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Jabez
Beiträge: 42 | Zuletzt Online: 30.03.2024
avatar
Name
Jabez / Jay
Geburtsdatum
17. Dezember 2019
Registriert am:
19.11.2021
Beschreibung
· • ʙ ɪ ᴏ ɢ ʀ ᴀ ғ ɪ ᴇ • ·

ɴᴀᴍᴇ: Jabez [hebr. Trauer, Schmerz]
ᴛɪᴛᴇʟ: Streuner › sarcastic thief
ᴀʟᴛᴇʀ: 4 Jahre [17.12.'19]
ɢᴇsᴄʜʟᴇᴄʜᴛ: Männlich

· •   04 ᴋɢː 05 ɢː 07 • ·


· • ᴀ ᴜ s s ᴇ ʜ ᴇ ɴ • ·
Wenn man Jabez so betrachtet, könnte man sich tatsächlich mit Irritation die Frage stellen, wo denn der Timberwolf in ihm geblieben ist. Denn obwohl er zu einer der größten Wolfsarten gehört, zeugt er nun nicht wirklich von imposantem Maß. Tatsächlich erreicht seine Widerristhöhe gerade mal den UNTEREN DURCHSCHNITT seiner Unterart und wird von Artgenossen öfter mal überragt als Gegenteiliges. Als Folge seines mangelnden Maßes ist auch eine beeindruckende Statur weniger zu erwarten. Jays SCHLANKER KÖRPERBAU lässt bloß dürre Knochen und SEHNIGE BEINE sehen. Der Rumpf ist üblicherweise etwas länger, während sein Brustkorb höher, aber schmaler gebaut ist. Außerdem ist Jabez im Vergleich zu seinem Körper deutlich HOCHBEINIG und zeichnet sich durch nicht allzu breite Pfoten aus.
Es ist sichtbar erkennbar: Er ist ein kleines LEICHTGEWICHT, doch verleiht ihm genau dies einen gewissen Grad an Wendigkeit und Sprintfähigkeit. Vor allem fällt es ihm dadurch um einiges leichter, ein gesetztes Tempo schnellstmöglich aufzubauen und ebenso auf plötzliche Einflüsse rascher zu reagieren. Dafür muss der junge Rüde jedoch auf die Kunst der körperlichen Stärke verzichten. Denn zu dieser ist und wird er nie wirklich in der Lage sein. So sind nennenswerter Weise Hals und Kiefer weniger markant und vergleichsweise zu anderen recht schwach. Ansonsten lassen sich einige Muskeln bestimmt irgendwo noch erahnen, doch wirklich ausgeprägt sichtbar sind diese nicht. Jabez ist eben kein Teil dieser enormen Rüden, die mit ihrer Größe so toll angeben können.

Die Augen von Jabez sind stetig mit einem Hauch betrübten Glanzes überzogen, der so gut wie nie wirklich verschwindet. Auch seine Mutter sagte einst zu ihrem Gefährten, Jay habe die traurigsten Augen, die sie je gesehen hatte. Dafür sind sie jedoch nicht von freudloser Farblosigkeit geprägt, sondern mit einem blassen BERNSTEINBRAUN bemalt, wie ein kleiner Hoffnungsschimmer. Die Farbe der Nase sowie der Pfotenballen bewegt sich dabei zwischen einem mittleren Grau und pechschwarzem Ton, passend zu seinem Fell.

Jabez trägt einen ziemlich KURZEN PELZMANTEL, der sich durch eine besonders WILDE STRUKTUR kennzeichnet. So ist sein Fell nur bedingt weich und zart, beispielsweise an Hals, Brust und Rute, wo das Haar mit etwas mehr Länge auftritt. Doch viel mehr ist sein Pelz vor allem mit leichten VERFILZUNGEN versehen. Trotz der knappen Felllänge bleibt es natürlich wasserfest und dicht, auch wenn es bei frostigeren Zeiten nur bis zu einem begrenzten Punkt makellos schützt.
Auch wenn der Rüde aus der Ferne als schwarze Gestalt wahrgenommen werden könnte, so verbirgt sich in Wahrheit eine abwechslungsreichere Kolorierung in seiner Erscheinung. Jays Grundton wird von einem KÜHLEN MITTELBRAUN, welcher beinahe schon ins MOKKA geht, überzogen. Dieser sticht an einigen Stellen mehr, an deren hingegen weniger hervor. Darüber legt sich ein TIEFES GRAU und vertuscht stellenweise die braunen Partien. Zudem ziehen noch dunklere Elemente einige Zeichnungen in seine Fellmusterung, welche wie leichte KONTURLINIEN über seinen Körper zerfließen. Die Innenseite der Läufe, die schmale Brust sowie die Lefzen sind dabei deutlich heller markiert. Je nach Lichtverhältnis wirkt sein Pelz entweder mehr braun oder doch blass-schwarz.
Insgesamt eine recht wilde Fellzeichnung, die ganz den Anschein erweckt, man hätte sich bei der Auswahl der Farbe nicht recht entscheiden können.

· • ʙᴇsᴏɴᴅᴇʀᴇs
In seinen Augen scheint stetig ein gewisser Trauerschimmer am Glänzen zu sein. Die Spiegel zur Seele – vielleicht ist es gar nicht so abwegig.

· • ᴄ ʜ ᴀ ʀ ᴀ ᴋ ᴛ ᴇ ʀ • ·
ISTP – unhealthy 4

Jabez hat die Seele eines wahrhaftigen Diebes. Von Beginn an war er schließlich nichts anderes gewohnt. Er ist ein GERISSENER WOLF, der mit seiner Agilität und Geschicklichkeit so mancher Elster Konkurrenz machen könnte. Mit flinken Pfoten und aufmerksamem Geist weiß er seine raffinierte Intelligenz zu nutzen. Und sich gleichzeitig allerdings auch schrecklich unbeliebt zu machen. Denn Diebe sind für gewöhnlich nun wirklich ungern gesehen. So hinterhältig, EGOISTISCH, würdelos wie diese abgestempelt werden. Und... eigentlich liegt man damit auch bei Jabez nicht falsch. Denn getreu dem Motto „Jeder ist sich selbst der Nächste“ kümmert es ihn nur wenig um andere. Er hat eine INTRIGANTE ADER, die eben durch seinen natürlichen Überlebensinstinkt geschaffen wurde. Wieso sollte er sich für jemand anderen die Mühe machen, wenn es ihn gar nicht zu scheren braucht? Lieber mischt Jabez sich erst gar nicht ein, bevor er unnötige Kratzer abbekommt. Ganz nach dem Prinzip: Deine Angelegenheit, nicht meine.
Sicher schwebt damit auch eine gewisse BEQUEMLICHKEIT mit. Natürlich sucht Jay immer den Weg mit dem geringsten Widerstand und der kleinsten Mühsal. Wenn man es sich einfacher machen kann, warum nicht? Deshalb hat er manchmal die schlechte Angewohnheit, lieber andere machen zu lassen. Naive Köpfe, die sich leicht beeinflussen lassen, sind da seine besonderen Leidträger. Und das, obwohl er im Grunde gar nicht einer der manipulativen Sorte ist.
Jabez tritt tatsächlich ziemlich AUTHENTISCH auf und macht sich nicht die Mühe, sich groß zu verstellen oder vorzugaukeln, jemand anderes zu sein, als er wirklich ist. Er ist ein Dieb, nicht immer ehrlich, manchmal ungerecht. Und dies gesteht sich der Rüde ebenso ein. Womöglich kommt daher auch seine asketische Persönlichkeit, die ihn zu einem recht unkomplizierten Wolf macht. Er strebt eben nicht viel an, akzeptiert das Leben, welches er nun führt, so niederträchtig es auch ist, und gibt sich mit gewöhnlichen Dingen langzeitig zufrieden.

Jabez scheint ein ziemlich gelassenes und LOCKERES GEMÜT zu sein. Allerdings handelt es sich dabei viel mehr um die passiven und leicht PHLEGMATISCHE Züge seines Charakters. Er gibt sich oft sehr APATHISCH, aber es hilft ihm, in der Welt voller Enttäuschungen zu bestehen. Der PESSIMISMUS genauso wie der große Argwohn haben sich in seinem Inneren wie scharfe Adlerkrallen verankert. Hoffnungen hat er sich schon seit Langem nicht mehr erlaubt.
Wenn man diese Schale jedoch knackt und die unendlichen Schichten abschält, findet man einfach nur ein karges, zerbrochenes Wrack, das gerne Lichtblicke sehen würde, jedoch schreckliche Furcht davor hat.
Aber bei all den SCHLAGFERTIGEN Worten, für die er bekannt ist, kommt diese Seite ungerne heraus. Denn Jay ist ziemlich selbstsicher und verwegen, zeichnet sich durch eine halbwegs REDSELIGE Eigenheit aus, die leider auch eine ziemlich GROßE KLAPPE entfacht. Und diese kennt keine Hemmungen. Mit SARKASTISCHEN Ausdrücken kann sie ihn rasch in den Schein eines überheblichen und auch besserwisserischen Rüden rücken. Jabez scheint von außen eben ziemlich selbstgerecht, weiß aber tatsächlich seine eigenen Fehler und Dummheiten zu sehen. Selbst, wenn er diese stets auszublenden versucht.

Neben seinem Ruf als Dieb kann der Wolf jedoch durchaus zu einem charmanten Wesen fähig sein. Die Betonung liegt dabei selbstverständlich auf "kann". Irgendwo in ihm steckt noch sein altes Ich, das sich fürsorglich und beschützerisch im tatsächlich existierenden Herzen zeigt, welches seine Schwester schon oft genug hatte sehen dürfen. Kooperativ und zuverlässig loyal hatte Jabez sich bewiesen, wenn es ihm wahrhaftig am Herzen lag.
Doch die seit langer Zeit begleitende Eigenständigkeit und seine AUTARKE Lebensweise haben ihn von diesem Weg abweichen lassen, sodass man sich bei jedem Mal fragen muss, ob er in seinen Worten ehrlich ist oder nicht doch bloß ein Plan dahinter steckt, von dem er allein profitiert.

