Überrascht blickte ich den dunkelgrauen Wolf an. Uns von hier wegschaffen? Wieso sollte er das wollen. Wir wollten doch nichts Schlechtes und unterhielten uns nur.
Aber als er weitersprach, atmete ich erleichtert auf. Puh, ich dachte schon du willst wirklich, dass wir verschwinden. Ich lächelte erleichtert. Ich finde es hier nämlich viel zu schön, um wegzugehen. Einen Moment lang wandte ich Edme freundlich den Kopf zu.
Übrigens, ich bin Posy. Und das hier ist meine beste Freundin Edme. Gehörst du etwa auch zu einem Rudel?

War es unverschämt, eine fremde Höhle zu betreten, dessen Eingang in einem festen Revier lag? Absolut. War es unverschämt, diese Höhle auch einnehmen und die dort friedlich hockenden Wölfe vertreiben zu wollen? Doppeltes Absolut. Und scherte ich mich darum? Das war wohl kaum noch einer Frage wert. Es musste schließlich niemand wissen.
Immerhin schenkte mir zumindest eine der Fremden vertrauenden Glauben, meine Worte seien tatsächlich bloß eine kleine Alberei gewesen. Und ich musste mich ehrlich zwingen, deswegen nicht augenblicklich loszugrinsen. Nicht, dass ich mich in irgendeiner Weise darüber beschwert hätte – dass sie mir das abnahm, war mir nur recht. Im Gegensatz zu dem darauffolgenden Satz der hellen Wölfin.
Ich hätte ehrlich den Mond dafür verfluchen können. Zu schön, um wegzugehen – diese unschuldige Naivität anderer kam mir doch tatsächlich noch zum Verhängnis. Ich seufzte innerlich, ehe ich Posys entgegenkommender Vorstellung sowie Erkundigung folgte.
Mit einem Mal lachte ich auf – entweder aufgrund ihrer Frage oder auch wegen des vorhin krampfhaft zurückgehaltenen Lachens, das nun doch unaufhaltsam ausbrach.
„Seh' ich etwa so aus?“, belächelnd nahm ich Posys Blick auf. „Ich kann für dich sein, wer auch immer du willst. Aber definitiv kein Rudelwolf.“
Die letzten paar Wortfetzen, welche ich kürzlich von den Dreien aufgenommen hatte, waren eher teilnahmslos an meine Ohren gestoßen. Solange keiner von denen dem angrenzendem Rudel angehörte, war mir alles recht. Ich wollte mir gerade ungerne ausmalen, wie die unweite Wolfsschar auf Duftfährten von drei Streunern und einem fernstehenden Rudelwolf reagierte. Glücklicherweise war ich in der Höhle sicher. Glaube ich zumindest.

Ich war mir nicht sicher, aber zwischendurch meinte ich, Unmut im Gesicht des fremden sehen zu können, doch die Expression verschwand direkt wieder. Ich schluckte schwer und kroch wieder etwas hinter Posy hervor. Wenn sie nur gewusst hätte, wie wohlig es sich für mich anfühlte, als sie mich beste Freundin nannte. Wenn - Atmen.. Wenn du für u-uns sein kannst, wer- wer wir wollen... Dann - Dann sei doch unser F-Freund! Ich hatte nicht das Gefühl, dass der Wolf uns sonderlich mochte, was an seiner - scheinbar scherzhaften - Bemerkung gelegen haben könnte. D- Du musst kein Rudelw-wolf sein, um Freude z-zu haben. Ich lächelte, den traurigen Hintergedanken im Kopf, dass ich wusste wie es sich anfühlte, alleine zu sein.

Das stimmt, lächelte ich Edme bestätigend zu und blickte zufrieden zu dem dunkelgrauen Wolf (@Jabez). Meinetwegen hättest du auch ein Maulwurf oder Vogel sein können. Aber "Freund" hört sich noch besser an.

