Als die Fremden auftauchten hatte ich mich verkrochen, ins letzte Eck der Höhle zurück gezogen und mich dort gegen die felsige Wand gepresst. Mama war nicht wiedergekommen und auch 'Papa' blieb verschollen. Wir waren alleine, nur von Fremden umgeben und ich wollte einfach nicht mehr zur Ruhe kommen. Mein Puls pochte stetig und viel zu schnell, während meine Irden immerzu von einem Artgenossen zum nächsten wanderten. Noch nie hatte ich mich mit so vielen unbekannten Wölfen konfrontiert gesehen und und schließlich wurde es zuviel. Die Angst kroch durch meine Glieder und nurmehr ein Satz hallte in meinem Kopf wieder: "Ich möchte zu Mama!"
Wie von selbst erhob ich mich und schlussendlich schoss ich wie ein geölter Blitz am den Anwesenden vorbei und nach draußen. Ohne Sinn und Verstand eilte ich weiter, stolperte über meinen eigenen Pfoten und hielt nicht eher an, bis sich das dichte Gehölz vor mir lichtete.

> Lachsfluss, Freie Gebiete

Als so viele Fremde hereinkamen und uns über einen nachdenklichen Blick hinaus nicht weiter beachteten, hatte ich mich Schutz suchend an Ago gedrückt und abgewartet, bis Mama oder Papa oder besser noch beide zurück kamen.
Doch als Ago den Entschluss fasste, sie suchen zu gehen wurde mir klar, was mir im inneren schon längst bequsst war. Sie kamen nicht zurück. Doch was hatte sie aufgehalten.
Als Ago aus meinem Blickfeld verschwand, waren die felsigen Wände das einzig bekannte was hier blieb und das reichte mir beim besten Willen nicht aus, also sprang ich meinem Bruder hinterher.
-> Lachsfluss

Ich trat in die Höhle und legte mich nieder um zu fressen. Dann schloss ich einfach die Augen und schlief.
Als ich mich erholt hatte verließ ich die Höhle wieder.
-> Lachsfluss

Stur und mit stoischer Gelassenheit versuchte ich meine Würde zu wahren. So wie im letzten Jahr auch, versuchte ich meine Instinkte zurückzudrängen und hinter einer Wand der scheinbaren Emotionslosigkeit zu verschließen. Ich wollte mich ihnen nicht hingeben und mein eigentliches Wesen vergessen - und schon gar nichr zugeben, dass es mir dieses Jahr fast unschaffbar schien. Raavas Präsenz, ihr Geruch, traf mich wie ein Tropensturm, dem ich mich nicht entziehen konnte. Gerade weil da Gefühle mit ihm Spiel waren, war ich einfach nicht in der Lage die ernste Maske aufrecht zu erhalten und wie zum Hohn wurde mein Atem flacher.
"Warum magst du keine Höhlen, Raava?", fragte ich und leckte mir fahrig über die Schnauze, was die Sache nur verschlimmerte. Innerlich sehnte ich mich nach ihr - ihrem Geruch, ihrer Präsenz und ihrer selbet - es zeriss mich förmlich. Doch noch war ich nicht bereit meine Hüllen fallen zu lassen, noch war ich beherrscht genug. Doch ich wusste selbst nur zu gut, dass es nicht mehr lange so bleiben würde.

Innerlich jubelte ich auf, dass Shiva die Stille unterbrach, wenngleich sie angenehm war. Doch da war eine Spannung in der Luft und sie schien sich etwas zu lösen, als ich nun die perfekte Entschuldigung hatte mich ihr zuzuwenden. Dabei sah sie so ruhige aus. War ich dich wieder die einzige, die betroffen war?
Eigentlich hätte ich gelogen, hatte schon die passende Geschichte parat, doch also mein Maul öffnete, um ihr zu Antworten kam nur die Wahrheit heraus. Denn mit offenem Maul konnte man noch intensiver riechen -nicht unbedingt vorteilhaft in diesem Moment, lenkte es mich vom Lügen ab.
Bei den Menschen gibt es nur Wände und Decken und sie haben kleine, wolfsgroße Käfige in denen sie dich schlafen legen. Man kann keinen Himmel sehen. Es ist als würde ich ersticken. Der letzte Statz war ein Flüstern, wenngleich ich kam lauter als ein Murmeln sprach. Ich war mir der Wölfe in der Höhle bewusst und meine Geschichte waren nicht für andere Ohren bestimmt.