· • s ᴛ ᴏ ʀ ʏ ʟ ɪ ɴ ᴇ • ·
BAD MEMORIES; DO NOT OPEN.

Die Äste standen still, kein einziger Windhauch wehte übers Land. Der Frost hatte die Gegend erstarren lassen, als wäre der Tag-Nacht-Zyklus stehen geblieben. Und doch... regte sich etwas; verborgen unter den Zweigen der Fichten und kaum zu erblicken. Eine ältere Fähe, an dessen Seite ein großer schmaler Wolf stand, brachte gerade, wenn auch unter schweren Schmerzen, neues Leben auf die Welt. Ungeplant und unerwartet, denn ihr Nachwuchs sollte doch erst in der Blütezeit kommen. Viel zu früh erblickten drei winzige, zerbrechliche Fellknäuele das trübe Licht der Welt und waren gleichzeitig erbarmungslos dem eisigen Winter ausgesetzt.
Unter ihnen ein kleiner dunkler Welpe, der so schwach und hilflos aussah, dass man glaubte, das Leben wolle ihn in wenigen Atemzügen verlassen. „Jabez“, hauchte ihm die Mutter, Huyana, seinen Namen ins Öhrchen. Ein äußerst trauriger Name, wenn man bedachte, dass die Bedeutung von Schmerz und Elend geprägt ist.
Neben Jabez überlebte ein weiterer – ebenso dürrer – jedoch weiblicher Welpe, mit einem nicht weniger wehmütigen Namen: Achaia. Weiteres Leben blieb aus. Aus dem dritten Welpen wäre vielleicht ein gesunder Rüde geworden, hätte ihn die nötige Kraft nicht kurz nach der Geburt verlassen.

Der Wurf war mager und litt unter zweifelnden Gedanken. Dennoch wuchsen Jabez und Achaia gesünder auf, als überhaupt erwartet. Sie waren nicht von Größe und Kraft geprägt, lernten dennoch anderweitige verborgene Stärken kennen, während sie spielerisch die Welt erkundeten – jedenfalls einen kleinen Teil dessen. Ihre Heimat war ein kleinflächiger Fichtenwald, nicht abwechslungsreich und vielfältig genug, aber bot ein angrenzender Menschenort die Aufrechterhaltung ihres Überlebens. Die Nahrung bestand aus dem, was Menschen entweder wegschmissen oder hüteten. Terach, ihr Vater, brachte Jabez und Achaia bei, mit trickreichen Methoden an das Fressen der Menschen zu kommen. Neben dem Stehlen von Abfall bestand ihre erfolgreichste Beute aus Hühnern und Schafen. Natürlich versuchten die Menschen, ihre Tiere immer besser zu behüten, womit man es den Raubtieren im Laufe der Zeit erschwerte, an diese kostbare Nahrung zu kommen. Aber Jabez lernte schnell, wie man sich aus den brenzligsten Situationen am besten wand, Lücken entdeckte und gleichzeitig als Auswege nutzte. Ihr Leben war von außen betrachtet womöglich nicht das ehrenvollste, doch solange es dem Überleben nutzte, war es ausreichend genug.
Je größer Jabez wurde, desto eher besaßen Huyana und Terach nicht mehr das nötige Alter zum Leben. So war vorhersehbar, dass sie zeitnah ihr Dasein beenden würden. Jabez hatte gerade erst ein halbes Lebensjahr vollendet, als seine Mutter aus Altersschwäche hinfort ging. Nur wenige Monate später folgte sein Vater. Das Letzte, was Jabez versprechen musste, war, mit jeder Tugend und Tapferkeit, die er aufbringen konnte, auf seine Schwester zu achten. Denn von nun an hatten sie nur noch einander. Jay erlaubte sich kein Zögern und folgte diesem Versprechen mit jeder Faser seines Herzens. Und so waren beide Geschwister schon früh auf sich allein gestellt.

Große Wendungen zu ihrer bisherigen Lebensart gab es nicht. Nachts das Stehlen von Menschennahrung, tagsüber erholen und Erfahrungen sammeln. Auch versuchten sie ihr Glück ab und zu beim mageren Wildfang, wie Kaninchen und Kleintieren, doch nur selten fand sich genug, um damit ausreichend über die Runden zu kommen.
Als eines Tages der Sommer anbrach, machten es sich Jabez und Achaia an einem schimmernden See gemütlich. Das kühle Nass tat ihnen bei der Hitze gut und erfrischte sie völlig neu. Zufrieden sah Jabez zu, wie seine Schwester im Wasser herumplanschte, bis ihm allmählich die Augen zufielen. Er weiß noch, wie er von strahlenden Weiden und harmonischem Wetter geträumt hatte, kurz bevor ihn ein hektisches Plätschern zu wecken begann.
Jay riss die Augen auf und stand mit einem Mal auf allen Vieren. „Achaia!“, schrie er mit heiserer Stimme, lief zum Seeufer, während seine Augen kaum noch die Schnauze seiner Schwester sehen konnte, die panisch nach Luft schnappte. Achaia hatte sich weiter ins Wasser getraut, viel zu weit, denn nun kam ihr die Tiefe zum Verhängnis. Noch bevor Jabez zur Rettung in den See springen konnte, verschwand das Fell der jungen Wölfin und tauchte ins ungewisse Nass. Jay blieb wie angewurzelt stehen, wagte nicht einmal einen einzigen Atemzug. Die Szene seiner strampelnden Schwester spielte sich als Endlosschleife in seinem Kopf ab. Und als wäre dies nicht genug, mischte sich unbewusst die Stimme seines Vaters ein. Die Worte, die ihn dazu aufforderten, gut auf Achaia aufzupassen. Das Versprechen, welches nun binnen Sekunden mit ihr ertrank.

Unter innerem Schmerz lief Jay los, völlig egal in welche Richtung, er wollte nur fort von dieser schrecklichen Todesstätte. Er selbst machte sich schlimme Vorwürfe und war zutiefst am Boden zerstört. Nachvollziehbar, wenn man seine einzig übrige Familie verlor, sich selbst und gleichzeitig seine Eltern enttäuschte.
IN MY DEFENSE, I WAS A REALLY STUPID KID.

Selbst nach mehreren Nächten ließ der Schmerz nicht nach. Jabez' Pfoten führten ihn in unbekanntes Territorium, wo er nichts tat, als sich verborgen zu halten, weniger zu essen und zu trinken, als würde er keinen Sinn mehr darin sehen. Bis ihn die treibenden, schmerzlichen Gedanken zu einer Erinnerung führten. Huyana und Terach hatten ihm und Achaia viele Geschichten und Sagen erzählt. Von geisterhaften Wölfen, mystischen Orten bis hin zu unerklärbaren Wundern. Doch eine kitzelte seine Erinnerungen nun besonders. Eine Sage über eine Blume. Hoch oben im kühlen Norden, wo Frost auf Eis traf, auf den höchsten Bergspitzen des Landes. Eine Blume, dessen Kraft so mächtig sei, dass sie gar gebrochene Seelen heilen könne.
Man gebe den Verzweifelten eine Schnur der Hoffnung – und sie beißen an. Folgen ihr blind bis zum Abgrund. Natürlich ließ sich der junge Rüde davon mitreißen. Von einer banalen Sage, die er einst als Welpe gehört hatte. Doch wozu sonst sollte Naivität, die auf unermesslichen Schmerz traf, führen?

Jeden, dem Jabez begegnete, fragte er nach dem Weg zum größten Berg, den man kannte. Und schon bald führte es ihn an sein Ziel.
Ob sich die längere Reise auszahlen würde, war nur noch eine Frage von wenigen Momenten. Natürlich konnte nicht alles wie erhofft glattlaufen. Als plötzlich ein junger Berglöwe seinen aufsteigenden Weg kreuzte, blickte Jabez unmittelbar seinem Ende entgegen. Laut heulte er auf, als das mächtige Tier ohne Vorwarnung eines seiner vorderen Läufe packte und sich wie eine Zecke darin verbiss. Und dennoch schien das Leben auf der Seite des Rüden zu sein und für ihn zu kämpfen. Denn noch im letzten Moment sprang ein weiterer Wolf von der Seite zur Hilfe.
Keuchend beobachtete Jay wie der Fremde dem Berglöwen in den Nacken biss und ihn zum Loslassen zwang. Sein eigener Vorderlauf pochte unaufhörlich vor Schmerz, während der unbekannte Wolf das Biest in die Flucht jagte.
Nach all dem Trubel stellte sich der fremde, etwas ältere Rüde als Lito vor, ehe er wissen wollte, was Jabez in dieser Gegend zu suchen hatte. Er erzählte ihm von der Sage der kraftvollen Blüte, was Lito mit offen interessiertem Ohr entgegennahm. Nur musste Jay ihm gegenüber zugeben, dass er mit der frischen Wunde keinesfalls genug Kraft aufbringen könnte, das steile Ziel zu erreichen.
„Lass mich die Blume für dich holen“, schlug Lito daraufhin aufrecht vor und Jabez konnte kaum glauben, dass ein Fremder bereit war, sich solch eine Mühe für jemanden zu machen, den er vielleicht nie wiedersehen würde. Doch so naiv wie er früher noch war, willigte er voller Dankbarkeit ein.

