Sie lachte und mir schien, als hätte ich noch nie ein schöneres Geräusch gehört. Mein Herz schlug wild in meiner Brust, während ich verwirrt überlegte, was das eigentlich war. Die heitere Stimmung war genauso schnell wieder vorbei, wie sie gekommen war und erstaunt blickten ihre hübschen Augen auf mich. "Mein Papa ist doch auch nett." Die Stimme in mir erinnerte mich daran, dass Billy sehr wohl anders sein konnte. "Ja, vielleicht." stimmte ich ihr daher zu. "Wie sind deine Eltern?" Vielleicht waren ihre Eltern auch so zu anderen außerhalb des Rudels?

"Dann scheinen unsere Familien ähnlich zu sein. Deine Eltern werden zu dir wahrscheinlich auch nicht distanziert sein, sondern voller Liebe. So sind meine Eltern zu mir." Ich würde wahrscheinlich bald nach Hause gehen müssen. Miro und Corvin waren inzwischen wahrscheinlich bereits am Rudelplatz und mein Verschwinden ist sicherlich schon aufgefallen. Wobei ich mich ja offiziell nie aus dem Revier entfernt hatte - zumindest konnte ich mich nicht erinnern, eine Grenze betreten zu haben. Bei dem Gedanken blickte ich Liora an. Wie war sie eigentlich hier her gekommen?
"Ich habe eine blöde Frage an dich. Bitte lach mich nicht aus. Aber ich kann mich nicht erinnern, unser Revier verlassen zu haben. Also entweder bist du unerlaubt in unserem Revier oder ich habe geschlafen." Vorsichtig erhob ich mich. "Ich möchte auf keinen Fall, dass du Ärger bekommst. Lass uns bitte nachsehen." meine Stimme klang bittend, während ich bereits zum Höhlenausgang lief und dabei draußen die Luft prüfte. "Ich weiß nicht, was mein Rudel mit den anderen Rudeln hat. Ich habe keine Probleme mit anderen Wölfen." meinte ich nur, während ich nach hinten blickte und ihr zulächelte.

"Auf diese Art und Weise würde ich meinem Papa auch nicht begegnen wollen." grinste ich Liora an und begann am Höhleneingang zu schnuppern. Wir befanden uns eindeutig noch in unserem Revier. Die Grenze war zwar schon ein Weilchen nicht mehr markiert worden, doch man konnte es trotzdem noch gut riechen. "Ich begleite dich bis zur Grenze, damit dir nichts passiert." Liora hatte bereits ziemlich erschrocken ausgesehen, dass sie einfach in unserem Revier war, da sollte sie nicht auch noch Angst haben, wenn jemand anderes vom Rudel auf sie traf. "Du bist momentan mein Gast!" Ob ich mit dieser Ausrede vor meinen Eltern standhalten würde wusste ich nicht, aber zumindest versuchte ich der Fähe ein gutes Gefühl zu geben. "Was auch immer zwischen unseren Vorfahren passiert ist - das Tal ist groß genug für uns alle. Wer mir nichts getan hat, ist auch nicht mein Feind." Lächelnd senkte ich den Kopf um der hübschen Fähe den Vortritt aus der Höhle zu lassen.

"Wahrscheinlich der Beste, der hier im Schattenrudel ist." stieg ich auf ihr Geplänkel ein, doch innerlich regte sich ein Gefühl in mir. Wahrscheinlich waren meine Worte gar nicht so verkehrt. Ob die anderen die Wölfin auch so gut empfangen hätten? Vermutlich hätten sie sie aus dem Revier gejagt, wenn nicht sogar schlimmeres. Gänsehaut überzog meinen Körper und ich schüttelte es ab. Nicht auszumalen, wenn dieses hübsche Wesen an jemand anderen geraten wäre. Ich trat nach ihr aus der Höhle und überprüfte die Luft, ehe ich am Höhleneingang markierte. "Sollte jemand nachfragen, dann behaupte ich, ich hätte die Grenzen markiert." erklärte ich Liora. "Dann prüft hier auch niemand nach und bemerkt auch nicht, dass du da warst." Ich konnte mir selbst nicht erklären, wieso es mir so wichtig war, ihre Spuren in unserem Revier zu verwischen. Alle paar Meter setzte ich eine Markierung, während wir gemeinsam zur Rudelgrenze gingen. "Hier ist die Rudelgrenze." murmelte ich, während ich in meinem Kopf verzweifelt nach einem Gesprächsthema suchte. Ich wollte mich noch nicht verabschieden und ich wollte sie auf jeden Fall wieder sehen. Aber wann und wo? Und ging es ihr genauso? "Hat richtig Spaß gemacht mit dir. Obwohl es sicherlich verboten ist, dass wir befreundet sind." meinte ich mit einem Zwinkern.

Ich war in einigem Umkreis um das Revier der Schattenwölfe unterwegs gewesen - doch nirgendwo war ein Schattenwolf zu sehen, sodass ich mich dazu entschloss doch wieder nach Hause zu gehen. Langsam tänzelte ich auf einem schmalen Pfad entlang, meine Laune war enorm angestiegen und ich fühlte mich wieder stark genug dem Tumult auf dem Rudelplatz entgegen zu treten und meiner Aufgabe als Mutter nachzukommen. Manchmal blieb ich stehen um an Blättern zu riechen, sammelte die Informationen welche sie an sich trugen auf. Hin und wieder genehmigte ich mir einen Grashalm, mittlerweile schmeckten sie aber nicht mehr so süß wie im Frühjahr. An einer Ecke entdeckte ich dann einen Geruch, den ich doch kannte. Hier hatte vor nicht langer Zeit ein Sohn von Billy und Arctica markiert. Sofort spitzte ich die Ohren. "Polaris?" Weit konnte er noch nicht gekommen sein. Ich würde den Bengel direkt mit nach Hause bringen.

"Werden wir uns wieder sehen?" Meine Augen blickten traurig auf die hübsche Fähe. Ich verstand gar nicht, wieso ich plötzlich so traurig war. Wir kannten uns ja nur eine kurze Zeit und trotzdem wollte ich sie auf jeden Fall wieder sehen. Als sie versprach niemandem von unserem Treffen zu erzählen, beugte ich mich mit einem Grinsen zu ihr rüber, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern. "Es bleibt unser Geheimnis." Ich wollte noch etwas sagen, als ein Geräusch meine Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Da hatte doch jemand meinen Namen gerufen. "Da kommt jemand, schnell - lauf!" flüsterte ich. Panisch blickte ich hinter mich, doch noch konnte ich niemanden erkennen.

Mir war, als hätte ich Schritte gehört - doch als ich zwischen dem Gebüsch auftauchte stand da nur Polaris. Bei seinem Anblick schüttelte ich den Kopf. "Hattest du nicht eine Aufgabe erhalten? Wieso bist du nicht zurück zum Rudelplatz?" Meine Stimme klang zickig, während meine Nase durch die Luft tanzte. Die Grenze roch frisch markiert, doch zwischen all den Gerüchen entdeckte ich noch einen. Einen Nebelwolf. Sofort schellte mein Kopf nach oben und ich legte die Ohren an, während sich mein Nackenfell aufstellte. "Hier waren Fremde in unserem Revier."