Verdutzt fing mein Blick die grau-braune Fähe ein. Ihre Worte wollten nur mühsam bei mir ankommen.
Freund? Ich schüttelte heftig meinen Kopf, um sicherzugehen, dass ich richtig gehört hatte. Aber meine Ohren täuschten sich nicht.
Freundschaft. Oh nein, damit waren weit mehr Grenzen überschritten als nötig. Die Sache vorhin habe ich doch nur so gesagt! Nichts, was ich wortwörtlich meinen würde. Bis auf meine Ansicht natürlich, dass man mich tatsächlich niemals zu einem Rudelwolf machen könne. Denn davon war ganz und gar verbissen überzeugt. Aber, dass ich alles sein konnte, was sie wollten, war selbstverständlich bloß wirr dahingesagt gewesen.
Als kurz darauf auch noch Posy glücklich zustimmte, musste ich mich erst einmal fassen. Einen Moment mal! Ich hatte hier doch wohl auch noch etwas zu sagen.
„Die letzten Jahre bin ich gut ohne Freunde ausgekommen. Ich denke, die nächsten schaffe ich auch“, ließ ich mich endlich zu Wort kommen, vermutlich mit einer Spur Hektik darin. Ich wollte im Jetzt, genauso wie in ferner Zukunft, gewiss keine Freundschaften schließen. Und in meinen Augen war meine Begründung auch absolut ausreichend. Wer brauchte schon irgendwelche Freunde, wenn man sich selbst hatte? Weniger Verantwortung, weniger Unstimmigkeiten, weniger Drama. Meinen Alltag hatte ich gut an der Seite der Einsamkeit gemeistert – um Mengen besser, als wenn ich es mit irgendwelchen Mitläufern getan hätte.
„Außerdem kennt ihr nicht einmal meinen Namen.“ In meinem Ton schwebte noch immer die fiebrige Brise mit, die hastig nach weiteren Argumenten suchte.

Ich verdrehte belustigt die Augen. Sei doch nicht so. Jeder braucht Freunde! Ich trabte zu dem dunkelgrauen Wolf und stellte ich neben ihn, ehe ich ihm freundschaftlich mit der Schulter anstupste.
Nagut. Und wie dürfen wir den einsamen Freund also nennen?

Perplex sah ich zu, wie Posy an meine Seite trat und mir einen kumpelhaften Rempler verpasste. Ich blickte sie von der Seite aus an und brachte aus Prinzip ein wenig mehr Abstand zwischen uns. Vor allem als sie mich mit meinem Tabuwort 'Freund' ansprach, versuchte auch mein Körper verstehen zu geben, dass ich auf dieses Freundschaftsangebot nicht eingehen und lieber Distanz walten lassen würde.
„Warte, das ist eine Falle“, meldete sich sogleich mein Argwohn bei ihrer Frage und ich versuchte Posys Blick aufzufangen. Sie wollte meinen Namen doch jetzt bestimmt nur wissen, um zumindest diese Barriere zur Freundschaft zu überwinden. Damit sie es als Grund sehen kann, mich bereits als ein Stück mehr Kumpel betrachten zu können.
„Versprich mir, dass du uns nicht 'Freunde' nennst, sobald ihr meinen Namen wisst.“ Mein Blick ging von Posy ebenso zu Edme herüber. Das Letzte, was ich wollte, war eine Truppe sozial-motivierter Wölfe, die überall ausposaunte, welch tolle Freunde wir doch seien – obwohl es nicht einmal stimmte! Und genauso wenig wollte ich, dass sie sich an mich klebten. Freunde verbrachten schließlich Zeit miteinander, waren für einen da und schwafelten über jeden Irrsinn. Das sollte mir möglichst erspart bleiben.

Versprechen kann ich nichts. Unschuldig blickte ich zur Höhlendecke und zuckte mit den Schultern. Man kennt es ja: "Wo die Freundschaft eben hinfällt".
Ich blickte wieder zu dem Wolf und lächelte frech. Nagut versprochen. Zumindest fürs erste.

Posy lief einfach zu dem Fremden hinüber, nachdem sie mir zugestimmt hatte und stieß ihn leicht an. Wie mutig!, bewunderte ich sie still. Da mir jetzt aber ihr Schutz fehlte legte ich mich flach auf den Boden und robbte zu ihnen hinüber, bis ich etwa einen halben Wolf von den Pfoten des Rüden entfernt lag. Ich blickte auf zu seinen Augen auf. Niemand kommt wirklich ohne Freunde aus, zischte ich. D-Du denkst das vielleicht, a-aber es funktioniert einfach n-nicht. Sonst wird man v-verrückt. Einsamkeit tut weh... Ich wandte meinen Blick ab, damit er meine Verletztheit nicht sehen konnte. Man s-sollte glücklich darüber sein, F-Freunde und Familie zu haben, du Grobian...

