Was für ein Chaos.
Fenris zog gereizt von dannen, Barbossa wirkte resigniert und der zweite Zwilling ehrlich betroffen. Er entschuldigte sich sogar für seinen Bruder, bevor er ihm eilig in den Wald folgte und uns zurückließ.

Es stellte mich vor eine neue Herausforderung - Wie zum Henker reagierte man darauf? Wenn mir ein Wolf mit einer derartigen und offensichtlichen Abneigung gegenüber stand, folgte ich ihm normalerweise nicht. Niemals.
Doch irgendwie war ich immer noch eingeladen und Barbossa redete noch immer von "Wir". Er konnte jedoch auch nur noch sich und seinen kleinen Hasenfreund meinen. Diese Situation - Nein. Diese Familie. - bereitete mir mehr Probleme, als ich eingestehen wollte. "Ich...", begann ich daher noch etwas unsicher, schob den stechenden Schmerz in meinem Kopf in den Hintergrund und nickte schließlich, "Folgen wir ihm."
Ich wollte... Ich wollte dass das hier funktionierte. Ich wollte Barbossa als meinen Freund wissen. Diese Realisation tat irgendwie weh.

Und dahin waren beide meine Söhne. Wenigstens war Fenris so nicht alleine, ich hoffte nur, sie würden wirklich zurück in unser Revier kehren. Gehört hatte Nero mich wohl nicht mehr, aber gut, er wollte eben zu seinem Zwilling. Nero folgt ihm schon, so ist er nicht alleine, vielleicht muss er sich erst etwas abreagieren. Ich schüttelte kurz den Kopf und dann meinen ganzen Körper, ehe ich Mercer etwas müde, aber doch herzlich anlächelte. Aber wir können in Richtung Revier gehen. Ich setzte mich in Bewegung und sah dann fragend zu Mercer zurück, ob er mitkam.

Er wirkte müde. Sein Lächeln war jedoch noch immer herzlich.
Daher zögerte ich nicht mehr weiter, sondern folgte dem ungleichen Paar. "Wie ist eurer Revier so?", fragte ich und schloss langsam, aber beständig zu dem älteren Rüden auf. Ich war regelrecht erleichtert, dass wir nicht seinem Sohn folgen würden - Ich hatte langsam schlichtweg keine Ahnung mehr, wie ich mich Fenris gegenüber überhaupt verhalten sollte. Vielleicht sollte ich Barbossa bei Zeiten fragen, wenn es sich irgendwie anbot?

Sehr kühl, es gibt Orte an denen ist immer Nebel, jedenfalls fast immer, letztes Jahr gab es eine solche Dürre, dass er tatsächlich einmal weg war. Bedächtigen Schrittes ging ich voran, langsam hinunter Richtung Lachsfluss. Die Dürre im Sommer war wirklich heftig gewesen, einzig der Lachsfluss hatte noch Wasser geführt.

"Daher euer Name, oder?", fragte ich nach seiner knappen Erzählung und folgte Barbossa weiterhin. "Der Lachsfluss war zu dieser Zeit sehr klein", erinnerte ich mich und warf einen kurzen Blick zurück zu den Felsenfällen, die wir langsam zurückließen. Inzwischen rauschte das Wasser wieder tosend in die Tiefe. "Auch der Wasserfall war kaum mehr existent"
"Hat die Dürre euch damals schlimm getroffen?" Es war ehrliches Interesse. In einem nebligen und eher kühlen Gebiet würde das Wasser nicht einfach komplett verschwinden können - So sagte es mir zumindest meine Logik. Ich kannte die anderen Rudelgebiete nicht, doch hatten sie mit ihrem - von Natur aus feuchteren Gebiet - bestimmt einen kleinen Vorteil gehabt.

