Ich brummte kaum hörbar, als meine Mutter mich weiter schickte. Ich freute mich, dass es für Adria und Marlo so gut zu laufen schien, aber selber hätte ich auch gerne etwas gefangen. Die Maus überhaupt zu finden, war reines Glück und nichts anderes gewesen. Etwas missmutig verschwand ich also hinter dem Baum, an dem ich mit Marlo gestanden hatte und verschwand so aus der Sichtweite der anderen. Ich war zu versessen auf die Aufgabe, um dies allerdings wirklich mitzubekommen.
Ich lief eine ganze Weile lauschend umher, bis ich wieder ein Geräusch vernahm, das dem von vorhin ähnlich war. Ich umkreiste das Geräusch unter der Schneedecke und zog so eine Schneise. Nun hatte ich eine Art Kreis aus Schnee vor mir, den ich nach und nach abtrug, bis mich ein verschrecktes Gesicht anblickte. Ich hatte mich tatsächlich nicht verhört und eine Maus gefunden. Sie machte es mir einfach, da sie sich nicht bewegte, sondern wie eingefroren da saß. Ich konnte sie einfach aufheben und meine Kiefer etwas zusammen drücken. Ich hörte ein leises Knacken. Das tote Tierchen im Maul sah ich mich um. Bäume und Schnee. Eis und Stille. Kälte und Leere. Mehr umgab mich nicht. Nicht nur, dass mir mein Fang wie ein Schummelversuch vorkam - ich hatte mich ja kaum angestrengt - ich hatte keine Ahnung wo ich war.

Der Schnee umwarb die Maus wie ein sicherer Schleier. Ich wusste, sie war nicht fort und doch bekamen meine Kiefern sie nicht zufassen.
Meine Schnauze fühlte sich ganz taub an, bei all der Kälte, die sie schmecken musste. Ich schüttelte meinen Kopf, nicht gewillt, dieses Auf und Ab leer ausgehen zu lassen. Aber nahm ich mir eine magere Atempause, als Morgana uns einen wertvollen Ratschlag gab.
Den Weg abschneiden..., wiederholte ich ihre Worte und blickte nachdenklich auf den zerwühlten Fleck im Schnee vor mir. Die Maus war still, meinen Sinnen verborgen, und für einen Moment dachte ich, sie hätte den Augenblick meiner Unaufmerksamkeit genutzt, um der Sicherheit in die Pfoten zu laufen. Doch pochte sogleich wieder stotteriges Atmen an meinen Ohren.
Vorsichtig ging ich zwei spärliche Schritte zurück – und wartete. Der Baum, an dem Lejan die Beute hervorgelockt hatte, stand in etwa hinter mir. Mit etwas Glück würde auch diese Maus Morganas weiterhelfende Worte bestätigen.
Ich verweilte recht lange, den Atem möglichst flach haltend, fokussiert auf den Punkt, an dem ich den grauen Nager vermutete. Von außen musste es so scheinen, als hätte der Winter mitten in meinem Jagdversuch seine eisige Pranke über mich gezogen und meinen Körper auf einmal vereist. Aber meinen Jagdinstinkt warten zu lassen, zahlte sich im nächsten Moment allemal aus.
Sachtes Kratzen machte sich bemerkbar. Das Scharren winziger Krallen im festen Schnee. Manchmal verlor ich es aus den Ohren, wenn meine Konzentration nachließ, doch tat ich mein Bestes, dem Schaben mit Augen und Lauschern zu folgen – und tatsächlich glaubte ich, dass die Maus unter der Schneedecke ihren Pfad zurück in Geborgenheit grub. Zurück in ihren Bau. Zumindest schien sie die grobe Richtung anzupeilen. Erst als sie stückweise ihren Blick an die freie Oberfläche freiwühlte, war ich mir sicher, dass sie ihren Weg zurück suchte. Aber wurde dies zu einem ihrer größten Fehlgriffe.
Ich sah die Schneeoberfläche an einer Stelle sachte in sich zusammenzufallen, das Schnuppern der Maus immer klarer werdend, und schnappte zu. Noch bevor die Maus vom Licht berührt wurde.
Schlaff baumelte sie zwischen meinen Fangzähnen und ich brauchte zwei Atemzüge, um zu begreifen, dass ich das kleine Grau tatsächlich gefangen hatte. Meine allererste Beute.
Ich blickte hoch zu den anderen. Mit friedlicher Freude in meinen Augen. Mutter und Morgana waren längst erfolgreich. Ebenso Adria, die ihren knapp davonkommenden Erfolg ausrief, schien der Fang zum Greifen nah gewesen zu sein. Und Lejan... – Lejan war plötzlich fort.
Verwirrt sah ich mich nach allen Seiten um, versuchte sein helles Fell unter dem Weiß der Umgebung aufzufinden. Doch mein Blick war erfolglos. Ich ließ die erlegte Maus in den Schnee fallen.
„Mama“, begann ich verunsichert, den Blick weiterhin suchen lassend. „Wo ist Lejan?“