Mein Argwohn schwand nicht. Eher trugen Posys Worte dazu bei, dass sich meine Schnauze erst recht verschließen wollte und viel lieber nie wieder gesprochen hätte, als ihr nun meinen Namen zu verraten. Ihrem frechen Lächeln gegenüber begegnete ich bloß mit einem ungläubigen Blick.
Nicht einmal ihr vermeintlich ehrlicher Meinungsumschwung konnte diese Unruhe in mir entknoten. Ich hielt mich mit meinem Namen noch immer zurück, unüberzeugt von Posys Versprechen. Wenn ich nicht darauf einging oder ein aus dem Nichts gegriffenes Thema anschnitt, hätte ich mich vielleicht aus der Situation herauswinden können.
Doch war damit garantiert, dass mich diese übermotivierte, beige Wölfin auch in Ruhe ließ? Eher schien sie mir, als würde sie sich erst recht den Nerven anderer aufdrängen, sobald sie nicht die Antwort bekam, die sie zufriedenstellte. Und das so lange, bis sie ihren Willen durchsetzen konnte.
Mein Inneres haderte mit sich selbst. Entweder würde mich Posy nerven oder... sie würde mich noch mehr nerven. Ich hatte die Wahl – doch danach fühlte es sich ganz und gar nicht an.
In was habe ich mich hier bloß verstrickt? In irgendwelche Beziehungen, die ich überhaupt nicht im Auge hatte! Dabei wollte ich die Wölfe doch nur aus dieser bequemen Höhle vertreiben.
Als Edme herbeirobbte, war ich sichtbar überrascht. Ich hätte niemals gedacht, dass sie mich beschimpfen würde. Und auch wenn meine Sturheit sich nicht wirklich von ihren Worten überzeugen lassen wollte, ahnte ich, dass die zwei mir einfach nicht meinen Frieden bewahren würden.
Mir entfuhr ein hörbar unzufriedenes Seufzen.
„Ich heiße Jabez“, murmelte ich schließlich knapp, verkniff es mir diesmal jedoch, zusätzlich meinen Spitznamen zu nennen. Vorsichtshalber hielt ich die Umstände auf einer möglichst distanzierten Ebene. Denn Freunde waren wir meiner Ansicht nach nicht. Da konnte mir Edme oder sonst wer gerne mehr Erkenntnis und Weisheit einreden. Es würde ungerührt an meinen Ohren abprallen. In solchen Fällen ließ sich meine einsame Verbissenheit ungerne etwas sagen.

Genauso wie der Wolf neben mir überrascht war, als Edme sprach, war ich es auch. Da war sowohl der Stolz, dass sie sich traute, so zu sprechen und ihn "Grobian" zu nennen, als auch Bedrückung, weil sie leider wusste, wie sich so eine Einsamkeit anfühlte. Ich nickte ihren Worten bekräftigend zu. Sie hatte absolut recht.
Ich wusste nicht, ob der Dunkelgraue sich ihre Worte auch zu Herzen genommen hatte, aber wenigstens nannte er seinen Namen.
Na geht doch. Der erste Schritt zur Freundschaft, dachte ich zufrieden, verzichtete aber darauf es auch laut zu sagen. Jabez würde schon noch sehen, dass Freundschaft das beste der Welt ist. Genauso wie Zusammenhalt.
Ich blickte zu Edme und lächelte ermunternd.
Er ist aber auch wirklich ein Grobian, flüsterte ich belustigt zu Edme, wusste aber, dass Jabez es würde hören können, weshalb ich ihm auch gleich vergnügt zuzwinkerte. Ich wollte die Stimmung ein wenig aufheitern.

Ebenso zufrieden wie Posy schüttelte ich den Kopf. N-Na also! War d-das wirklich so schwer? Sebst- Selbst ich bekomme d-das flüssiger h-hin!, gluckste ich und lächelte anschließend schüchtern. W-Wir wollen ja nichts b-böses. Versp-sprochen, Jabez. Ich sah Posy munter an. N-Nicht wahr?

Die Unterhaltung verlief so schnell, dass ich den Faden verlor. Die vielen ungesagten Dinge die anscheinend jeder entziffern konnte außer ich, machten mich nervös. Gestresst sträubte ich mein silbriges Nackenfell und blickte stumm zwischen den dreien hin und her. Das Gespräch ging über Freundschaft und ich hatte gelernt, dass dies etwas gutes war aber nach den Aussagen von dem Fremden dessen Namen ich immerhin nun auch wusste, war es etwas schlechtes. Meine gelernten Skripte funktionierten hier nicht und im improvisieren war ich nicht gut. Als Posy plötzlich näher kam und sich unerklärlicher Weise einfach neben Jabez setzte, zuckte ich zusammen. Auch wenn es fast so wirkte als haben mich die drei vergessen und mir das normalerweise lieber war, konnte ich nichts gegen den Umpuls zurückzuweichen tun. Sie stand nun zwischen dem dunkelgrauen Wolf und mir, zu nah an mir. Mit einem Satz war ich ein Stück entfernt gelandet und schüttelte mit einem kräftigen Ausatmen mein Fell durch. So ein Ausbruch an Emotionen war selten bei mir, es kam nicht oft vor, dass man mir mein Inneres auch außen ansah.

