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