⇷ Ebene – Freie Gebiete

Donnerndes Grollen gelang bereits in der Ferne in den Kreis meiner Aufmerksamkeit. Ein Grollen, das einem, je näher man sich heranwagt, bald gellend in den Ohren trommelt.
Ich kannte es – ich war bereits hier gewesen. Doch das letzte Mal war mir matter, glanzloser und vor allem dunstiger im Gedächtnis hängen geblieben, als das, was mir gerade entgegenkam. Keine Trübung, keine Nebelwand, die mir das an der nächsten Ecke Lauernde entzogen hält. Denn diesmal gaben sich die Felsen sowie Fälle glasklar und markant preis. Die einzige Nuance eines Schleiers waren die sanft umhüllenden Dunstwolken der Wasserfälle selbst.
So erhaschte ich auch recht früh die Präsenz eines anderen Wolfes [@Huttser], der mit seiner stämmigen, hellen Wirkung etwas abseits der ohrenbetäubenden Abstürze weilte.
Gab es denn irgendeinen Ort, an dem man die namenlosen Pfade der Einsamkeit genießen konnte?
Schnaubend wollte ich bereits kehrtmachend, bis mir Paminas Antlitz wie eine kleine widerratende Erinnerung zurück ins Gedächtnis blitzte.
Ich seufzte. Irgendwo musste ich schließlich entlang.
Aufmerksam ruhte mein Blick also auf dem Fremden, als ich mich dem Rand des Gebiets und somit auch dem Wolf näherte, in der Hoffnung, meinen Weg in diese Richtung weiterführen zu können.
Ich hatte den Eindruck, dass der Unbekannte, der mir sogleich als silbrig-schwarzer Rüde verdeutlicht wurde, auf irgendetwas zu warten schien. Und irgendwie konnte ich mir die nächsten Worte nicht verkneifen.
„Da wurde wohl jemand sitzen gelassen, was?“, murmelte ich im Vorbeigehen mit einem kurzen, blitzenden Blick und grinste als würde es mich mit unbegründeter Schadenfreude amüsieren.
Es hätte ebenso gut sein können, dass er bloß die Ruhe genoss, die auch ich mir gerne vergönnt hätte. Doch für meinen Geschmack schien der Helle ein Stück zu gespannt wartend dreinzuschauen.
Ich wollte mich nicht lange aufhalten und war bereits dabei, den Fremden zu vergessen, als hätte ich nie auch nur ein Wort an ihn gewandt. Doch das, was mir im nächsten Moment die Nase bedeutete, hielt mich von meiner weiteren Strecke rasch ab.
Unbewusst zuckte ich zurück, als ich am Rand des Waldes vor mir mit wachen Sinnen zu schnuppern begann und mir eine unbekannte, aber doch für sich sprechende Nuance von Fährten den Weg abschnürte.
Rudel, dachte ich in allem Missmut und blickte Nase rümpfend in den hellen Birkenwald hinein.

Unbewusst hatte ich die Ohren leicht angelegt, als mein Blick von dem Licht des Birkenwaldes eingefangen und meine Nase von dem territorialen Geruch eingesäumt wurde.
Meine Nähe hatte schon lange kein Revier geschweige denn ein Rudel gesichtet. Und damit war ich auch gut zufrieden gewesen.
Vermutlich hätte ich in der nächsten Sekunde den Versuch gewagt, mir trotz alledem einen Weg durchs Terrain zu bahnen – wenn mir der Blick des fremden Wolfes nicht direkt in die Haut brennen würde. Wer weiß schon, wer er war. Er hielt sich gewiss nicht ohne Grund auffällig geruhsam an einer Rudelgrenze auf.
Ich schnaubte bei seinen Worten, die von einer theatralischen Spur begleitet wurden, und vermutlich konnte ich mir den leicht belustigten Hauch in diesem knappen Schnauben nicht verkneifen.
Ich entriss mich von dem Anblick des territorialen Waldes und wandte mich stattdessen der silbrigen Präsenz zu.
Eindringlich musterte ich den Fremden in seiner ruhigen Erscheinung. Er gehörte nicht diesem Rudel an, definitiv nicht. Von ihm ging ein anderer unvertrauter Geruch hervor.
„Und was macht der Versetzte hier am Rande eines fremden Reviers?“ Ich hob die Augenbrauen und trat im gedämpften Schritt zu der felsigen Erhöhung herüber, auf dem der Helle thronte. „Wartet er etwa auf seine verbotene Liebschaft?“ Der Bernstein in meinen Augen funkelte neckisch.