Genau. Die Namen der Rudel sprachen meistens recht deutlich davon wie sie lebten oder wie ihr Revier aussah. Die Bergwölfe in den Bergen, die Schattenwölfe in den dunklen Gebieten, die Silberwölfe, nun, da konnte man auch erahnen, dass der Name von ihrem wohl sehr hellem Gebiet stammte und die Zigeunerwölfe... woher deren Name kam hatte ich allerdings nicht die geringste Ahnung. Ja, es war ziemlich hart, sowas hab ich auch noch nicht erlebt. Bevor ich hergekommen war hatte ich auch in einem fast immer sehr kalten Gebiet gelebt. Ich glaube wir sind noch recht gut davon gekommen, allerdings war das Moor so trocken fast noch gefährlicher als vorher.

"In eurem Gebiet gibt es ein Moor?" Ich war den Feuchtgebieten immer respektvoll ausgewichen, wenn ich ihnen auf meinen Reisen begegnete. Lieber war ich tagelang am Rand entlang gelaufen und hatte nach einem trockenen und vor allem sicheren Weg hindurch gesucht. "Ist es nicht so schon sehr gefährlich?", fragte ich und zuckte nachdenklich mit meinen Ohren, "Treibt sich dort überhaupt Beute herum?"
Langsam nahm das starke Stechen in meinem Kopf ab. Das normale Gespräch mit Barbossa war regelrecht angenehm - Immerhin war ich hier wieder auf sicherem Terrain. Meine Logik griff wieder und ich konnte mich auf meine Erfahrung verlassen.

Ja, ein sehr großes sogar. es ist gefährlich, aber nur, wenn man sich dort nicht auskennt, wir Nebelwölfe kennen die Wege, die man nehmen kann und auch die Beute die es dort gibt, allerdings ist es nicht das bevorzugte Beutegebiet, wir haben ja noch andere Bereiche. ich war stolz auf das Rudel, das ich damals ja eigentlich nur gewählt hatte, damit Kobalt das jagen beigebracht werden konnte, doch auch ich hatte mich eingelebt und würde nun alles für mein Rudel geben.

Wieder lauschte ich Barbossa aufmerksam.
Wie es schien hatten sich die Nebelwölfe ihrem Gebiet angepasst. Sie kannten sich in ihren Gebieten aus und waren durch die gefährlichen Bereiche auch noch besser geschützt - Eine natürliche Hürde, die Eindringlinge verlangsamen oder sogar aufhalten konnte. "Darf ich fragen, wie lange du gebraucht hast? Um dich dort zurechtzufinden, meine ich." Mit einem flüchtigen Blick auf das braune Kaninchen fragte ich: "Und wie kommt Marco mit dem Moor zurecht?"

Eine ganze Weile, anfangs habe ich es auch nicht versucht. wenn ich ehrlich bin habe ich mich dem Rudel nur meiner Tochter wegen angeschlossen. Marco hoppelte neben mir her und drehte fröhlich seine Ohren zu Mercer, als er seinen Namen hörte. Ich komme toll damit klar, ich weiß auch wohin ich treten kann! Marco ist immer bei mir, er kennt die Wege so gut wie ich.

"Wegen deiner Tochter?", fragte ich nach und zuckte leicht mit meinem Ohr.
Ich war bisher nur in einem einzigen Rudel gewesen - Dem meiner Eltern. Danach hatte mir schlichtweg die Erfahrung gefehlt, wie man einem fremden Zusammenhalt begegnen sollte und nach einigen schmerzlichen Begegnungen war ich markierten Territorien immer aus dem Weg gegangen. "Warum ist es gerade das Nebelrudel geworden?" Irgendwie brach ich gerade mit meinen Prinzipien - Ich folgte Barbossa in eben so ein Gebiet, welches ich seit jeder mied.
Mit einiger Mühe zwang ich meine Gedanken wieder zurück zu dem Wolf neben mir. Ich musste aufmerksam sein. - Ich durfte mir keinen weiteren Fehltritt erlauben!