Die Nacht war beinahe angebrochen, als Lito endlich zurückkehrte. Doch der Ausdruck in dessen Augen verriet bereits den Misserfolg, bevor überhaupt ein Wort fallen konnte.
„Sie ist nicht dort“, meinte der Ältere mit bedrücktem Ton. „Tut mir leid für dich.“
Die Enttäuschung traf Jabez wie ein harter Schlag auf die Schnauze. Selbst seine Wunde schmerzte weniger als diese Nachricht. Niedergeschlagen ließ er seinen auf den Schultern lastenden Emotionen freien Lauf, erklärte dabei, wofür er die Macht der Blume gebraucht hätte.
„Deine Schwester?“, wiederholte Lito fragend. Jay nickte nochmals, bereuend, diese Erinnerung erneut hervorgerufen zu haben. Doch irgendetwas änderte sich in der Mimik des anderen. Neben bekümmerten Mitgefühl mischte sich ein nachdenkendes Hin und Her ein.
„Warte hier“, sprach Lito plötzlich, wirbelte herum und verschwand hinter der nächsten Ecke. Jabez ließ er in deutlicher Verwirrung zurück, bis sich seine Gestalt wenige Augenblicke später wieder zu erkennen gab. Mit dabei: etwas Helles zwischen seinen Kiefern.
„Hier, du brauchst sie dringender als ich.“ Damit legte ihm Lito doch tatsächlich die besagte Blüte vor die Pfoten.
„Du hast sie doch!“, platzte Jay schlagartig heraus. Aber statt Freude darüber zu empfinden, breitete sich Ärger in ihm auf. Ärger darüber, dass Lito ihn angelogen hatte.
Lito konnte die Reaktion nachvollziehen und gab zu, dass er, nach Jays Erzählung der Sage, die Blüte für sich behalten wollte. Aber Jabez' Liebe zu seiner toten Schwester ließ die Überlegungen über sein Handeln schwanken.
„Nimm sie und lass dein Herz wieder heil werden.“
Obwohl Jay in gewisser Hinsicht dankbar für den Sinneswandel des Wolfes war, ließ es ihm in Sache Vertrauen eine Lehre sein. Nicht jeder wäre so gütig gewesen, ihm doch die Blüte zu übergeben.

Nicht nur auf die Heilung seiner Wunde musste Jay warten. Auch hatte er sich bis zum nächsten Vollmond zu gedulden. Denn nur dann könne die Blume wohl ihre gesamte Kraft entfalten – so jedenfalls die Sage.
Als die Zeit dafür gekommen war, streckte Jabez seine Schnauze – mit noch immer erschütterter Seele – dem Mondlicht entgegen, während er hoffnungsvoll die Blüte zerkaute. Aber... es geschah nichts.
Selbst anhaltende Momente danach spürte der junge Wolf keinerlei Veränderung. Nicht einmal Tage, nicht einmal Wochen danach. Jabez' Herz heilte nicht. Nicht, wie in der Sage versprochen. Im Gegenteil, es zerbrach ihn nur noch mehr und ließ seinen Glauben an Hoffnung zunehmend schwinden.
I CARED ABOUT ONE PERSON; AND IT FUCKED ME UP, LOL.

Das einsame Wandern ohne wahres Ziel begann. Das einzige, was für ihn noch zählte, war Überleben und Vergessen. Immer mehr entwickelte er ein Leben ohne Hoffnung und Lichtblick, doch lernte er, damit zurechtzukommen. Nichts anderes blieb ihm übrig. Bis jemand Neues in sein trübes Leben trat.
Naia, eine hübsche Streunerin, welche sich mit nur einem Blick den Weg in sein grau gewordenes Herz bahnte. Auch sie brauchte nicht ewig, um Jays lang verborgene, charmante Art zu entdecken, und mit ihrem Dasein schenkte sie ihm das, was seiner Seele seit Langem gefehlt hatte: Liebe. Zuneigung und Vertrauen. Er wusste nicht wie, doch schaffte Naia es, seine verschlissene Welt neu mit Harmonie zu füllen.
Als treue Gefährten sorgten sie einander, wanderten umher und versuchten in der nicht allzu einfachen Welt klarzukommen. Doch nun nahte auch schon der nächste Winter und es schien zudem einer der frostigsten zu werden. Das Überleben zu zweit wurde immer holpriger, die Nächte immer kälter.
Das gemeinsame Schicksal jedoch ließ sie auf ihren Wegen auf ein Wolfsrudel treffen. Jay wollte nicht dafür bestimmt sein, in großen Gruppen zu leben, besonders, wenn diese völlig fremd waren. Naia jedoch zeigte ihm die Not, die den beiden in der harten Frostzeit bevorstand, sollten sie bloß weiter zu zweit bleiben. Jabez war dennoch ungeheuer mulmig zumute, so einigten sich die Gefährten darauf, einzig den Winter über ein Teil des Rudels zu bleiben – ohne, dass es die Rudelwölfe wissen sollten. Nicht besonders tugendhaft, den Schutz des Rudels als Übergangsphase auszunutzen, doch in etwa aus solchen Maschen bestand nun mal Jays Existenz.
Die Wolfsgemeinschaft nahm die zwei auf und beide versprachen – fälschlicherweise – unverbindliche Treue. Jabez und Naia überlebten auf diese Weise also den schneereichen Frost. Tatsächlich waren sie noch nie mit solch vollen Bäuchen über den Winter gekommen.
Und nun stand auch bereits der Frühling bevor. Und somit die Zeit, das Rudel zu verlassen und die kurzweilige Treue zu brechen. In der ersten Nacht der neuen Jahreszeit flohen sie, ohne den Wölfen ein Kundtun entgegenzubringen. Und doch wurden sie unerwartet aufgehalten.

„Naia!“ Noch bevor ihre Pfoten den Rudelplatz verließen, erklang eine tiefe Stimme, die sie abrupt zum Stehenbleiben zwang. Maoz, der große, kräftige, aber ältere Rüde, war Quelle des erhobenen Wortes. Doch war sein Ton nicht drohend oder forsch, wie Jabez in dem Moment erwartet hätte, viel mehr sanft und beinahe schüchtern. Jay bemerkte, dass Maoz nichts von ihrer gerade begonnen Flucht ahnte, eher war sein Fokus allein auf Naia gerichtet – wieder einmal. Denn schon im Laufe des Winters schien der ältere Rüde sich an die Seite der Fähe schmiegen zu wollen. Viel Bedeutung hatte Jay darauf nicht gelegt. Doch nun nahm genau dies eine scharfe Wendung.
Maoz begann, leise auf Naia einzusprechen, von irgendeinem Zeugs über Bestimmung und Schicksal. Jabez hörte kaum zu, seine Pfoten wollten nur endlich fort und zurück ins Leben als unabhängiger Freigeist. – gemeinsam mit Naia. Aber am Ende der gesprochenen Worte wurde Jay ganz Ohr und erstarrte mit einem Mal. Denn plötzlich gestand Maoz der schönen Naia seine innige Liebe. Jabez wurde heiß und kalt zugleich, konnte kaum glauben, dass dieser Wolf es tatsächlich wagte, seine Naia für sich zu erlangen. Und das, obwohl ihr Gefährte – Jabez – offensichtlich daneben stand!
Maoz versprach ihr sogar den hohen Rang an seiner Seite, sobald er zum nächsten Alpha ernannt werden würde. Jabez war sich natürlich sicher, dass Naia trotz all dieser verführenden Versprechungen ablehnen würde. Er kannte sie doch, sie wollte ebenso ein Leben in Unabhängigkeit wie er. Doch irgendwas in ihrer Haltung verriet genau das Gegenteil. Stille schwirrte zwischen den Dreien. Die Unsicherheit über die Lage wuchs in Jay stetig an.
„Naia?“, sprach er sie unsicher an und endlich wandte sie ihm den Kopf zu. Noch heute wünscht er, sie hätte es nicht getan. Ihn nicht nochmals angeschaut. Das Bedauern in ihren glänzenden Iriden war unerträglich anzusehen.
„Es tut mir leid, Jay.“ Mit diesen Worten verließ sie seine Flanke und trat zum mächtigeren Wolf hinüber, der sie erleichtert in Empfang nahm.
Vom einen auf den anderen Moment spürte Jabez förmlich, wie sein zu heilen begonnenes Herz in alle Stücke zersplitterten, ihm einen schmerzhaften Stich verpasste und ein riesiges, leeres Loch hinterließ. Jay verstand nicht, konnte die beiden, wie sie sich vor seinen Augen einander schmiegten, nur mit Fassungslosigkeit anstarren. Naia entschied sich lieber für den Machteinfluss auf eine fremde Gruppe von Wölfen, als für ihn und das wirklich freie Leben. Das war nicht seine Gefährtin, die er kannte und liebte.
Jabez konnte es nicht ertragen, geschweige denn mitansehen. Ohne ein letztes Wort, einzig mit einem trüben, bitteren Ausdruck in den Augen, suchte er also das Weite.
Dass man sein Herz nochmal derartig verletzen konnte, hätte er selbst nicht mehr gedacht. Wann auch immer ihm die Hoffnung auf das Licht am Ende des Tunnels serviert wurde, jedes Mal blieb für ihn nichts als Schmerz und Enttäuschung übrig.
Dies war der bittere Punkt, an dem Jabez mit zerstörten Gefühlen endgültig den Glauben an alles und jeden verlor. Die Welt bunt und optimistisch zu sehen, war für den jungen Rüden nicht weiter möglich. Allein pechschwarze, einsame Dunkelheit legte sich über seine Existenz. Viel zu oft hatte man ihn schon enttäuscht.
I RESPECTFULLY
DON'T CARE

Jays künftige Pfade führten um das Territorium des frisch verlassenen Rudels herum. Nicht, weil er an seiner Entscheidung zweifelte. Das Einzige, was ihn hielt, war die Nahrung, welche dort zahlreich vorhanden war und aus einfacherer Beute wie Vögel, Hasen und Kadavern bestand. Dass er dabei auf ein bekanntes Gesicht treffen würde, darauf hatte er weder Erwartung noch Hoffnung gelegt.
Naia kreuzte ein weiteres Mal seinen Weg, mit dem Unterschied, dass sich weder prickelnde Funken noch herumschwirrende Schmetterlinge irgendwo ausbreiteten. Die einst von Jay angebetete Wölfin bat ihn um Verzeihung. Sie versuchte, den Tränen nahe, zu erklären, sie hätte diese Entscheidung bloß für sie beide getroffen. Für ein Leben, das sorgenloser war als ihr altes. Naia erzählte, dass Maoz umgekommen wäre und sie selbst nun als Nachfolgerin an die Spitze des Rudels aufsteigen würde. Und sie wollte, dass Jabez dabei an ihrer Seite stand.
Zu seiner eigenen Überraschung fühlte er jedoch absolut nichts. Nichts, was ihn dazu verleiten könnte, ihr eine zweite Chance zu geben. Sie hatte ihn hintergangen, verraten und sein Herz leiden lassen. Nur um dann zurückzukehren und ihn vergeblich wiederzuerlangen.
„Ich gehöre dir nicht, Naia... Und werde es auch nie.“ Jabez ließ seine für ihn gestorbene Gefährtin kalt stehen und erlaubte es ihrem angebrochenen Schluchzen nicht, ihn dabei in seinem Entschluss zu beirren.