@Dagger

Ich sah meine Familie aufgeregt an, aber lediglich Marlo schenkte mir Beachtung. Dieser allerdings hatte bereits eine Maus gefangen.
Erschrocken starrte ich das Tier an. Ich hatte es nicht geschafft, ich hatte versagt.
Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich versagt.
Und das nagte an mir, mehr als erwartet denn meine Motivation rutschte in den Schnee und verschwand wie meine Maus aud nimmer wieder sehen.
Wieder spürte ich dieses Gefühl im Bauch, diesmal stärker und es reichte das ich tatsächlich das Gesicht verzog und mich von Marlo abwandte. Im Moment spürte ich die Enttäuschung über mein misslingen und... dieses andere.
Mama war mit Morgana am Jagen, beide waren viel zu beschäftigt um meinen Stimmungsumschwung zu bemerken.
Und Lejan... ja Lejan war weg wie Marlo plötzlich bemerkte.
Ich sah mich um und konnte Lejan selbst nicht sehen.
War er vorhin nicht an mir vorbei gelaufen? Oder hatte ich mir das eingebildet?
Gut aufgepasst Marlo
Warum hatte ich das nicht gemerkt? Ich hätte Lejans Verschwinden bestimmt auch mitbekommen wenn ich nicht abgelenkt gewesen wäre.
Mama wollte ihn sofort suchen.
Ich will mitkommen! rief ich.

Ich wandte mich zu Mutter um, blickte in ihre weit aufgerissenen Augen. Und während ich zuvor zwar unruhig dreinschaute, jedoch den Ernst der Lage noch nicht wirklich erfasste, tat ich es spätestens jetzt.
Die Hektik, mit der Mutter sich umwandte, und die Panik, die sie ausstrahlte, schienen sich stückweise auch in mir aufzubäumen. Die Hoffnung, dass Lejan jemanden wissen lassen hat, wo er entschwunden war, schmolz im letzten Sonnenstrahl. Stattdessen zerrte die Unsicherheit an mir, unbeholfen fuhr meine Zunge über die Lefzen.
Ich hätte auf ihn achtgeben sollen. Was brachte mir schon meine erste Beute, wenn ich dabei meinen Bruder vergaß? Der Gedanke drückte massiv in meinen Brustkorb, ebenso wie Mutters Weisung, dass wir hierbleiben sollten.
Ich wollte mit, ich wollte helfen. Ich konnte nicht untätig an Ort und Stelle verharren. Adria, die nun aufrief, schien es ähnlich zu gehen. Meine Pfoten wurden auf einmal ganz ungeduldig, das kannte ich von ihnen gar nicht.
Es kommt alles wieder in Ordnung, versuchte ich mich zu beruhigen und das fiebrige Kribbeln in mir zu schwächen. Wirbelnde Hektik würde hier genauso wenig helfen wie ein Stock im Wasser.
„Ich weiß es nicht wirklich...“, entgegnete ich betreten, als Mutter mich fragte, wo Lejan wohl hingegangen sein könnte. Aber schließlich war er nicht in meinem Augenwinkel aufgetaucht, als ich mich in die Jagd versenkt hatte. Er hätte unmöglich an mir vorbeigelaufen sein können. Oder? Plötzlich war ich mir darüber unsicherer, als ich sollte. Doch vertraute ich meinem Gedächtnis und deutete in die Richtung hinter dem Baum, an dem Lejan mit mir zuvor gestanden hatte. „Vielleicht dort entlang.“
Es war zumindest ein Ansatz. Und wenn ihn sonst niemand in eine andere Richtung hat gehen sehen, war es vermutlich auch unser einziger.
Ich senkte meine Schnauze und witterte am Boden entlang. Es musste eine Duftspur und Abdrücke im Schnee geben. Und tatsächlich sah ich hinter dem Stamm eine Pfotenfährte irgendwo ins Ungewisse des Waldes verlaufen. Allein und selbstständig.
Hoffentlich ist ihm nichts passiert, dachte ich, den Blick der verschneiten Ferne zugewandt. Meine erjagte Maus lag einsam im Weiß, verdrängt und nicht mehr Teil meiner Gedanken.

Ich lief zu Marlo und drückte mich an seine Flanke.
Hinter dem Baum lag auch nur noch mehr Schnee. Aber dann entdeckte ich die tiefen Spuren.
Da sind Abdrücke im Schnee bemerkte ich laut.
Leeeejaaan! versuchte ich mein Glück indem ich laut in die Richtung.
Sicher war er nur hinter einem Baum versteckt, hoffentlich.