Ich glaubte eine gewisse Zufriedenheit in Posys Stimme herauszuhören und selbst wenn ich es nicht getan hätte, konnte ich mir denken, dass diese da war. Und genau das machte die Lage bloß widriger für mich. Denn nun hatte ich tatsächlich irgendwelche Wölfe am Hals, die begnügt glaubten, einen neuen Freund gewonnen zu haben.
Ich konnte regelrecht spüren, wie mein Diebesherz mich über alle Sterne auslachte. Wie konnte eine Situation bloß eine solch massive Wendung nehmen?
Mein Ohr zuckte bei Posys frechem Flüstern. Dass die beiden mich nun als Grobian bezeichneten, fehlte mir gerade noch.
„Das nehme ich jetzt persönlich“, murrte ich ernster als ich es in Wirklichkeit meinte.
Zwei Wölfinnen wie diesen hier war ich noch nie begegnet. Derart entgegenkommend, beharrlich und gleichzeitig zutiefst nervtötend. Und doch musste ich zugeben, dass die beiden merklich ein Herz und eine Seele waren. Sie harmonierten gut zusammen, ergänzten sich wie Schwestern. Als wären sie einander nie fern gewesen. Nicht, dass ich dadurch Sympathie für Freundschaften ergatterte. Ich hing noch immer hartnäckig an meiner Meinung, dass ich solche Bindungen nicht brauchte und ohne sie mindestens ebenso gut dran war.

Ich konnte mir ein amüsiertes Schmunzeln durchaus nicht verkneifen, als Edme vergnügt gluckste. Angsthasen hatten also nicht nur gewissen Rückgrat, sondern auch Humor.
Ich lauschte ihrem sowie Posys Versprechen und obwohl ich überraschend wenig an der Aufrichtigkeit ihrer Worte zweifelte, witterte ich, dass das keinesfalls gut enden konnte. Ich war einfach nicht der Typ für irgendwelche Relationen. So wie ich mich kannte, würde ich innerhalb kürzester Zeit entweder jemanden enttäuschen oder verraten. Aus Gründen, die ich im Moment noch nicht kannte, die aber zweifellos von Egoismus getrieben sein würden. Einfach, weil ich so war. Weil meine Sinne sich daran gewöhnt hatten.
Ich konnte noch nicht sagen, ob mir diese mögliche Enttäuschung für die beiden wirklich leidtat. Größtenteils würde eben mein Wesen Schuld daran tragen, andererseits waren es Posy & Edme selbst gewesen, die unbedingt eine Freundschaft mit mir aufbauen wollten. Gewissermaßen haben sie selbst den Gang zu einer vermutlich unehrlichen Freundschaft geöffnet. Mit Verrat und Enttäuschung.
Ich weiß, das hätten die beiden nicht verdient, doch konnte ich nicht versprechen, dass es nicht auf genau diese flaue Weise enden würde.
Allerdings glaubte ich, die zwei Wölfinnen würden vermutlich schnell über mich hinwegkommen, sollte ich tatsächlich diesen scheinbaren Glanz der Freundschaft für die zwei ruinieren. Denn mich als 'Freund' zu haben; damit gewinnt man im Grunde nicht das Geringste – und verliert dementsprechend auch nichts. Man würde mich schneller vergessen als einen am Morgen verblassten Traumschimmer.

Ich lachte kurz auf bei Jabez Bemerkung, dass er es persönlich nahm. Wir wissen beide, dass du es eigentlich als Kompliment siehst, meinte ich belustigt.
Ich kicherte als Edme meinte, dass sogar sie es problemloser hinbekommen hätte. Warum sich Jabez wegen Freundschaften so anstellte, war mir wirklich ein Rätsel. Ich wünschte ich könnte seine Gedanken lesen.
Genau, nickte ich am Ende von Edmes Satz zufrieden und gesellte mich nun an ihre Seite, um kurz freundschaftlich meine Schnauze in ihr Fell zu drücken. Versprochen, meinte ich zu Jabez, lächelte zwar, aber legte die Albernheiten beiseite. Ich meinte es wirklich ehrlich.
Mein Blick ging zu Cupo herüber, der seit seinem Ausweichen mehr Abstand zu uns hatte.
Ich muss zugeben, dass mir die Sache mit dem Nebelrudel nicht wirklich aus dem Kopf geht. Ich legte freundlich den Kopf schief. Meinst du, du kannst uns mehr darüber erzählen? Vielleicht etwas übers Territorium oder über die Alphas. Meine Augen leuchteten mit einem Mal.