"@Morgana!" Mama zu rufen, wäre mir falsch vorgekommen. So klein war ich nicht mehr. Außerdem würde sie sich vielleicht gar nicht angesprochen fühlen. Ich lief am Ufer entlang und blieb kurz stehen, um mein Spiegelbild im Wasser anzusehen. Wegen irgendwas musste ich an diesen jungen Rüden denken. @Polaris ...Hatte er mich so gesehen, wie ich mich gerade in der Spiegelung gesehen hatte?

Als Dagger sich mit Adria aufmachte, wandte ich mich um. Es war völlig verständlich für mich, dass Dagger mit ihrer Tochter losziehen wollte und sich aufzuteilen, machte uns schneller.
Wo Mama wohl ist?
Ohne weiter zu zögern, machte ich mich auf den Weg.

>> Mondscheinteich

"Hi Edme!" Freudig wedelte ich mit der Rute und begrüßte die Fähe, die ich durch meinen Bruder schon kennengelernt hatte. "Sie wollte sich dem Rudel anschließen", erinnerte ich mich und lächelte Papa strahlend an. "Schön dich wiederzusehen." Ich freute mich sie zu sehen. Vielleicht war @Cupo auch irgendwo in der Nähe. Ich vermisste ihn. Reiß dich zusammen. Es gab wichtigeres. Ich sah zu Dagger. "Wohin willst du gehen? Ich würde es dann am Mondscheinteich versuchen", schlug ich vor. "Wir können aber auch zusammen suchen."

An Papas Gesicht konnte ich sehen, dass ihm die Situation gar nicht gefiel und auch Dagger sah besorgt aus. Es kribbelte mir unter den Pfoten. Ich würde das ganze Tal nach Mama absuchen. Mit zwei Welpen kann sie nicht weit gekommen sein. "Soll ich sie suchen?", fragte ich schnell. Vielleicht machten die beiden sich dann weniger Sorgen. Wieso auch immer machte ich mir nicht so viele Sorgen um meine Mutter. Sie konnte alles. Es gab niemanden, der besser war als sie.

Meine Gedanken hatten mich fortgezogen. Passiert das häufiger? Dass jemand einen Welpen aussetzt? Ist das... vielleicht sogar normal? Nein, bestimmt nicht. Mama und Papa hätten sowas nie gemacht und Dagger auch nicht und überhaupt niemand, den ich kannte. Papas Worte holten mich zurück. "Was?"
Mit ungläubigen Augen sah ich auf den leeren Platz vor mir. Er hatte recht. Mama ist weg. "Vielleicht hatte sie Durst? Oder Hunger? Oder eine Fährte aufgenommen von der potenziellen Mutter?", überlegte ich laut. Dass ich so abwesend gewesen war, machte mir fast ein bisschen Angst.

Als Morgana verschwand und Papa sich sofort um Flidais kuschelte, sprang ich ebenfalls dazu und begann meine kleine Schwester glücklich abzuschlecken. Mama kam wieder und ich traute meinen Augen nicht. Ausgesetzt? Wie furchtbar! "Wieso setzt jemand einen Welpen aus?", fragte ich in die Runde. Ich konnte mir das beim besten Willen nicht vorstellen.

"Meine Schwester?" Meine Rute begann zu wedeln. Ich trat näher heran und betrachtete das Fellknäuel, das zum Vorschein kam als Mama ihre Rute hob. "Sie ist so klein!" Meine Augen begannen zu leuchten und ich ließ mich vor Flidais nieder. "Und soooo süß." Ein glückliches Winseln kam aus meiner Kehle. Ich sah von Mama zu Papa und wiedef zurück. Ich hab eine Schwester!! Die Frage meiner Mutter, wie es mir ging, hatte ich schon wieder vergessen.

Als ich auf dem Rudelplatz ankam, merkte ich, dass irgendwas anders war. Neue Gerüche? Ja, aber nicht nur. Ich verlangsamte meinen Schritt. Ich sah Papa und Mama auf dem Rudelplatz liegen und neben ihnen, noch ein anderes kleines Fellknäuel. Mama sprach gerade mit Dagger. Ich trabte mit gesenktem Kopf näher zu ihr. Meine Rute begann zu wedeln und meine ganzen Ängste fielen von mir ab. "Hallo", grüßte ich Mama und Papa. Meine Stimme war automatisch leiser geworden, was mir persönlich auffiel, da ich sonst wahrscheinlich jubelnd und jauchzend zu ihnen gestürmt wäre. Doch ich hatte mich verändert. Ich war ruhiger geworden. Erwachsener. Weshalb auch immer. Das hinterfragte ich nicht.