Meine Ohren zuckten. Ein leises Geräusch. Irgendwo weit über mir, n den Baumwipfeln, flatterte ein Vogel auf. Ich war weiter gegangen. In der Hoffnung, den Weg zurück zu meiner Familie zu finden, hatte ich mich weiter ins Innere des Waldes vorgearbeitet. Da hörte ich es. Wie vom Wind zugetragen. Es war kalt und mein Atem kräuselte sich in kleinen Wölkchen in der Luft. Der Himmel, den ich zwischen den blätterleeren Baumwipfeln sehen konnte, war schwer und grau.

Ich spitzte die Ohren und drehte den Kopf. Wo kommst du her? Wo willst du hin, kleiner Wolf? Bist du verloren oder möchtest du nicht gefunden werden? Ich war in Gedanken versunken, ließ den Blick schweifen. Das Glitzern des Schnees fing meine Augen und nun sah ich meine Abdrücke, als lachten sie mich aus. Hätte ich sie doch gleich sehen müssen. Hätte ich doch daran denken können, dass ich im Schnee Spuren hinterließ. Stumm starrte ich ins blanke Weiß ud begann zu schleichen, als würde niemand mich vermissen können. Ich sank in Gedanken, so tief, dass es sich anfühlte wie ein Traum und ich wurde langsam. So langsam, dass ich stehen blieb und plötzlich war wirklich alles ein Traum, der mich kalt in den Schlaf wog.

Alles was nicht im Fokus meiner Aufmerksamkeit war, stand verschwommen um mich herum. Ich setzte einen Fuß vor den anderen. Meine Pfoten waren kalt. Die Maus in meiner Schnauze war warm und weich. Ich hatte sie gerade erlegt - vor mir der Kreis im Schnee, den ich ausgehoben hatte. Ich hörte ein Geräusch, eine Stimme, die mich leise rief. Ich konnte sie kaum verstehen. Kaum hören. Wollte sie mich finden oder war es meine Aufgabe, auf sie zuzugehen? Etwas zog mich zu ihr. Doch mir war so kalt und ich fühlte mich so schwer, dass ich mich hinlegte. Du darfst nicht schlafen!, mahnte ich mich und in dieser Sekunde... schlug ich die Augen auf.

Ich hatte nicht lange geschlafen. Die Sonne hatte sich nicht bewegt. Es war nicht dunkler geworden. Die maus war nicht mehr so warm und weich wie in meinem Traum, aber meine Beine auch nicht mehr so schwer. Ich rappelte mich auf und suchte nach meinen Spuren. Weiter. Ich lief wieder meinen Spuren nach . Doch außer Bäumen und Schnee und tiefhängenden, grauen Wolken sah ich nichts.

Immer noch aufgedreht hatte ich dem Gespräch der anderen zugehört, auch wenn ich am liebsten sofort los geflitzt wäre. Die Worte welche der graue Rüde (Marlo) sagte, gefielen mir sehr, weshalb ich auch fröhlich mit der Rute wedelte. Aber auch Morgana sagte schöne Worte. So wie die beiden, hatte ich nie jemanden aus meinem Rudel Dinge erklären gehört. Zumindest nicht dass ich mich daran hätte erinnern können. Als es endlich los ging mit der Suche nach Mäusen buddelte ich übereifrig an verschiedenen Stellen. Jedoch sah ich das Ganze als lustiges Spiel, vor allem da ich mit der Nase den Schnee in die Luft werfen konnte. Verwirrt hob ich den Kopf, als die anderen aufgeregt wurden und trabte näher zu ihnen herüber. Doch jemand fehlte. Lejan.. ich ließ die Ohren hängen. War er wegen mir weg? Ich hörte den anderen zu und trat möglichst dicht zu Dagger. Mama hat mir immer erzählt, dass wenn sich jemand aus dem Rudel verirrt, dass man dann so heulen soll, dass der Verlorene anhand der Stimmen einen findet..

Ich hörte ein Rufen und beschleunigte meine Schritte etwas. Es war so dunkel geworden, dass ich meine Pfoten kaum noch sehen konnte. Weiß auf Weiß macht sich nicht gut... Das Rufen wurde lauter und ich meinte, Morganas Stimme zu erkennen. In diesem Moment durchbach ich die Baum-Front vor mir und blieb dicht vor der Alpha stehen. Ich konnte sie besser riechen und deutlich besser hören, als dass ich sie zu sehen vermochte. Tut mir leid, sagte ich leise.

Ich legte die Maus vor meine Pfoten und bleib stehen, während Morgana ihre Wange gegen mich drückte. Alles okay, bestätigte ich nickend. Langsam wurde es wieder heller und ich konnte die Umrisse der schwarzen Fähe besser erkennen. Okay, ich pass nächstes Mal besser auf. Meine Mutter und meine Geschwister konnte ich nicht sehen . Morgana rief nach ihnen. Wir sollten gehen. SIe machen sich sicher Sorgen, sagte ich monoton, nahm meine Maus und zuckelte im gemütlichen Tempo los.