Jabez' Wege führten ihn seitdem erneut ins Ungewisse. Jedoch nun mit mehr Erfahrung und Wissen. Er hatte gelernt, dass von anderen nichts zu erwarten war und sein Vertrauen niemand wirklich verdient hatte. Das Leben als diebischer und pessimistischer Einzelgänger fügte sich zunehmend mit ihm zusammen, bis es schließlich deckungsgleich mit seinem eigenen Pelz wie angegossen passte. Daran etwas zu ändern, wurde nun kaum noch Teil seiner Vorstellung.

ᴠᴏʀʟɪᴇʙᴇɴ
"Fundbeute" › Isoliertheit › Gesetzlosigkeit › Selbstverantwortung › Mühelosigkeit › Freiheit › Petrichor

ᴀʙɴᴇɪɢᴜɴɢᴇɴ
Winter › Wasser › Höhe › Regeln › Hektik › Hoffnungsgelaber › Verrat › Geschichtserzählungen › bloßer Optimismus

sᴛäʀᴋᴇɴ
Stehlen › Weglaufen › Agilität › Reflexe › Spontanität › Schlagfertigkeit › Charme › Gelassenheit

sᴄʜᴡäᴄʜᴇɴ
Muskelkraft › Jagen › Anschleichen › Thalassophobie › Akrophobie › Sturheit › Pessimismus › Phlekmatiker › macht sich schnell unbeliebt



_________________________________________________
Geschlecht
männlich
Das Szenario
keine Angabe
Schreibprobe
siehe: Keahi › Marlo
    • Jabez hat einen neuen Beitrag "Leuchtwald" geschrieben. 13.01.2024

      Als der dunkle Jungwolf mir gegenüber gestand, keine Eltern mehr zu haben, rutschte mir meine ironische Bemerkung von vorhin nun mit aller Schwere in den Magen.
      Autsch. Damit bin ich definitiv auf die falsche Pfote getreten. Mein Sarkasmus bekam genau das zurück, was es verdient hatte. Und als wäre all das nicht genug, wurde meine große Klappe gleich mit peinlicher Stille bestraft. Ich biss mir unsanft auf die Zunge.
      „Wow…“ Ich fuhr mir mit der Zunge über die Lefzen. „Nun ehm… damit hab’ ich die Stimmung dann wohl endgültig gekippt.“
      Glücklicherweise wurde der Timberwolf gleich von einer weiteren Hungerattacke überrumpelt und erlöste mich und sich selbst von seinem verschollenen Blick ins Nichts. Ich ließ ihn noch ein wenig länger fressen. Und noch ein bisschen länger. Doch als ich dann dabei zusehen musste, wie er immer gieriger zu schlingen begann, setzte ich dem Ganzen ein Ende.
      „Okay okay, das reicht.“ Plötzlich stand ich auf, stellte mich über die Beute und setzte eindringlich eine Pfoten zwischen die Überreste. Wohl als eine Art Besitzanspruch. „Gier tut dir nicht gut.“

    • Jabez hat einen neuen Beitrag "Leuchtwald" geschrieben. 18.11.2023

      Acht Tage? Ungläubig blinzelte ich ihn an. Himmel, er war ja schlimmer dran als ich. Was hat er denn die ganze Zeit über gemacht? Sich in einer Höhle abgekapselt?
      Acht Tage… Man würde doch in dieser Zeit etwas Essbares finden können – oder jagen können. Ich war zwar auch nicht der beste Jäger, aber kranke, schwache und unaufmerksame Exemplare waren nun wirklich kein Phänomen, wenn man wusste, wo sich einige Herden und Scharen herumtrieben. Gut, man fand nicht immer was – es war vielleicht nicht ganz so einfach, wie es klang. Vor allem auch wegen irgendwelchen Rudeln, die hier gut belebtes Gebiet besetzten. Aber… acht Tage?! Und so jung wie er war, konnte seine Familie auch nicht weit sein. Was war mit denen?
      Ich schüttelte ungläubig den Kopf. „Wow. Deine Mutter leistet ja tolle Arbeit, sich um dich zu kümmern.” Ich hob die Augenbrauen, um den Sarkasmus zu unterstreichen. „Hättest dir echt eine bessere Familie aussuchen können, Kumpel.“

    • Jabez hat einen neuen Beitrag "Leuchtwald" geschrieben. 10.11.2023

      Mein Blick folgte ihm, als er zu mir herübertorkelte. Und je näher er kam, desto auffallender wurde die Schwäche, die Ohnmacht, die von seiner Statur ausging. Zugegeben, ich sah auch nicht gerade wie der kräftigste Wolf aus. Aber ich machte zumindest den Eindruck, auf den hohen Beinen einem Reh − oder zumindest einem Hasen − hinterherjagen zu können. Doch selbst diese Kraft schien sein Körper nicht mehr zu haben.
      „Ja ja, geht schon klar“, beschwichtigte ich ihn ungeduldig. Ich hatte nun wirklich keinerlei Lust, mir irgendein Dankesgeschwätz anzutun.
      Ich musterte ihn. Wie er sich über das Fleisch hermachte, es verschlang, als gäbe es kein Ende. Grundgütiger, da verging einem ja der Appetit.
      „Beim Himmel, hol doch erst einmal Luft“, versuchte ich ihn in seinem Schlingen ein wenig zu bremsen. Zumindest so viel Würde könnte er doch noch aufbringen. „Wie lange hast du denn bitte nichts mehr gegessen?“

    • Jabez hat einen neuen Beitrag "Leuchtwald" geschrieben. 06.11.2023

      Bingo – da war es. Die flehenden Bitten und bettelnden Augen. Früher oder später fand man sich nach einem Hungermarathon an genau diesem niederträchtigen Punkt wieder, für den man sich im Nachhinein abgründig hasste und sich dafür verabscheute, nicht resistenter gewesen zu sein. Und deshalb lässt man es gar nicht erst dazu kommen und nimmt sich alles, was sich auf dem Weg mitgehen lässt. Egal, ob man wirklich Hunger hat oder nicht. Egal, ob es alt ist oder nicht schmeckt. Da musste der junge schwarze Wolf wohl noch einiges lernen.
      Zumindest war er gut im Betteln. Sehr gut sogar. Erbärmlich gut. Keine Faser meines Seins hätte mich jemals dazu bringen können, mich so elendig schwach zu präsentieren wie er. Selbst wenn noch so starke Krämpfe mich schikaniert hätten. Lieber starb ich.
      Ich konnte nicht sagen, ob der fremde Wolf simulierte oder nicht. Wenn ja, war er wirklich überzeugend – und es wäre schrecklich beschämend für ihn, sich und seine Würde so herunterzustufen. Wenn nicht, dann… musste er gerade wirklich – wirklich – scheußliche Schmerzen erleiden. Vielleicht schlimmer, als ich es jemals am eigenen Leib erfahren hatte.

      Mit seinem vor Schmerzen gequälten Gesicht verzog sich auch meins. Wie konnte man es zu so etwas überhaupt kommen lassen? Erst jetzt bemerkte ich, wie sich der Wolf nur noch dürftig auf den Pfoten hielt. Was mir jetzt fehlte, war, dass er mir hier noch zusammenbrach… oder schlimmer.
      Ach, verdammt. „Schon gut, schon gut“, unterbrach ich sein Winseln. Ich schloss die Augen und seufzte, als hätte er meinem Schädel Schmerzen bereitet. „Du musst mir jetzt nicht die Ohren vollheulen. Das Letzte, was ich brauche, ist ein Jammerhäschen.“
      Ich schaute wieder auf und nickte ihn zu mir. Als Einladung, sich etwas nehmen zu dürfen. Natürlich nicht gerade mit dem größten Vergnügen. Aber besser, als das Leben eines kümmerlichen Wolfs auf dem Gewissen zu haben…

    • Jabez hat einen neuen Beitrag "Leuchtwald" geschrieben. 27.10.2023

      Ich hatte nicht wirklich den Glauben daran, den Fremden damit abwimmeln zu können. Er schien wahrlich dem garstigen Hunger zum Opfer gefallen zu sein. Solchen Hunger kannte ich nur allzu gut. So einfach ließ er einen nicht abwimmeln.
      Zu meinem Erstaunen jedoch, versuchte der schwarze Wolf es gar nicht erst, mir mit flehenden Bitten und bettelnden Augen zu kommen. Sondern mich auf das Reh aufmerksam zu machen.
      Mein Blick fiel zurück auf die Beute.
      Stimmt. Er hatte recht. Das Reh sah alles andere als frisch gefangen aus. Eher abgewetzt und ausgefranst. Die rotbraune Färbung musste der Witterung schon vor langer Zeit zum Opfer gefallen sein. Die besten Stücke wurden längst gerissen. Und außerdem sah es aus, als hätte sich bereits eine ganze Horde, ein ganzes Rudel, darüber hergemacht. Und daraufhin Streuner. Und dann Krähen.
      „Oh... ja ehm...” Ich schnalzte mit der Zunge. „Nun, dann trügt wohl der Schein...” Nicht wissend, was ich sonst sagen sollte, riss ich mir ein weiteres kleines, zähes Stück der Beute ab und begann einfach wieder stumm und unbeholfen zu kauen.