Ich war eine Weile durch unser Gebiet gestreift und hatte über Polaris nachgedacht. In manchen Moment wollte ich sofort zurück stürmen in anderen Momenten, versuchte ich mich davon zu überzeugen, dass ich ihn gar nicht mehr sehen wollte. Oder vielleicht bist du verknallt? Entrüstet über meinen Gedanken schnaubte ich abfällig. Bin ich nicht!!! Ich habe gar kein Problem damit, ihn nicht wiederzusehen. Ich will nicht verknallt sein! Dieses Gefühl in mir war zwar irgendwie schön, aber auf der anderen Seite auch unheimlich und beängstigend. Ich schüttelte mein Fell noch einmal komplett aus und rannte los. Vergessen! Vergessen! Vergessen! Ich will das alles erstmal vergessen!

>> Rudelplatz

Als ich wieder im mir bekannten Rudelgebiet war, hielt ich kurz inne und sah zurück. Polaris... Wirklich ein schöner Name. Wie kam es, dass er so anders war? Besonders wenn sein Vater ein so böser schwarzer Wolf war, der mich als Reh betitelt hatte. Bei der Erinnerung daran stellte sich mein Nackenfell auf. Die Begegnung mit dem jungen Rüden hatte meine Gefühle für die Schattenwölfe ein wenig durcheinander gebracht. Gerade nachdem ich mir sicher war, wer mein Feind im Tal war. Ich wandte mich Richtung Rudelplatz und begann mich durch den dunklen Nebel zu schlängeln. Ich spürte mein Herz wieder schneller schlagen. Der rote Mond hing über mir wie ein Schatten. Ich versuchte mich auf meinen Atem zu konzentrieren. Wovor habe ich Angst? Es ist doch alles gut. Es verfolgte mich keiner und auch sonst gab es nichts, was mir Sorgen macheb musste. Trotzdem belastete mich etwas. Es dauerte einen Moment bis ich verstand, was es war. Ich würde niemandem von Polaris erzählen können. Nicht einmal Cupo. Ich schluckte und ich spürte meinen Herzschlag noch schneller werden. Mein Atem floss unregelmäßiger. Wann ich sen Rüden wohl wiedersehen würde? Ich hoffte bald.

"Ich hoffe es." Ich lächelte bei seinen Worten, als ich das Geräusch hörte, sprang ich schnell davon. Mein Herz klopfte wie verrückt. Ein Glück wusste ich, dass Polaris mir den Rücken freihielt.
Ich freute mich wirklich darauf ihn wieder zu sehen.

>> Nebelsumpf

Bei der Rudelgrenze blieb ich kurz stehen. "Dann werde ich jetzt wohl lieber nach Hause gehen", sagte ich und sah auf das Gebiet hinter der Grenze, wo der Nebel schon sichtlich auf mich wartete. Bei seinen Worten musste ich grinsen. "Es ist nur verboten, wenn es uns jemand verbietet. Ich werde niemandem erzählen, dass ich dich getroffen habe", sagte ich und sah in seine Augen. Auf jeden Fall wollte ich ihn wiedersehen.

"Das tut mir leid", sagte ich ehrlich und trat schnell aus der Höhle. "Zum Glück bist du ein guter Gastgeber", witzelte ich und grinste ihn an. Bei seinen letzten Worten nickte ich. "So sehe ich das auch." Lächelnd wartete ich auf ihn, damit er mir die Grenze zeigen konnte.

"Bestimmt", sagte ich und hob den Kopf vom Boden. Bei seiner Frage stellte ich sofort die Ohren auf und sah ihn erschrocken. "Ich weiß nur, dass ich unser Revier verlassen habe und kurz danach war ich hier", gestand ich entschuldigend. "Ja, bitte. So nett dein Papa auch ist, ich glaube auf die Art will ich ihm nicht nochmal begegnen." Ich lachte kurz und lief dann zu Polaris, der schon im Höhlenausgang stand. Neben ihm kam ich mir fast ein bisschen klein vor. Ich zuckte mit den Schultern. "Unsere Elterngeneration war glaube ich schon immer so", murmelte ich und dachte wieder an das Gespräch, das meine Eltern mit den Schattenwölfen geführt hatten. Dann sah ich wieder zu dem jungen Rüden. Wie könnte man ihn auch nicht mögen? Ich war mir sicher, dass sich sogar Cupo mit ihm wohl fühlen würde.

Euer Alpha glaubt, Papa hat einen von euch umgebracht, dachte ich doch verschwieg das. Endlich hatte ich es geschafft, erst zu denken. "Meine Eltern? Hm." Ich sah an die Höhlendecke und überlegte, wie man das erklären sollte. "Ich würde sagen distanziert und bestimmt, aber freundlich", sagte ich dann zufrieden damit, eine passende Beschreibung gefunden zu haben. "Vielleicht hab ich deinen Vater auch auf der falschen Pfote erwischt." Ich hatte das Gefühl, dass es ihn traurig machte, dass ich Ghost so erlebt hatte. "Ich war nur in Begleitung eines Zigeuners dabei und wie ich gelernt habe, sind eure Rudel nicht gerade gut aufeinander zu sprechen." Aufmunternd sah ich ihn an. Jemand, der einen so netten Sohn hat, kann gar nicht so schlimm sein. Ich mochte das Gefühl neben ihm zu liegen. Es war etwas besonderes oder vielleicht bildete ich es mir ein. Fühlte es sich für ihn genauso aufregend an?