Der Sarkasmus in seinem Tonfall entlockte mir ein Brummen. Sowohl von Missmut als auch leichter Belustigung durchzogen.
Ebenso wie ich ihm schnippisch begegnete, schien auch er mir erwidern zu wollen. Und ich konnte nicht einschätzen, ob er auf die Art meine Sticheleien bloß spöttisch abwehren oder sich indirekt auch über meinen Hohn lustig machen, ihn ins Lächerliche ziehen wollte. Vielleicht war es auch die Tatsache, dass er unter meiner Spöttelei nicht so leicht einknickte, die mir undeutliches Missfallen bereitete.
„Oh wirklich?“ Ich ließ das kleine scharfzüngige Wechselspiel weiter in Bewegung, während der Zynismus in meinen Worten klirrte. „Wow, kaum zu glauben, dass sich ein Alpha doch tatsächlich mit einem Weißbarsch abgibt.“
Die Sache um den Begriff "Silberwölfe" herum schwang noch in meinen Gedanken. Das Rudel, das wohl derart herb auf seine Grenze bestand und sein Territorium ausgerechnet auf meinem Weg liegend hatte ausweiten müssen, trug also einen Namen. Einen recht hochmütigen, wenn man hinzufügen darf. Wer sich selbst den Wert eines glänzenden Erzes zuschreibt, ist sicher nicht bescheiden.
Kaum sichtbar legte ich den Kopf schief und besah das Fell des Fremden in einem anderen Licht. Denn auch er würde mit seiner silbrigen Erscheinung wirklich passend den Titel eines Silberwolfs tragen können. Wenn sein Geruch nicht für etwas anderes sprechen würde.
Vielleicht war sein Fell nicht schimmernd genug für dieses stolze Rudel, ließ ich mich in Gedanken schmunzeln.

Okay wow, so machte das nun wirklich keinen Spaß. Dass unser Weißbarsch hier meinem Hohn ungerührt beipflichtete und sich gleich darauf noch selbst ins Visier des Spotts beförderte, überschritt selbst die langweiligste Grenze. Zumindest ein wenig gereizt hätte er reagieren können, dachte ich schon beinahe knurrig. Doch auf diese Art war der Rüde wohl nicht gestrickt. Es schien, als hätte sein Stolz es nicht nötig, sich von den spuckenden Worten einer fremden Streunerin beeindrucken zu lassen.
Voller Unmut schnaubte ich und war bereits dabei, den Spaßverderber wieder seinem sehnlichen Warten zu überlassen. Denn hätte ich gegen die Wand reden wollen, hätte ich mir ebenso gut einen Stein zu Gespräch holen können.
„Vielleicht auch besser so“, entgegnete ich ihm also mit nun eher ernüchtertem Gespött und trat bereits von dem gut gebauten Wolf ab; zurück zum tosend rauschenden Gedröhne der Natur – als sogleich ein tiefes Heulen die Luft zwischen den Dunstwolken erfüllte.
Ich drehte mich zurück zu dem Fremden, noch immer auf seinem Felsen thronend, den Kopf nun jedoch weit im Nacken.
Was soll das denn? Verblüfft legte ich den Kopf schief, mit verwirrt skeptischen Falten auf der Stirn.
Es schien, als würde der Fremde ausdrücklich auf sich aufmerksam machen – jemanden herrufen wollen. Und ich hätte beinahe meine linke Hinterpfote darauf verwettet, dass es der erwähnte heiß geliebte und ach so lang ersehnte Alphawolf war, der vom Geheul gewünscht wurde. Ich schnaubte amüsiert – lauter als gedacht, dass darin fast schon der Ansatz eines Lachens aufkeimte.
Aber auch, wenn ich mich darüber lustig machte, war ich doch ein Stück zu neugierig, um jetzt wegzugehen. Irgendwie wollte ich durchaus wissen, wer sich in Wahrheit mit diesem Weißbarsch hier abgab. Oder ob sich vielleicht doch niemand mehr die Mühe um ihn machte und ihn weiterhin sitzen ließ. Dann wäre das enttäuschte Gesicht des Rüdens wohl das Einzige, was ich sehen würde. Aber ein enttäuschtes Gesicht war es dennoch nicht weniger wert, noch ein Weilchen hierzubleiben.