    • Jabez hat einen neuen Beitrag "Leuchtwald" geschrieben. 16.10.2023

      Zugegeben, es war wirklich nicht das beste Fleisch. Stumpf und verdorrt. Es schmeckte eher nach der Erde, auf der es lag, und wirklich gut kauen ließ es sich nicht mehr. Aber… es gab schon Schlimmeres.
      Ich genoss gerade (oder genoss eben nicht) den zähen Brocken der wirklich mehligen Beute, als eine Stimme mich aufhorchen ließ. Mein Blick folgte ihr und empfing sogleich einen – ich denke mal – recht jungen Wolf. Pechschwarz, als hätte der Schatten der Welt bei seinem ersten Atemzug erleichtert aufgeseufzt und in seinem Fell ein neues Heim gefunden.
      Kritisch hob ich die Augenbrauen. Musste bei seiner Frage aber gleich belustigt schnauben.
      „Hör mal.“ Ich schluckte den Bissen herunter und legte schmunzelnd den Kopf schief. „Ich weiß ja nicht, wo du herkommst, aber hier jagt sich jeder sein eigenes Zeug.“ In welch bezaubernder Welt dieser Jungwolf doch lebte, wenn er wirklich dachte, man könne sich überall getrost ein Scheibchen mitnehmen. „Das gute Stück hier ist frisch gefangen. Und es war nicht einfach, glaub mir.“
      Gut, vielleicht habe ich ein wenig geflunkert. Oder vielleicht ein bisschen mehr. Spielte auch keine Rolle. Dieser Fremdling würde ohnehin nichts abbekommen.

    • Jabez hat einen neuen Beitrag "Leuchtwald" geschrieben. 12.06.2023

      Nachdem ich mich selbst dabei ertappt hatte, wie ein absoluter Idiot ins Nichts gestarrt zu haben, um irgendwelche verschwenderischen Gedanken ausklingen zu lassen, hatten sich meine Pfoten endlich dazu gedrungen, mich fortzutragen. Irgendwo tiefer in den Wald hinein – jedoch nicht wirklich verratend, wohin genau.
      Ich fühlte mich seltsam. Eigentlich sollte ich froh sein. Erleichtert. Doch kaum hatte ich das erfrischende Aroma tiefster Erleichterung erfahren, begann es schnell zu schmecken wie ein Gefühl der… ich weiß nicht, Schuld? Dieses Wort passte nicht zu mir, deshalb mochte es wohl kaum das sein, was mich hier – absolut grundlos – zwickte. Aber es war wohl etwas Ähnliches – und das gefiel mir nicht. Überhaupt nicht.
      Ein Ast knackte unter meinen Pfoten und ich blieb stehen. Wohin ging ich eigentlich?
      Ich hatte nicht einmal gemerkt, welche Wege ich genommen hatte. Bei all den Gedanken, die mich benebelten, schien ich wie ein Irrlicht durchs Geäst zu wandeln.
      Mein Gott, reiß dich mal zusammen. Durchatmen, schütteln – kurz mal wieder zurück auf den Boden kommen. Das war ja erbärmlich. Vielleicht war Edmes Gefühlswirrwarr ja ansteckend gewesen.
      Ich gab ein Schnauben von mir. Konnte jedoch selbst nicht genau sagen, ob es ein belächelndes oder frustriertes sein sollte. Ohnehin fing gerade etwas – für einen Bruchteil der Sekunde – meine Aufmerksamkeit ein, zwischen den betrübt hängenden Ästen, und beim zweiten Blick glaubte ich, etwas fahl Bräunliches hindurchschimmern zu sehen. Ist das…
      Ich schritt näher heran – und tatsächlich. Hinter hohem Gras, eher verkümmert und unbemerkt bleiben wollend, lag ein Reh. Zumindest die Rückstände dessen. Längst mürbe, abgewetzt, mit mehr Knochen als Fleisch und eigentlich kaum noch als solches erkennbar. Aber essbar.
      Mein Magen murrte als Antwort, als Zustimmung. Oder sogar Aufforderung. Und obwohl ich mir ungern sagen ließ, was ich zu tun hatte, machte ich meinem Hunger gegenüber gerne eine Ausnahme.

    • Jabez hat einen neuen Beitrag "Leuchtwald" geschrieben. 08.06.2023

      Edmes weiche Stimme holte meinen verloren gegangenen Blick wieder ein. Fort vom Wald und zurück zu dem viel zu lieben Lächeln, das auf mich einsprach.
      Ich blinzelte. Mehrmals hintereinander. Um auch die letzte graue Kammer meines Hirns endlich begreifen zu lassen, was Edme dort eigentlich sagte.
      Sie ließ mich gehen. Tatsächlich. Ohne weiteren gefühligen Schnickschnack. Ohne mir weiter ihr ach so süßes Herz auszuschütten. Ohne in mir ein wirklich beschämendes Mitleid auszulösen, das sich bloß schonungslos weitergesponnen hätte.
      Edme erlöste mich von ihrer emotionalen Wolke und obwohl ich wusste, wie schwer ihr die Worte vorhin gefallen waren, überfiel mich sogleich eine enorme Erleichterung. Eine Erleichterung darüber, ihre Gefühle nun losgeworden zu sein.
      War das rücksichtslos von mir? Nicht, dass ich mich um so etwas scherte, aber… Sollte ich mich schlecht fühlen? Dafür, dass mein verbohrter Egoismus weder Platz noch Verständnis für ihre Gefühle fand? Dafür, dass ich erleichtert darüber war, ihr nicht weiter zuhören zu müssen? Wie gesagt: Nicht, dass ich mich darum scherte, aber… sollte ich?
      Ich will dich nicht aufhalten… Ein Überbleibsel ihrer sachten Worte verhallte gerade zwischen meinen Gedankengängen.
      Gut, sie schien gemerkt zu haben, dass sie ein Stein, ein Brocken, ein Fels mitten auf meinem Weg war. Doch… wollte ich das? Wenn ich einmal ehrlich – wirklich ehrlich – zu mir selbst war, war es je meine Absicht gewesen, sie spüren zu lassen, nichts weiter als eine Blockade zu sein? Jemand, der einfach im Weg stand. Als wäre sie eine Last.
      Ich meine, klar, das war sie ja auch, aber…
      Eine kühle Nase berührte plötzlich meine Flanke und ließ einen Muskel erschrocken aufzucken. Erst jetzt holte es mich in die kahle Realität zurück, dass Edme längst nicht mehr vor mir stand; der graue Blick, das sanfte Lächeln verschwunden waren.
      Ich wirbelte herum, sah sie bereits mit einem (für Edme wohl unverzichtbaren) wohlwollenden fürsorglichen Abschied davontraben. Und mich allein lassend. In Ruhe lassend.
      Was ich ja wollte… Wieso nur fühlte ich mich dann, als hätte ich etwas unerledigt – unerklärt und leer – gelassen?

    • Jabez hat einen neuen Beitrag "Leuchtwald" geschrieben. 01.06.2023

      Bei ihrer zaghaften Frage nickte ich beschwichtigend. „Klar…“, versprach ich – insgeheim eigentlich gar nicht so ehrlich, wie ich tat. Was immer du hören willst.
      Damit hatte ich zumindest gehofft, die Sache nun auf sich beruhen und abhaken zu können. Aber natürlich durfte ein wenig mehr Gefühlspalaver nie fehlen. Und ich war mir ein Mal mehr bewusst, wieso ich keinerlei Beziehungen (welcher Art auch immer) pflegte.
      Ich war also fürs Erste gezwungen, zuzuhören. Währenddessen zuckte allerdings etwas in mir zusammen, als Edme uns mal wieder “Freunde” nannte. Ich hatte mich an diese Bezeichnung noch immer nicht gewöhnt und die Tatsache, dass Edme und Posy mir – ausgerechnet mir – diese Rolle zuschrieben, klang falsch und prallte wie ein Fremdkörper gegen meine Ohren. Ich fand es damals bei unserem ersten Treffen in der Höhle bereits keine gute Idee, dass die zwei Sonnenscheinchen mir eine Freundschaft aufzudrängen versuchten, von der ich ohnehin wusste, dass sie in den Sand gesetzt werden würde. Besser gesagt, dass ich sie in den Sand setzen würde. Weil ich wohl einfach so gestrickt war. Am Vortag noch ein geradeso aushaltbarer Komplize und am nächsten Morgen längst von dannen. Nie wieder von mir hören lassend.

      Zumindest schien Edme es akzeptiert zu haben, dass man mich nicht zum Rudelwolf konvertieren konnte. Aber wohl nicht, dass ich mich generell nicht gerne an irgendwen band. Ihre Bitte, dass ich nicht im Revier bleiben und mich auch nicht unbedingt dem Rudel anschließen musste, aber sie mich trotzdem irgendwie hier haben wollte, war mir also gleich ein lästiger Dorn im Auge.
      In Erwartung darauf, was diesem zierlichen, unschuldigen Köpfchen noch so alles vorschwebte, erwischte ich mich dabei, wie ich sie zu mustern begann. Und kurzzeitig schweifte ich vermutlich auch ein wenig von dem ab, was sie sagte.
      Ich glaube, ich schien erst jetzt wahrlich zu bemerken, wie aufreibend das alles für Edme eigentlich war. Es schien ihr ehrlich nahezugehen und allein der Umstand, dass sie mich tatsächlich gesucht hatte, mir nachgejagt war, in Tränen ausgebrochen ist, schrie bereits danach, wie sehr ihr Herz daran hing. An Freundschaft und all dem Zeugs. Aber auch, wie schrecklich emotional und anhänglich sie eigentlich war. Sie dürstete förmlich nach Bindung. Es fiel mir schwer, sie und ihr kleines gefühlsbetontes Leben nicht zu bedauern. Und war gleichzeitig ungemein froh, niemals das fühlen zu würden, was sie fühlte und durchmachte.