Ich prustete los. "Bitte nicht. Du bist gut wie du bist." Als er sich auf den Rücken legte und die Pfoten nach oben streckte, verdrehte ich ironisch die Augen. "Haha", meinte ich sarkastisch und kicherte. Als er dann ernster wurde, sah ich ihn erstaunt an. "Dein Vater?", wiederholte ich ungläubig. "Das kann nicht sein", sagte ich dann und schüttelte den Kopf. "Sonst wärst du lange nicht so ... " Süß. Schnell verstummte ich. Das war knapp. "nett", sagte ich dann und lächelte ihn entschuldigend an. "Vielleicht sind sie nur zu Schattenwölfen nett", überlegte ich dann und legte meinen Kopf zwischen die Vorderpfoten. Woher sollte ich wissen, wie meine Eltern zu Fremden waren. Ich hatte sie zwar schon einmal mit den Schattenwölfen beobachtet, doch das war eine andere Geschichte gewesen.

"Ich auch nicht... aber er war wirklich rot", beteuerte ich znd sah ihn an. "Ja, Corvin und Zayn bin ich begegnet und hatte ein bisschen mit ihnen zu tun wegen meines Bruders, aber nicht lange", erzählte ich. Dann sah ich nach draußen und sah auf den Waldboden außerhalb der Höhle. Bei seiner Frage musste ich leicht lachen. "Nunja, du versuchst nicht mich umzubringen oder bezeichnest mich als kleines Reh." Ich grinste ihn an, auch wenn es für mich eigentlich noch zu früh war darüber amüsiert zu sein. "Einer von ihnen ein schwarzer Rüde hieß Ghost und wie die Fähe hieß, weiß ich nicht, aber sie war relativ schmal mit rötlichem Fell und versteinerter Mimik", erklärte ich. "Kennst du die beiden?" Kaum hatte ich es ausgesprochen, spannte ich mich an. Vielleicht ist es nicht so schlau mit ihm darüber zu reden. Wenn er weiß, dass die beiden mich fast angegriffen hätten, tut er vielleicht das selbe. Wieder einmal hätte ich erst denken sollen, bevor ich sprach und ich beschloss mir das jetzt ein für alle mal anzutrainieren.

Ich sah ebenfalls nach draußen und schüttelte den Kopf. "Nein... ich habe so etwas noch nie gesehen... aber der rote Mond." Ich schluckte und legte mich neben ihn. Jetzt, da er sich hingelegt hatte, war mein Misstrauen verschwunden. Außerdem konnte ich mir einfach nicht vorstellen, dass er mir etwas antun würde. "Macht mich ganz wahnsinnig! Ich hatte solche Angst." Ich sah ihn an. "Du scheinst nicht wie die anderen Schattenwölfe zu sein? Also bis auf Zayn und Corvin. Obwohl Zayn ist ja eigentlich keiner mehr und mit Corvin habe ich nicht viel geredet." Ich merkte, dass ich zu plappern anfing und verstummte schnell.

Als er meinen Namen sagte, sah ich ihn an und als er näher trat, bekam ich eine Gänsehaut. Der Geruch schien eine Sackgasse zu werden, was mich ein wenig enttäuschte. "Ich bin eine Nebelwölfin", sagte ich dann und schnupperte nochmal kurz in seine Richtung, doch der Schattenwolfgeruch umwaberte ihn noch immer unbarmherzig und ich ertappte mich dabei, dass ich mir gewünscht hatte, er wäre verschwunden. Konnte ich ihm trauen? "Du bist ein Schattenwolf, nicht wahr?"

"Polaris...", wiederholte ich leise. "Schön..." Mir gefiel der Name gut und meinen eigenen Namen fand ich nun irgendwie doof. "Ich bin Liora", sagte ich trotzdem. Es klang lange nicht so schön wie Polaris. Der Rüde schien nett zu sein, doch er roch nach Schattenwölfen, weshalb ich weiterhin vorsichtig blieb. Dennoch hatte er meine Neugier geweckt. "Was für ein Geruch?", fragte ich und schnupperte ebenfalls ein bisschen herum. Doch der Schattenwolfgeruch war zu stark. Bin ich in einem Revier gelandet? Aber... dann würde er sich doch anders verhalten, oder? Allerdings hatten sich Zayn und Corvin mir gegenüber auch nett verhalten. Meine Gedanken sprangen von einer Sache zur anderen und ich zwang mich, mich wieder auf den Rüden zu konzentrieren.