In mir tobte ein bitterer Sturm. Begehren, Verlangen und meine altbekannte Sturheit wirbelten durch meinen Verstand und mit jeder Sekunde bröckelte meine Fassade dahin. Mit jeder Sekunde bekam sie weitere Risse und mein Atem wurde hektischer - noch war dieser Prozess eher schleichend und doch war ich mir sicher, dass meine Augen ein offenes Fenster zu dem tobenden Sturm in mir bildeten.
Raava wandte sich mir zu und meine bernsteinfarbenen Irden trafen auf ihre hellen, die bis auf meine Seele zu blicken schienen. Ich fühlte mich ihr vollkommen ausgeliefert und abermals leckte ich mir fahrig über die Schnauze, was dem Sturm in mir nur noch an Stärke verlieh. Es war, als zerrte eine innere Bestie in mir an ihren Ketten und verlangte nach einer Freiheit, die ich ihr nicht gewillt war zu geben. "Schlafen... legen?", wiederholte ich verständnislos und versuchte meine wirren Gedanken zu ordnen, um mir die beschriebene Situation vorzustellen... und scheiterte auf ganzer Länge. Immer wieder huschten sie zu Raava und ihrem unwiderstehlichen Geruch. "Wie bist du damals eigentlich entkommen?", fragte ich schlussendlich, nur, um weiterzureden und eine Ablenkung zu haben.

Im ersten Moment war ihre Frage an mich verloren gegangen. Zwar sah ich, wie sich ihr Maul bewegte, aber mein Blick war von der Zunge gefangen, die schon wieder über ihre Schnauze huschte. Ich schluckte. Heftete meine Augen wieder auf ihre, wobei sich mein Kopf leicht auf die Seite neigte. Mir war, als konnte ich durch berbsteinfarbene Seen auf den Grund blicken können. Für einen Moment nur. Aber ich meinte mehr verschiedene Gefühle in ihnen huschen zu sehen war das Verlangen? Mir stockte kurz der Atem, wobei ich bemerkte, dass ihrer ungewöhnlich schnell ging. Meine Ohren zuckten. Ich wäre so gerne nach vorne gebeugt, damit ich statt sie selbst über ihre Schnauze schlecken konnte.
Irgendwann aber registriere mein Gehirn ihre Frage. Schlafen legen? Was meint sie damit? aber ich war noch immer zu abgelenkt. Als ich ihr endlich antworten konnte hörte man dies deutlich raus.
Ja, genau... Schlafen... Also es piekst und du fällst in einen traumlosen Schlaf.... du bist in dieser kleinen Box ... und ... und du riechst gut ..
Ich legte meine Stirn in Falten, während ich versuchte nachzudenken um ihr zu Antworten und bemerkte meinen Fehler nicht. Denn Blick kurz von ihren Augen zu nehmen half ungemein.
Also in dieser Box kann man sich überhaupt nicht bewegen, sie ist auf allen Seiten zu, eben auch über einem. Wenn man aufwachte war immer etwas anders, das Bein verbunden oder man fühlte sich komisch schwerelos. Aber manche Wölfe kamen nie mehr zurück. schaffte ich es schließlich doch.

(Zum Verständnis, gemeint sind diese Transportboxen für Tierarzt besuche etc. in denen sie vor/nach der Nakose rein kommen. Manche Wölfe werden aber auch verlegt oder Eingeschläfert = kommen nicht mehr zurück.)

Ich hatte mich unwillkürlich nach vorne gebeut um Raava und ihre leise Stimme, besser verstehen zu können. Es war ein wahrer Teufelskreis - umso näher ich ihr kam, umso heftiger brodelte es in mir und doch versprach unser Gespräch die einzige Ablenkung. Allerdings nahm ihre Worte gar nicht mehr wirklich war und verlor mich immer mehr im Klang ihrer sanften Stimme, die in meinen Ohren nachhallte und mich erbeben ließ. "Ich... verstehe das nicht", murrte ich und spielte damit nicht unbedingt auf ihre Geschichte an, sondern vielmehr auf meine eigene Reaktion. Was vorher alltäglich - normal - schien, zog mich jetzt kraftvoll in einen Bann.
Natürlich lag es an der Zeit, aber meine Welt kreiste nur noch um Raava. Ich konnte ihren Geruch nahezu auf meiner Zunge schmecken und ich fuhr mit einem Schnauben zurück, suchte den sicheren Abstand. Meine Pfoten zitterten und jede Faser meines Körpers wollte mich zurück zu ihr zwingen, doch meine Sturheit siegte. Doch die Risse hatten sich tief in meine Hülle gegraben und schließlich konnte diese dem Druck nicht mehr stand halten - mein schützender Mantel zersprang. Mein innerstes Seelenleben lag vor Raava dar und ich konnte sie nur anstarren, während ich um meine Fassung kämpfte. Warum...? Warum traf es mich dieses Jahr so heftig?