      Ich seufzte. „Schon gut“, beschwichtigte ich und nahm ihren Blick auf. „Ich verstehe.“ Tat ich nicht; zumindest nicht auf emotionaler Ebene, nicht so tiefgreifend wie sie. Aber ich wollte diese ganze Dramatik, diese feinen Tränchen endlich verdorren lassen. Das alles wurde sogar mir gegenüber ja schon peinlich.
      „Ich werde nicht gehen, okay?“ Ich löste meine Augen von ihren. Was sollte das werden? Ein Schauspiel? Wieder ein falsches Versprechen? Ein Setzling kommender Enttäuschung, den ich hier säte? „Ich werde mich, wie du schon sagst, nirgends anschließen. Und sesshaft werden, es mir hier gemütlich machen, werde ich mit Sicherheit auch nicht. Aber…“ Ich biss mir streng auf die Zunge, sichtlich mit mir selbst ringend. „Ich kann ja mal regelmäßig – ab und zu – vorbeischauen, oder so.“ Mein Blick wandte sich wieder Edme zu. „Hallo sagen, über… Dinge reden. Was man als… ähm, Freunde halt so macht.“
      Ich musste – mich selbst betrügend – feststellen, dass dieses ganze Gefasel von mir gar nicht mehr so ein Gefasel war. Nicht gänzlich. Ich wünschte wirklich, ich hätte aus tiefstem Herzen gelogen, aber ganz ehrlich: Selbst das konnte ich ihr nicht antun.
      Und, ich meine, wenn ich ohnehin vorhatte, ab und zu herzukommen, mich einzuschleichen, um Überreste oder Beute zu stehlen, konnte ich doch vielleicht – vielleicht – auch kurz Hallo sagen. Im besten Fall ersparte mir das beim nächsten Mal, eine weitere übergebraten zu bekommen.
      Mein Blick führte unbewusst an Edme vorbei, hin zum zischelnden Wald.
      Versuchte ich gerade, mich vor mir selbst zu rechtfertigen? Definitiv. Und definitiv sah ich mir auch bereits dabei zu, wie ich diese Entscheidung bereute.

    • Jabez hat einen neuen Beitrag "Leuchtwald" geschrieben. 31.05.2023

      Natürlich sah sie mich. Ich hätte doch wirklich angefangen, an mir selbst zu zweifeln, wenn ich gedacht hätte, ich könnte jetzt noch abhauen.
      Ich schloss die Augen, atmete kurz tief durch und konnte förmlich sehen, wie mir das Schicksal süffisant ins Gesicht grinste.
      Danke, dass du mir das Leben schwer machst, dachte ich noch und sah beim nächsten Aufsehen bereits dabei zu, wie sich dieses gräuliche Bündel von dem Baum löste, auf mich zurobbte, vor mir niederfiel und… Tränchen kullern ließ.
      Völlig perplex blinzelte ich sie an. Was zum… Ich wusste gar nicht, was ich sagen sollte, oder tun sollte. Oder überhaupt denken sollte. War irgendetwas passiert? Hatte ich etwas verpasst? Für mich sah diese ganze Szenerie schon fast so aus, als hätte irgendwer Edmes Herz gebrochen und zermalmt. Und dieses zerrüttete Herz suchte jetzt einen Dämpfer für ein unsagbares Gefühlschaos. Bei mir.
      Ich war überfordert. Und bei Weitem nicht der Richtige dafür. Selbst wenn ich den Seelensorger hätte spielen wollen, hätte ich nicht gewusst, wie.

      Derart unbeholfen in dieser Situation, bemerkte ich nicht einmal vollen Bewusstseins, wie sich der zarte Körper bereits an meine Brust schmiegte. Naja, zumindest bis mir eine übergebraten wurde.
      „Au-“, grummelte ich empört, wurde aber gleich von unzähligen Vorwürfen niedergetrampelt. Ich konnte kaum glauben, was mir dort zugeworfen wurde und musste noch verwirrter realisieren, dass ich derjenige war, der für dieses Gefühlschaos die Schuld trug.
      Sprachlos war ich nun noch überforderter als zuvor. Und wieder überkam mich der spöttische Drang, mich selbst auslachen zu wollen. In was bist du hier nur hineingeraten? In viel zu vieles anscheinend, begriff ich, als Edme nun entschieden, vielleicht auch erwartungsvoll einer Antwort entgegensah.

      „Okay, uhm… lass uns vielleicht erst einmal durchatmen, ja?“, begann ich und trat einen halben Schritt zurück, um zunächst etwas Abstand zwischen uns zu bringen. Vermutlich auch, um eine Sekunde länger überlegen zu können, was ich jetzt tun sollte. Und wie ich diesen Ballast von mir herunterbekam, ohne noch eine verpasst zu bekommen.
      „Wer sagt denn überhaupt, dass ich vorhatte, für immer zu gehen?“, versuchte ich sie zu beruhigen und wusste selbst noch nicht, in welche Richtung dieses Lügengeflecht gehen sollte. „Ich habe mich ja nicht einmal verabschiedet. Ich hätte doch wohl wenigstens Tschüss gesagt, wenn ich wirklich hätte gehen wollen, oder?“ Nein, anscheinend ja nicht. Das hier war das jüngste Beispiel für genau das Gegenteil.
      „Ich brauchte nur etwas… frische Luft.“ Bedeutungsvoll fing ich ihren Blick auf. „Ein wenig Raum zum Atmen, nachdem es auf dem Rudelplatz so voll geworden war. Das verstehst du doch?“ Schwachsinn. Absoluter Schwachsinn, den ich hier von mir gab. Aber ich musste ja nicht mich überzeugen, sondern Edme.

    • Jabez hat einen neuen Beitrag "Leuchtwald" geschrieben. 24.05.2023

      Rudelplatz – Nebelrudel

      Gut möglich, dass ich mir auf dem Weg raus aus dem Revier den ein oder anderen Umweg erlaubt hatte. Wenn man schon in ein Rudelgebiet eingeladen wird, wäre es doch wirklich viel zu schade gewesen, es so ignorant unerkundet zu lassen. Beute oder Fleischreste hatte ich unterwegs zwar nicht gefunden, doch das machte nichts. Dafür hatte ich nun einen kleinen Einblick über zwei, drei gute Ecken und einige der eher seltener betretenen Pfade durchs Territorium, die mich durchaus mit dem Gedanken spielen ließen, wiederzukommen. Eventuell. Nur um vielleicht etwas Beute oder ein paar Überreste abzuknöpfen. Um dann zügig wieder in unbekannte Wälder zu verschwinden, ohne auch nur irgendjemandes Aufmerksamkeit zu erregen. Wie jetzt zum Beispiel. Hier in diesem viel zu ruhigen, aber zumindest einsamen Wald. Doch wenn ich wirklich gedacht hatte, bei meinem Verschwinden niemandem aufgefallen zu sein, war ich anscheinend doch mit mehr Optimismus ausgezeichnet als gedacht.
      Meine Ohren zuckten überrascht auf, als ein Ruf durch die Baumgruppen hallte. Gleich darauf noch einer. Und… ein weiterer. Ich seufzte. Natürlich erkannte ich sie. Die Stimme, die dort so hörbar aufgewühlt meine Hoffnung auf Einsamkeit zersprengte.
      Ich versuchte, einfach weiterzugehen – die Rufe zu ignorieren. Es würde schon aufhören. Sie würde es aufgeben – es sein lassen und mich irgendwann vergessen, wenn ich mich nur lang genug nicht blicken ließe. Ich brauchte mir keine Sorgen zu machen. Sie und Posy werden mich früher oder später aus den Augen verlieren. Das Nebelrudel hat sie nun unter die Fittiche genommen. Das wird sie ablenken.
      Ich glaube, ich hatte noch nie derart viele zuversichtliche Gedanken auf einmal. Und ich wünschte ehrlich, ich hätte sie mir erspart. Denn kurz darauf führten mich meine Pfoten – leider nicht ganz so lautlos wie erforderlich – durch ein enges Gestrüpp und siehe da, was sich mir präsentierte: Ein gräuliches Häufchen Elend, kümmerlich unter einem der Bäume kauernd.
      Beinahe hätte ich aufgelacht. Wegen mir und meiner ach so unbesorgten Zuversicht. So schnell verflog also dieser tolle Plan mit dem „Vergessen“ und „nicht blicken lassen“.

    • Jabez hat einen neuen Beitrag "Rudelplatz" geschrieben. 11.12.2022

      Zugegebenermaßen wurde mir all dies ein wenig zu privat. Ehrlich, so viel Internes wollte ich über irgendein wildfremdes Rudel gar nicht erfahren und es verursachte mir bereits einen dicken Brummschädel, all dem bloß zuzuhören. Zumindest erinnerte es mich an einen weiteren Grund, wieso ich mir das Rudelleben schön vom Leib hielt: zu viel Drama, zu viel Mühsal. Und im Grunde zu viel von allem, was irgendein Sozialsein voraussetzte.
      Ich entzog mich der Situation zur geeigneten Zeit und hoffte, dass die beschäftigte, viel um die Ohren habende Sphäre gut genug von mir und meinem Verschwinden ablenkte.

      Leuchtwald – Freie Gebiete

    • Jabez hat einen neuen Beitrag "Rudelplatz" geschrieben. 04.08.2022

      Saphirhöhle – Freie Gebiete

      Man musste schon zugeben: Das Gebiet, in das uns dieser Cupo geführt hatte, war nicht... schlecht. Angenehme Ruhe und gemütliche Harmonie setzten mit einem Mal ein, als wir die markierte Rudelgrenze passierten. Oder auch nicht. Denn im Nachhinein wusste ich nicht mehr so recht, ob es von der Geräuschkulisse her tatsächlich so viel anders war, als im freien Land davor. Oder ob mir viel eher die neuartige Atmosphäre des Territoriums das Gespinst vorgaukelte, wie in einer abgeschotteten Welt zu sein. Dem kam es nämlich schon ziemlich nahe.
      Hagere Sonnenstrahlen stachen durch das Blätterdach, schienen die charmantesten Fleckchen des Waldes zu betonen – und sobald sich der Blick hob, konnte man fast schon träumend beobachten, wie hohe Bäume sich bei jedem dezenten Hauch flüsternd an den Kronen kitzelten. Genauso wie der Geruch reichlicher Beute an meiner Nase kitzelte.
      Nicht, dass ich bereits drauf und dran gewesen wäre, es mir hier gleich häuslich einzurichten. Die unsichtbaren, freiheitseinschränkenden Felswände waren für meine Streunerseele noch immer deutlich spürbar und ein arger Kloß im Magen. Trotz schönen Reviers, konnte es eben nicht von derselben Unabhängigkeit sprechen, die ich im Niemandsland ausschöpfen durfte. Und diese war unentbehrlich.