Ja, sie heißt Kobalt, sie hat allerdings eine andere Mutter als die Zwillinge. Ich war durchaus stolz auf mich, dass ich drei Welpen großgezogen hatte, hauptsächlich alleine, ich hatte Fria und Breeze gleichermaßen geliebt, doch ihre Liebe war wohl nicht so stark gewesen wie meine. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht mehr, ich denke es schien mir das ruhigste und ansprechbarste zu sein. es ist jetzt schon ziemlich lange her.

Damit... war nur ein kleiner Teil meiner Frage beantwortet - Wobei diese Information zwar durchaus interessant war, aber in diesem Fall eher nebensächlich. "Wie alt war sie, als ihr euch dem Rudel angeschlossen habt?", fragte ich daher und stellte meine eigentliche Frage schließlich spezifischer, "Und warum hast du dich wegen Kobalt dem Rudel angeschlossen?"
Ich betrachtete den dunkleren Rüden nachdenklich. Barbossa war etwa zwei Jahre älter als ich und hatte in seinem Leben unglaublich viel erreicht. Er hatte eine eigene Familie - Eine Tochter und zwei Söhne - und war ein respektiertes Mitglied in seinem Rudel.

Es war so viel mehr, als ich in meinem eigenen Leben erreicht hatte. Ich war stets allein geblieben, außer einmal als ich noch deutlich jünger gewesen war. Wie so oft hatte ich es bereut. Doch jetzt, wo ich Barbossa beobachtete und ihn näher kennenlernte, wusste ich nicht mehr, ob ich nicht mehr darum hätte kämpfen müssen. Bestimmt hätte ich mich einem Rudel anschließen können, wenn ich mich etwas mehr angestrengt hätte. Wenn ich mehr Erfahrungen im Umgang mit meinen Artgenossen gesammelt hätte. Doch letztlich mochte ich die Gesellschaft anderer Wölfe nicht so gerne, obwohl es ich immer wieder zu ihnen zog.
"Bereust du deine Entscheidung?", fragte ich, noch immer leicht nachdenklich. Durch meine kleine Träumerei kehrten meine Kopfschmerzen wieder zurück - wenn auch nicht in einem starken Ausmaß.

7 Monate, ich wollte, dass sie das Jagen lernt, aber ihre Mutter war nicht mehr da, ich konnte es ihr nicht beibringen, da war das Rudel die beste Lösung. Nach dem Tod meines Bruders war es schwer für mich gewesen mein Herz wieder an jemanden zu geben, doch dann war Marco gekommen und war geblieben, Fria und mit ihr Kobalt, unsere Tochter war mir geblieben, die ich so gut wie möglich aufgezogen und vor Schaden bewahrt hatte. Meine nächste Antwort kam allerdings ohne jedes Zögern, denn darüber musste ich nicht erst nachdenken. Nein, niemals, es war das richtige für Kobalt und auch für Marco, das Rudel beschützt ihn. Ich würde ihn zwar nicht mit jedem Rudelmitglief alleine lassen, außer mit Morgana vielleicht eigentlich mit keinem, doch ich wusste, wenn etwas passierte war mein kleiner Hasenfreund nicht ganz hilflos.

Abwägend lagen meine honigfarbenen Iriden auf Barbossa. "Warum konntest du es ihr nicht beibringen?", hakte ich vorsichtig nach und blickte dabei kurzzeitig zu dem braunen Kaninchen hinüber - Ob es an Marco lag? Konnte er dank ihrer tiefen Freundschaft keine anderen Tiere mehr erlegen? Oder gab es hierfür einen anderen Grund, der mir nicht ersichtlich war?
Während ich auf eine Antwort des Rüden wartete, schwieg ich. Irgendwie stellte ich die ganze Zeit die Fragen in unserem Gespräch und langsam sorgte ich mich, dass sich Barbossa wie bei einem Verhör fühlte. Daher verkniff ich mir erstmal jede weitere Frage und wartete einfach nur geduldig ab.