Ich nickte Takeo dankbar zu und wendete mich an meine Tochter. Gut. Wir graben jetzt ein Loch, in das Mama passt, erklärte ich ihr. Als ich Pfoten hinter uns hörte, drehte ich mich genauso wie Ekki um. Mit neutralem, aber ernsten Blick betrachtete ich Kito und schließlich Marek.

Als ich Ekkis Blick sah beugte ich mich kurz, sah ihr in die Augen und nickte dann. Verdammt, verdammt, VERDAMMT! Das hab ich jetzt vergessen! Zum Glück standen wir weit genug weg, dass sie mich nicht hörten, wenn ich zu Marek sprach. "Ach übrigens. Falls du jemanden die Schuld geben möchtest, dass Dash hier ist, dann mir. Ich habe ihn gebeten mitzukommen, da Ekxan ihn gerade braucht." raunte ich leise meinem Alpha zu.

Meine Ohren zuckten, als ich Mareks Worte vernahm. Ich ihn? Wohl eher er Dash.., glitt mir durch den Kopf, als ich auch schon von Papas Erklärung abgelenkt wurde. Noch einmal sah ich zu Marek zurück, ehe ich Dash kurz meine Nase an die Schulter drückte. Soll ich dir helfen Papa?, fragte ich etwas unbeholfen. Es war so fremd für mich, Mama bewegungslos neben mir liegen zu haben.. ihren Geruch wahrzunehmen und doch zu wissen, dass sie fort war. Und gleichzeitig war ich angespannt. Zwischen Papa und Marek war irgendwas vorgefallen, doch keiner erklärte sich. Ich hasse es, unwissend zu sein, rutschte es schneller aus meiner Schnauze, als ich nachdenken konnte. Schlagartig schloss ich mein Maul wieder, um nicht noch einmal meine Gedanken laut auszusprechen.

Ich lies unkommentiert mein Blick wieder zu Boden gleiten und fing an zu graben. Das wäre nett, Ekki, brummte ich und grub weiter. Bei ihren Worten legten sich meine Ohren schlagartig an, doch wendete ich meinen Blick nicht meiner Tätigkeit vor mir ab. Ich werde das Rudel verlassen, raunte ich leise, sodass es nur die umstehenden hören konnten. War es wirklich die richtige Entscheidung? Sollte ich meine Welpen mit mir nehmen? Nein, sie waren alt genug selbst zu entscheiden..

Ich begann gegenüber der beiden zu graben. Bedacht und ruhig, während ich zuhöhrte. Ich könnte mir das Rudel ohne ihn nicht vorstellen. Für mich machte Kolja eindeutig das Rudel mehr aus, als Marek, was vielleicht daran lag, dass ich mit Kolja zusammen mehr oder weniger gefangen war. Wir waren zwar nicht beieinander, aber wenigstens hatten wir in der Hinsicht das gleiche Schicksal geteilt.

Unbewusst drückte ich meine Seite näher an Dash heran, bevor ich Papa zunickte. Abermals ging ein Blick gen Marek, um mich zu vergewissern, dass er Dash nichts tun würde, als Papas leise Worte an meine Ohren drangen. Verwirrt sah ich ihn an, beobachtete ihn, wie die ersten Erdbrocken flogen. Wie.. Wie kommt das auf einmal? War meine Stimme einen Tick höher als sonst? Dabei hatte ich wirklich versucht, möglichst ruhig zu klingen und meine Verwirrung nicht in meine Stimme mit einfließen zu lassen.

Unbeirrt weiter buddelnd, vermied ich den Blickkontakt zu Ekki und den anderen. Ich.. Sagen wir mal so, ich und ein guter Freund sind zu dem Entschluss gekommen, dass es besser wäre, wenn ich das Rudel verlasse, erklärte ich. Zumal mich alles hier an deine Mutter erinnert.