Das Gesprächsthema hatte mich wieder ernüchtert. Erinnerungen wirbelten durch meine Gedanken, von der schönen Scheinwelt im Zoo, die einen gewaltigen Harken gehabt hatte. Aber das war nichts worüber man jetzt nachdenken sollte.
Reden wir nicht mehr darüber murmelte ich laut.
Ich suchte Ablenkung aus der Vergangenheit und fand sie sofort -bei der Fähe vor mir. Wie ich sie anblickte konnte ich ihr Verhalten fast als süß bezeichnen, doch ich merkte, wie sie verwirrt war.
Als sie, eindeutig widerwillig, zurück wich, folgte ich ihr.
Hey, alles gut sprach ich sanft, hoffte sie beruhigen zu können.
Dann traute ich mich.
Ich ging weiter zu ihr und leckte ihr liebevoll über die Wange um meine Worte zu unterstreichen. Das bin nur ich du kennst mich, keine Gefahr, vertrau mir wollte ich damit ausdrücken. Ließ meine Zunge Wörter zu ihrem Ohr fahren.
Ich hoffte es war erlaubt und sie würde nicht gleich zurück springen, aber ich sah es in Moment als eine beruhigende Geste, meine Bewegungen langsam, um Shiva Zeit zu reagieren zu geben.

Wie sich ein Kompass automatisch nach Norden richtete, folgte Raava mir mit der gleichen Alltäglichkeit - ohne Zögern, ohne Denken, ohne Gnade. Hilflos drehten sich meine Ohren zurück und mit jedem Atemzug traf mich ihr Geruch, dem ich doch so gerne entfliehen wollte. Mein Verstand arbeitete gegen mich, angesteckt von meinem Herzen und den Instinkten, die mich mit jeder Faser näher zu Raava ziehen wollten. Bei ihren Worte hätte ich beinahe aufgelacht. Es war doch wirklich die Ironie des Schicksals oder auch einfach Karma - im Gegensatz zum letzten Jahr schienen wir komplett die Rollen getauscht zu haben.
Als ihre Zunge leicht meine Wange berührte und ihr Atem über mein Fell strich war es um mich geschehen. Ich konnte mich ihr nicht weiter widersetzen, mich nicht entziehen und die letzten Mauern bröckelten sekundenschnell dahin. Kurz stand ich still und als ihre Schnauze beinahe liebevoll zu meinem Ohr hinauf wanderte, drängte ich mich ihr mit einem Wimmern entgegen. Mein Blut schien zu kochen und ich drückte meine Schnauze in ihr Fell, als wäre ich eine Ertrinkende und sie meine letzte Rettung. Es war zu viel - alles war zu viel. Die Empfindungen, meine Reaktionen und vor allem Raava. Sie trieb mich in den Wahnsinn. Sie war wie eine Sucht und ich war ihr unwiederbringlich verfallen.

Ich seufzte auf, als Shiva meinen Berührungen entgegen kam und sackte beinahe zusammen. Es war als hätte jemand unsichtbare Fäden zerbissen, die mich bis dahin aufrecht gehalten hatten. Erleichterung nahm mir alle Anspannung. Durchströmte mich und endlich konnte ich ruhte finden, so war mir.
Ich war nicht erneut abgewiesen, sondern willkommen geheißen.
Das Glücksgefühl machte meine Augen wässrig, weshalb ich und auch von Shivas Ohren abließ und meine Schnauze in ihrem Halsfell vergrub. Ihre Position spiegelte. Ihr Geruch gab mir halt, wenngleich er zunehmend meinen Verstand ausschaltet. Aber das war jetzt egal. Shiva war da. Ich erlaubte mir offen zu sein.
Wohlig seufzte ich erneut in ihr Fell, bis ich wieder anfing sie abzuschlecken. Es war wie ein Instinkt, beruhigend mit der Zunge über ihr Fell zu fahren, dass es ihr gut ging. Meine Welt momentan auf diese kupferrote Fähe reduziert

Die Fähe öffnete wieder ihre Augen und setzte zu einem erneuten Versuch an. Ich beobachtete diesen aufmerksam und wartete, bis sie wirklich fest stand. Ihre Augen schienen pausenlos irgendwas oder irgendjemanden zu suchen, doch ich schwieg erstmal. Ihr Knurren verstummte und machte einer etwas heiseren Stimme Platz, als sie mir ihren Namen nannte. Ich nickte und lächelte. Auf ihren Dank folgte das, worauf ich irgendwie schon gewartet hatte: sie rief nach jemanden. Ich warf Mond einen beunruhigten Blick zu und sah dann fragend zu Aletheia. "Wen suchst du?"

Ich war sichtlich ratlos, was man meinem Gesichtsausdruck auch deutlich ansah. Auch ich ließ einen Moment meinen Blick schweifen, wobei meine Augen kurz an der kleinen roten Fähe im Höhleneingang (Shiva) hängen blieb, doch schließlich schüttelte ich den Kopf. "Es tut mir Leid, ich habe keine Fähe gesehen, auf die die Beschreibung zutrifft. Im Schnee warst nur du allein, niemand sonst", antwortete ich bedauernd und legte dabei leicht die Ohren zurück. Ich dachte an meinen Bruder Charlie, der mit seinem Rudel in weiter Ferne lebte. Wie es ihm wohl ging? Und Delta erst.