      Teilnahmslos und eher befremdlich sah ich dabei zu, wie Cupo bei unserer Ankunft am scheinbaren Rudelplatz etwas holprig sein Gejaule in der Luft verhallen ließ. Hörte sich eher danach an, als würde er mühselig seine Stimmbänder freibekommen wollen. Wahrscheinlicher war aber wohl, dass er seine Rudelkumpanen herbeizurufen versuchte. Was ich persönlich nicht hoffen wollte.
      Ich hatte eher weniger im Sinn, gleich einer ganzen Horde an Rudelanhängern zu begegnen. Im Grunde hatte ich mich bloß etwas im Revier umsehen wollen. @Edme und @Posy hingegen würden vermutlich jeden der Fremden prompt zu ihren Freunden machen wollen – mit wedelnder Rute und quiekendem Entzücken. Bis dahin wollte ich nicht einmal denken.
      Ich ließ meinen Blick hinauf zu den emporragenden Baumwipfeln treiben.
      „Gemütlich“ , meinte ich nach Cupos anfangs stolperndem Heulen, wusste jedoch selbst nicht recht, ob ich dabei einen unernsten Ton mitschwingen lassen wollte. Normalerweise wäre das für meine Verhältnisse wohl absolut üblich gewesen. Doch irgendwie war das Territorium dieser Nebelwölfe tatsächlich zusagender, als gedacht, und wohlig fühlte man sich allemal – wenn man es nicht ausgerechnet als Rudelgebiet betrachtete.

    • Jabez hat einen neuen Beitrag "Die Saphir Höhle" geschrieben. 29.07.2022

      Edmes Freude – von der sie wirklich eine Menge hatte – ließ ich meinerseits ungeteilt und schleppte mich hinter Cupo voran zum Höhlenausgang. Um die beiden Herzensfreundinnen dahinten musste man sich sicher keine Gedanken machen, dass sie nicht mitkamen. Die klebten ja förmlich an der Idee eines Rudels. Während mein Kopf noch immer in der Hoffnung schwelgte, dass sich der anstehende Weg nicht als zu anstrengend herausstellte.

      Rudelplatz – Nebelrudel

    • Jabez hat einen neuen Beitrag "Die Saphir Höhle" geschrieben. 16.02.2022

      Verzeihung, sprach ich in Verschlüsselungen? Eigentlich hatte ich geglaubt, dass "Nicht zu sehr auf die Pelle rücken" so etwas bedeutete, reichliche Menge an Distanz zu halten und vor allem nicht lästig zu werden. In den Ohren von Edme und Posy schien dies wohl fremd.
      Das muss jetzt echt nicht sein, dachte ich bedrängt und war umso erleichterter, dass alles Augenmerk zu Cupo und seinem plötzlichen Panikanfall schwenkte. Meine Ohren zuckten verblüfft.
      So mies bin ich nicht einmal dran.
      Mich überkam der Drang, jemandem einen belustigten Blick zuzuwerfen. Berührungsängste – woran erinnerte mich das wohl. Doch fiel mir auf, dass keiner der Wölfe den anspielenden Witz dahinter verstehen würde. Mija hätte es. Stattdessen war mein vergnügtes Schmunzeln nichts als eine kontextlose Geste.

      „Du würdest uns ernsthaft in euer Revier bringen?“ Ich war ehrlich überrascht, auch wenn mein Ton mehr Skepsis als Verblüffung hören ließ. Weil er es von Natur aus tat.
      Dass Edme gleich fröhlich zustimmte, war beinahe schon traurig. Wie konnte man bloß derart verzweifelt sein. Geblendet von der Sehnsucht nach einem Rudel. Als gäbe es ohne dieses kein Leben. Erst der Wunsch nach Freundschaft, dann das Sehnen nach einem Rudel – sie hatte wahrhaftig irgendwelche Angstkomplexe. Monophobie oder was weiß ich. Und Posy wollte scheinbar nicht anders sein, als auch sie nicht zögerte, um mit ebenso enormer Freude zu reagieren.
      Ich musste mich ehrlich zurückdrängen, nicht gleich etwas hochzuwürgen. Peinlich, wie einem ein unabhängiges Leben derart egal sein konnte. Man konnte auch gut ein Leben ohne Rudel führen. Aber ein Rudel erleichtert es..., hallten mir allzu bekannte Worte in den Kopf.
      Oh nein. Auf gar keinen Fall. Das Letzte, was ich brauchte, war eine Vergangenheit, die mich in die Irre führen wollte.
      Das eine Mal in einem Rudel sollte auch das erste und letzte Mal bleiben. Damals war es eine Zwangslage gewesen, eine kleine Stütze, um den unbarmherzigen Winter über auf den Pfoten zu bleiben. Zugegeben, es war einfacher gewesen, den Schnee des Winters zu genießen, statt ihn als Qual anzusehen. Doch selbst das hatte mich nicht weiter halten wollen. Ein Rudel war kein Leben für mich. In einer Hierarchie festzustecken, auf jemanden hören, der nicht du selbst bist. Und von Artgenossen, die ich nicht leiden kann, mit denen ich jedoch trotzdem denselben Boden teilen muss, brauchte ich erst gar nicht anzufangen.
      Ich wollte nie wieder einem Rudel angehören, einerlei für wie lange. Sei es nur für einen Mond. Sei es für einen Tag.
      Aber vielleicht musste ich das auch gar nicht.
      Posys überredende Erzählungen drangen intensiver an meine Ohren, als mir vermutlich lieb war. Ihre Worte von Wiesen und Wäldern, unentdecktem Boden; und als wäre das nicht genug, mischte sich auch gleich Cupos vorige Erzählung in meinen Kopf – vom dichten Nebel, der alles in ihrem Gebiet so wundervoll verhüllte.
      Sich ein Revier anzuschauen, heißt schließlich noch lange nicht, direkt dazuzugehören.

      „Wie oft hat man schon die Chance, von einem Rudel eingeladen zu werden.“ Stimmt – und wie oft hat man schon die Chance, Schlupflöcher in einem Revier ausfindig machen zu dürfen. Ecken und Nischen, die vielleicht nicht allzu regelmäßig patrouilliert werden. Ecken und Nischen, die einen im dichten Nebel hervorragend verdeckt hielten. Ecken und Nischen, die missachtete Beute erhaschen ließen.
      Meine Pfoten kribbelten aufgeregt. Doch diese Aufregung war definitiv anders, als die die in den beiden Wölfinnen perlte.
      „Wenn's sein muss“, ich zuckte mit den Schultern, als wäre es mir einerlei.
      Ja, ich würde mitkommen. Nur um die Sache mit dem Bleiben stand es wohl etwas anders.
      Zumindest ein kleines Bild vom Nebelgebiet würde ich mir machen; schauen, wo sich ein Stück Pelz wie ich am ehesten unentdeckt aufhalten konnte. Je nachdem wie die Beute war, natürlich. Meistens war diese auf Rudelerde schließlich besser als im konkurrierenden Niemandsland.
      Eine gewisse Ironie war es schon. Ich würde es hinnehmen, in ein Territorium einzudringen und mit etwas Pech den Groll eines Rudels auf mich zu hetzen, aber selbst dazuzugehören und mir all den Ärger zu sparen, würde ich nie. Das war es mir einfach nicht wert.
      „Ich hoffe, es ist kein weiter Weg bis zu deinem Rudel.“ Nicht, dass ich jammern wollte, aber bei dem Gedanken an eine lange Wanderung wollten meine Pfoten schon jetzt lieber Rast machen.

    • Jabez hat einen neuen Beitrag "Die Saphir Höhle" geschrieben. 01.02.2022

      Ich stutzte bei Edmes Entschuldigung und zog verwundert die Augenbrauen hoch. Ich empfand das keinesfalls als Verlust. Im Gegenteil, es kam mir und meinem unabhängigen Leben nur zugute. Wenn ich mir vorstellte, jemanden die gesamte Zeit über im Schlepptau zu haben, während meine Pfoten mit Stehlen fremder Beute beschäftigt sind, konnte ich wunderbar darauf verzichten.
      Edme scheinbar weniger. Ich konnte mir denken, dass sie bedeutsamen Wert auf enge Bekanntschaften legte, aber dass sie derart beständig darauf beharrte, einem Fremden zu untermauern, welch zuversichtliche Wirkung Freundschaften entfalten können, erstaunte mich durchaus.
      Haben ihr Freundschaften so sehr das Hirn verkohlt?
      Und als hätte man mich nicht noch mehr in meiner Verwunderung haften lassen können, dachte Edme doch ernsthaft, mich mit aller Einfühlsamkeit wohlwollend anstupsen zu müssen. Wie eine Art Trostgeste – die ich nicht einmal brauchte.
      „Himmel, dir sind Freundschaften ja echt wichtig.“ Vielleicht ein Stückchen zu sehr. Ich zog die Schnauze etwas weg. Ich brauchte weder Trost, noch Bedauern. Nur, weil ich keine Freunde hatte und wollte.
      Dass Posy auch gleich munter zustimmte, war beinahe schon vorherzusehen. Nur ihre letzte Anmerkung verblüffte mich innerlich. Unerwartet stellte ich die Ohren auf.
      Lockerer?, dachte ich wundernd und ließ ihren kumpelhaften Hieb unbewegt an mir abprallen. Ich- ich bin doch locker! Ich bin der lockerste Typ, den ich kenne.
      Bloß, weil ich keine engen Bekanntschaften gebrauchen konnte, hieß es doch nicht, dass ich verklemmt und trocken war. Ich blieb nur gerne meiner Unabhängigkeit treu.
      Diesmal ließ ich diese allerdings tatsächlich kalt liegen. Allerdings bloß, um diesem viel zu wohlmeinenden Drängeln zu entkommen.
      „Bei Luna – wenn es euch glücklich macht...“, hörte ich mich trotz mattem Ton sagen, auch wenn mir die beiden ein Stück zu weit darauf beharrten, mir unbedingt eine Freundschaft aufzudrängen. „Solange ihr mir nicht allzu sehr auf die Pelle rückt.“
      Es war schließlich schon bitter genug, dass ich doch tatsächlich bemitleidet wurde. Ich war der Letzte, der so etwas brauchte.
      „Nur um die Sache klarzustellen: Ich mag Alleinsein.“ Und genau das wäre mir im Moment auch sogar lieber gewesen.