Langsam nahm die Grube Form an und schien auch inzwischen für Nalanis Körper ausreichend Platz zu finden. Ich fand die Tradition irgendwie schön. Da wo ich her kam, gab es so etwas nicht. Wer verstarb war zu schwach gewesen und hatte keine Ehre verdient, das hatte der Wicht, der sich mein Vater schimpfte mir immer wieder verklickern wollen. Doch viel Muße, darüber nachzudenken hatte ich nicht, dafür ging mir die Gefahr, die dem Rudel drohte zu nahe. Ich wollte aufachreien. Irgendwas tuen, um die Lage zu ändern. Marek dazu zu bringen, aufzuwachen, doch ich wollte Ekki und Kolja nicht den Moment des Abschieds nehmen. Ich packte den kalten Körper wieder an und gab Kolja einen Blick, dass wir sie herab lassen konnten.

(Ja, die Schlaflosigkeit lässt mich nicht in Ruh')

Stumm stand ich neben Ekki und versuchte ihr eine Stütze zu sein. Sonst ging alles an mir vorbei. Ich sah den Körper ihrer Mutter nur nebenbei, beobachtete halb wie eine Grube gegraben wurde und fragte mich wozu. Ich hatte noch nie erlebt wie jemand bestattet wurde. Gut, ich hätte mir aus Koljas Erzählung nun zusammenreimen können wozu das gut war, doch meine Gedanken konzentrierten sich auf völlig andere Themen. Zwei um genau zu sein. Ekki und Billy. Um beide machte ich mir Sorgen. Bei ersterer musste und wollte ich bleiben um ihr zu helfen und nach letzterem musste und wollte ich bald wieder sehen. Ich wünschte mir plötzlich mich teilen zu können. Ich musste doch auf meinen Bruder achten und ihm eine Familie geben, doch zugleich musste ich Ekki unterstützen und ihr zeigen das sie nicht alleine war.

Langsam wich die Verwirrung einem Zustand, der mich nicht mal mehr die Pfoten heben ließ, obwohl ich Papa eigentlich helfen wollte. Aber.. aber was wird dann aus uns?, fragte ich und meine Ohren drehten sich nach hinten. Wollte er uns auch verlassen? Tränen sammelten sich in meinen Augen. Was sollte ich denn dann machen? Von meiner Familie waren doch nur noch Papa und Pell übrig. Als Takeo kam und Mama anhob, sah ich zu ihm rüber. Stumpf. Leer. Besser war mein Zustand wohl gerade nicht zu beschreiben. Mechanisch trat ich einen Schritt zurück, um Mamas Körper Platz zu machen. Ob uns Marek dann überhaupt noch dulden würde? Immerhin waren wir mit Dash befreundet. Was würde aus meiner Freundschaft zu Dash werden? Papa war dann ja nicht mehr da, um uns zu beschützen! Mein Atem ging hektischer und meine Augen brannten vor unvergossenen Tränen, während sich die Panik langsam in mir breit machte, die sich auch schon am See gezeigt hatte.

Ich seufzte als ich aufhörte zu graben und endlich meine Tochter an sah. Genau diese Frage hatte ich befürchtet. Ihr könnt mich begleiten, sprach ich und lächelte leicht, aufmunternd. Aber ich würde euch lieber hier in Sicherheit wissen. Es war mein voller Ernst. Ich mochte mich mit Marek zerstritten haben, mochte ihm unterstellt haben, dass er sich nicht für das Rudel interessiert und ihm gar nicht mehr vertraut, doch traute ich dem Rudel. Es hatte schon so einiges durchgemacht, wuchs an Mitgliedern und an sich selber und war ein fester Verbund. Meine Welpen waren hier sicher. Ich half Takeo dabei, den Leichnam in die Grube zu verfrachten bevor ich meinen Kopf wieder erhob und alle in der Runde ansprach, auch Basta, Kito und Marek. Ihr könnt euch ein letztes Mal verabschieden, verkündete ich und sah schließlich Dash an. Du auch, wenn du das möchtest.

Ich schüttelte leicht den Kopf. Das ist eure Beerdigung. Ich will nicht stören... Besorgt sah ich Ekki an. Ihr Atemrhytmus hatte sich verändert und ihr Blick schien nicht mehr klar. Ekki? Ekki alles gut? Hörst du mich? Ich versuchte ihr in die Augen zu sehen.