Mit neugierigem Gesichtsausdruck folgte ich meiner Mutter und sah jeden freundlich an. Mein Blick blieb bei Rebell hängen, er war in meinem Alter und irgendwie fühlte ich mich dadurch mit ihm verbunden. Schüchtern lächelte ich ihm zu, ehe ich zu den anderen blickte und mich knapp hinter Mama und Tristan setzte.

Als ich Acyras Duft vernahm, schaute ich mich langsam nach ihr um, doch sah ich zur falschen Seite als ihr Kopf schon meine Schulter berührte. Leise flüsterte ich schließlich zu ihr rüber "Hallo Acy." bevor ich ihren Kopf leicht mit meinem anstupste und dann meinen Blick wieder auf Marek richtete, der mittlerweile von recht vielen Wölfen dort oben war.

Menschen? Ein Glück war Jangal nichts passiert. Mir schauderte bei dem Gedanken, dass wir zu beschäftigt gewesen wären mit unseren Problemen und daher so etwas passieren konnte. Eine Schande. Da Marek das Wort an Gin übergeben hatte, schwieg ich allerdings weiterhin. Ermutigend schaute ich zu Gin, versuchte ihm ein wenig Halt zu geben und rückte näher.

Marek ergriff das Wort und begann mit einem Thema, das mir komplett neu war. Alarmiert sah ich zu Huttser, runzelte sogar etwas die Stirn. Bei uns fehlt niemand, überlegte ich und sah wieder zu Marek. Er übergab mir das Wort, womit ich nicht gerechnet hatte. Kurz zögerte ich, dann erhob ich mich und sah in die Runde. "Danke Marek. Ich möchte vorab anmerken, dass uns das Thema mit den Jungwölfen neu ist. Bei uns ist niemand abhanden gekommen", teilte ich meine Gedanken mit, ehe ich zu dem weitaus emotionaleren Thema kam und tief durchatmete. "Wie euch bekannt ist, gab es Schwierigkeiten und Konflikte zwischen den Zigeuner- und den Schattenwölfen. Es gab Todesfälle...auf beiden Seiten. Ausgelöst wurde dieser Konflikt von den Betawölfen beider Rudel. Ich erinnere mich nicht mehr, wie es genau dazu kam - aber das ist auch nicht mehr wichtig. Ich bitte um einen Waffenstillstand. Wir müssen uns nicht lieben, aber wir müssen uns vertragen. Ich denke, dass es auch in eurem" - ich sah Dash direkt an - "Interesse sein wird, wenn wir die Morde und Zahl der Verletzten eingrenzen oder besser gar nicht weiter steigen lassen."
Fragend sah ich Dash an. Mein Herz wummerte in meiner Brust und ich hatte leichte Schweißausbrüche. Meine Rede war nicht perfekt, einiges hatte ich unklar ausgedrückt. Doch ich war zu nervös, um es zu erläutern. Alles was ich tat, war hoffen. "Darum bitte ich dich um einen Pakt. Lass uns Frieden schließen! Ich will kein Blut mehr sehen müssen und ich will niemanden mehr beerdigen."

Ich hörte dem zu was Marek sagte und dachte mit Schrecken, auch wenn ich das nicht zeigte, an Shane, den zu suchen ich Juri und Naron aufgetragen hatte. Er war doch nicht auch entführt worden, oder? Dennoch zwang ich mich dazu mich zu konzentrieren. Ehe ich dir antworte möchte ich noch ein paar Worte an Huttser richten. Das war weder eine Frage, noch eine Bitte, ich wandte mich direkt an den grauen Rüden. Ich musste das aus meinem Kopf bekommen, sonst würde ich durchdrehen. Kanntest du die Namen deiner Opfer Huttser? Nein. Ich möchte sie dir sagen. Sie hießen Alona und Ago. Du hast keine Wölfe getötet, sondern zwei Individuen. Ich schwieg einen Moment, dann korrigierte ich mich. Nein, ich sage es anders. Ich schüttelte den Kopf, nach Außen hin weiterhin ruhig, doch in meinen Augen stand kalter Hass. Das war Mord. Du bist ein Mörder. Ein Mörder von jungen Wölfen die sich nicht einmal wehren konnten. Ich will nicht, dass die beiden als namenlose Opfer eines Krieges vergessen werden. Ich bereue es Sinner getötet zu haben, er war ein starker Wolf. Ich verneige mich vor seinem Willen sein Rudel zu beschützen, auch wenn es ihn das Leben gekostet hat, doch Sinner starb im Kampf, ehrenvoll, aber du, Huttser, wolltest die beiden töten. Du wolltest unschuldige junge Wölfe töten, die noch nicht einmal fest zu unserem Rudel gehörten, die nicht kämpfen konnte. Du hast sie hingerichtet. Sie hatten keine Chance ihr Leben zu verteidigen. Ich ließ einen Atemzug verstreichen, ehe ich mich nun doch Gin zuwandte. Ich will diesen Krieg nicht, wir haben genug verloren. Ich entschuldige mich dafür Sinner getötet zu haben, er hatte es nicht verdient in diesen Streit hinein gezogen zu werden, ebenso wenig wie euer Rudel. Der einzige, der meinen Hass verdient hat ist Huttser und ich werde diesen Hass auch nicht ablegen, doch ich stimme einem Friedenspackt zu, solange ihr ihn selbst auch einhaltet. Kein Zigeuner soll mehr einen Schatten angreifen und genauso soll auch kein Schatten mehr einen Zigeuner angreifen.

Mir war in meinem Pelz unwohl geworden, noch bevor Dash gesprochen hatte. Seine Worte sorgten für keine Verbesserung, im Gegenteil. Doch ich war gefeit gewesen auf solch eine, oder eine ähnliche Ansprache. Es war absehbar gewesen. Seinem Blick hielt ich stand, selbstsicher und fest.
Ich schloss einen Moment die Augen, er stimmte einem Friedensabkommen zu, dass war das einzige was zählte.

Dash Was hatte ich schon zu verlieren? Vor Marek hatte ich eh schon blank gezogen. Ich bin nicht stolz auf meine Taten. Das war sicher nicht der einzige Fehler in meinem Leben und sicher nicht der letzte. Es ist nicht zu entschuldigen, also versuche ich gar nicht eine Entschuldigung dafür zu finden. Ich drehte mich kurz zu Gin, eine Absicherung für mich. Aber ich bedauere euren Verlust. Jeder Versuch einer Rechtfertigung wäre ohnehin gescheitert, also schenkte ich ihn mir. Ich würde das Wort hier nicht mehr ergreifen.

Den grauen Wolf hier zu sehen fecherte meine Wut an, Adrenalin und Hass jagten durch meine Adern aber ich hielt an meinem Versprechen fest. Wie ein Mantra rief ich mir Dashs Wunsch ins Gedächtnis. Seine Rede war wunderschön, ich hätte niemals so etwas heraus bekommen. Doch ich hatte immer noch ein großes Verlangen meine Zähne in den Hals des grauen zu versenken.
Wir hatten versprochen Alona und Argo zu schützen und nun waren sie tot.
Meine Lefzen zogen sich zurück über meine Zähne und meine Augen starrten kalt von Hass zu den Zigeunern. Alle anderen hatte ich ausgeblendet, mein Fell war gesträubt aber ich schaffte es noch ein Knurren zu unterdrücken.
Bedauern? , sagte ich dann doch verächtlich aber eher zu mir selbst. Als wäre es etwas ekliges spuckte ich das Wort aus, doch es war so leise, dass ich nicht wusste ob es außer Dash jemand hörte.