    • Jabez hat einen neuen Beitrag "Die Saphir Höhle" geschrieben. 24.01.2022

      Dass die Aufmerksamkeit der anderen wieder zu Cupos allzu liebem Nebelrudel schwenkte, war mir nur recht. Mein Interesse für irgendwelche Rudel war genauso gering wie das, welches ich für Bekanntschaften pflegte. Und doch konnte ich meine Ohren nicht davon abhalten, ein wenig mitzuhören.
      Cupos Erzählung über sein Rudel war wirklich detailliert und ich fragte mich, ob er sich bewusst war, wieviel er gerade ans Licht brachte. Nun gut, im Grunde ist er bloß auf Posys Fragen eingegangen, doch hätte ich nicht erwartet, dass ein Rudelwolf tatsächlich derart offen und recht ausführlich über sein Territorium sprach.
      Meine Gedanken blieben in erster Linie besonders an der Betonung des dichten Nebels hängen. Einen Wolf würde man also auch nicht so schnell sehen können, schloss ich daraus, natürlich nicht völlig ohne Hintergedanken.
      Edme sprach mich erneut an und diese verborgene Absicht verflog für einen Moment.
      „Ich brauche sie einfach nicht. Ich bin immer gut ohne Freunde klargekommen. Wieso sollte ich das jetzt also ändern?“, fragte ich schulterzuckend, erwartete jedoch keine Antwort.
      „Ich-“ ...finde Freundschaften nutzlos und nichts als belastend, dachte ich meinen Satz zuende, schluckte ihn jedoch sogleich hinunter als mein Blick Edmes graue Augen fand. Wow, ich brachte es echt nicht übers Herz.
      Jeder hatte nun mal seine eigenen Ansichten, was Freundschaften anbelangte. Und ihre waren eben so viel anders als meine. So viel... positiver. Für sie schien es wohl eine Art Anker zu sein, ein Anker gegen Einsamkeit. Wieso sollte ich ihr dieses Bild nun schlechtreden.
      „Ich bin für so etwas einfach nicht gemacht“, endete ich stattdessen, als wäre es eine Grundwahrheit wie die Existenz von Sonne & Mond. Etwas, das fix war – das sich auch mit aller Glaubenskraft nicht ändern ließ.

    • Jabez hat einen neuen Beitrag "Die Saphir Höhle" geschrieben. 22.01.2022

      Ich glaubte eine gewisse Zufriedenheit in Posys Stimme herauszuhören und selbst wenn ich es nicht getan hätte, konnte ich mir denken, dass diese da war. Und genau das machte die Lage bloß widriger für mich. Denn nun hatte ich tatsächlich irgendwelche Wölfe am Hals, die begnügt glaubten, einen neuen Freund gewonnen zu haben.
      Ich konnte regelrecht spüren, wie mein Diebesherz mich über alle Sterne auslachte. Wie konnte eine Situation bloß eine solch massive Wendung nehmen?
      Mein Ohr zuckte bei Posys frechem Flüstern. Dass die beiden mich nun als Grobian bezeichneten, fehlte mir gerade noch.
      „Das nehme ich jetzt persönlich“, murrte ich ernster als ich es in Wirklichkeit meinte.
      Zwei Wölfinnen wie diesen hier war ich noch nie begegnet. Derart entgegenkommend, beharrlich und gleichzeitig zutiefst nervtötend. Und doch musste ich zugeben, dass die beiden merklich ein Herz und eine Seele waren. Sie harmonierten gut zusammen, ergänzten sich wie Schwestern. Als wären sie einander nie fern gewesen. Nicht, dass ich dadurch Sympathie für Freundschaften ergatterte. Ich hing noch immer hartnäckig an meiner Meinung, dass ich solche Bindungen nicht brauchte und ohne sie mindestens ebenso gut dran war.

      Ich konnte mir ein amüsiertes Schmunzeln durchaus nicht verkneifen, als Edme vergnügt gluckste. Angsthasen hatten also nicht nur gewissen Rückgrat, sondern auch Humor.
      Ich lauschte ihrem sowie Posys Versprechen und obwohl ich überraschend wenig an der Aufrichtigkeit ihrer Worte zweifelte, witterte ich, dass das keinesfalls gut enden konnte. Ich war einfach nicht der Typ für irgendwelche Relationen. So wie ich mich kannte, würde ich innerhalb kürzester Zeit entweder jemanden enttäuschen oder verraten. Aus Gründen, die ich im Moment noch nicht kannte, die aber zweifellos von Egoismus getrieben sein würden. Einfach, weil ich so war. Weil meine Sinne sich daran gewöhnt hatten.
      Ich konnte noch nicht sagen, ob mir diese mögliche Enttäuschung für die beiden wirklich leidtat. Größtenteils würde eben mein Wesen Schuld daran tragen, andererseits waren es Posy & Edme selbst gewesen, die unbedingt eine Freundschaft mit mir aufbauen wollten. Gewissermaßen haben sie selbst den Gang zu einer vermutlich unehrlichen Freundschaft geöffnet. Mit Verrat und Enttäuschung.
      Ich weiß, das hätten die beiden nicht verdient, doch konnte ich nicht versprechen, dass es nicht auf genau diese flaue Weise enden würde.
      Allerdings glaubte ich, die zwei Wölfinnen würden vermutlich schnell über mich hinwegkommen, sollte ich tatsächlich diesen scheinbaren Glanz der Freundschaft für die zwei ruinieren. Denn mich als 'Freund' zu haben; damit gewinnt man im Grunde nicht das Geringste – und verliert dementsprechend auch nichts. Man würde mich schneller vergessen als einen am Morgen verblassten Traumschimmer.

    • Jabez hat einen neuen Beitrag "Die Saphir Höhle" geschrieben. 22.01.2022

      Mein Argwohn schwand nicht. Eher trugen Posys Worte dazu bei, dass sich meine Schnauze erst recht verschließen wollte und viel lieber nie wieder gesprochen hätte, als ihr nun meinen Namen zu verraten. Ihrem frechen Lächeln gegenüber begegnete ich bloß mit einem ungläubigen Blick.
      Nicht einmal ihr vermeintlich ehrlicher Meinungsumschwung konnte diese Unruhe in mir entknoten. Ich hielt mich mit meinem Namen noch immer zurück, unüberzeugt von Posys Versprechen. Wenn ich nicht darauf einging oder ein aus dem Nichts gegriffenes Thema anschnitt, hätte ich mich vielleicht aus der Situation herauswinden können.
      Doch war damit garantiert, dass mich diese übermotivierte, beige Wölfin auch in Ruhe ließ? Eher schien sie mir, als würde sie sich erst recht den Nerven anderer aufdrängen, sobald sie nicht die Antwort bekam, die sie zufriedenstellte. Und das so lange, bis sie ihren Willen durchsetzen konnte.
      Mein Inneres haderte mit sich selbst. Entweder würde mich Posy nerven oder... sie würde mich noch mehr nerven. Ich hatte die Wahl – doch danach fühlte es sich ganz und gar nicht an.
      In was habe ich mich hier bloß verstrickt? In irgendwelche Beziehungen, die ich überhaupt nicht im Auge hatte! Dabei wollte ich die Wölfe doch nur aus dieser bequemen Höhle vertreiben.
      Als Edme herbeirobbte, war ich sichtbar überrascht. Ich hätte niemals gedacht, dass sie mich beschimpfen würde. Und auch wenn meine Sturheit sich nicht wirklich von ihren Worten überzeugen lassen wollte, ahnte ich, dass die zwei mir einfach nicht meinen Frieden bewahren würden.
      Mir entfuhr ein hörbar unzufriedenes Seufzen.
      „Ich heiße Jabez“, murmelte ich schließlich knapp, verkniff es mir diesmal jedoch, zusätzlich meinen Spitznamen zu nennen. Vorsichtshalber hielt ich die Umstände auf einer möglichst distanzierten Ebene. Denn Freunde waren wir meiner Ansicht nach nicht. Da konnte mir Edme oder sonst wer gerne mehr Erkenntnis und Weisheit einreden. Es würde ungerührt an meinen Ohren abprallen. In solchen Fällen ließ sich meine einsame Verbissenheit ungerne etwas sagen.

    • Jabez hat einen neuen Beitrag "Die Saphir Höhle" geschrieben. 22.01.2022

      Perplex sah ich zu, wie Posy an meine Seite trat und mir einen kumpelhaften Rempler verpasste. Ich blickte sie von der Seite aus an und brachte aus Prinzip ein wenig mehr Abstand zwischen uns. Vor allem als sie mich mit meinem Tabuwort 'Freund' ansprach, versuchte auch mein Körper verstehen zu geben, dass ich auf dieses Freundschaftsangebot nicht eingehen und lieber Distanz walten lassen würde.
      „Warte, das ist eine Falle“, meldete sich sogleich mein Argwohn bei ihrer Frage und ich versuchte Posys Blick aufzufangen. Sie wollte meinen Namen doch jetzt bestimmt nur wissen, um zumindest diese Barriere zur Freundschaft zu überwinden. Damit sie es als Grund sehen kann, mich bereits als ein Stück mehr Kumpel betrachten zu können.
      „Versprich mir, dass du uns nicht 'Freunde' nennst, sobald ihr meinen Namen wisst.“ Mein Blick ging von Posy ebenso zu Edme herüber. Das Letzte, was ich wollte, war eine Truppe sozial-motivierter Wölfe, die überall ausposaunte, welch tolle Freunde wir doch seien – obwohl es nicht einmal stimmte! Und genauso wenig wollte ich, dass sie sich an mich klebten. Freunde verbrachten schließlich Zeit miteinander, waren für einen da und schwafelten über jeden Irrsinn. Das sollte mir möglichst erspart bleiben.

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