Nach wie vor zitterte mein Körper unkontrolliert, wobei es manchmal zu versiegen schien, nur um mich gleich darauf noch stärker zu erbeben. Und auch wenn es hier wahrlich nicht mehr so schlimm war, tat der eisige Wind sein übriges und festigte die Kälte in mir. Auch meine Gedanken blieben träge und die Worte flossen umso ehrlicher aus mir heraus, ohne, dass ich auch nur über ihren Inhalt nachdachte: "Also.. würdest du dich auch so fühlen als wäre ein Teil deines Herzens gestorben?", fragte ich schläfrig, nur im nächsten Moment schon wieder etwas wacher zu werden. Für einen kurzen Moment blitzte sowas Empörung in meinen grünen Irden auf und ich grummelte leise: "Ich mach das doch nicht mit Absicht!"

Ich war sprachlos. Kobalt war direkt und ehrlich und dennoch fühlte ich mich völlig überrumpelt. Leicht begann ich an ihrem Ohr zu knabbern und grinste dabei zufrieden. "Ja", gab ich ihr als Antwort und sah sie zärtlich an. "Es wäre unerträglich." Sanft drückte ich meine Schnauze an ihre Wange, nur um im nächsten Moment zusammen zu fahren, als sie meinen Kommentar ganz eindeutig als Neckerei auffasste. Jedenfalls war da kein schlechtes Gewissen mehr in ihren Augen, sondern blanke Empörung. Ein Anblick, der mich glucksen ließ. "Das nicht, aber du hast trotzdem eindeutig ein Talent dafür", gab ich zurück und streckte ihr leicht die Zunge raus. Das Beben ihrer Flanken hatte ich ebenfalls wahrgenommen und es ließ mich zur Höhle sehen. "Wollen wir uns lieber an einen windstilleren Ort begeben? Du erfrierst mir hier noch. Und dafür habe ich dich nun wahrlich nicht zurückgeschleppt." Schalk blitzte in meinen Augen und ich grinste selbstgefällig.

Überrascht hielt ich inne - nur eines meiner Ohren zuckte sanft unter der leichten Berührung. Auch mein Herz geriet kurzzeitig ins Stolpern - mal wieder, wie sollte es auch anders sein? - als ich mich der Bedeutung hinter Jives Worten bewusst wurde. Konnte es wirklich sein... dass er genauso fühle wie ich? Das sein eigenes Herz ebenfalls unnatürlich laut schlug, sobald ich in seiner Nähe war? Vorsichtig schielte ich zu seinem Kopf hinüber und begegnete seinen Augen in denen deutlich der Schalk stand. "Das Talent trage ich aber auch mit Stolz!", gab ich mit zitternder Stimme zurück und ignorierte mein schnell schlagendes Herz, welches mal wieder viel zu schnell in meiner Brust schlug. Doch auf seine letzte Frage nickte ich nur - mir war bitter kalt und mit seiner Aussage hatte er wahrscheinlich Recht. Dann... hätte er mich gar nicht erst suchen brauchen.

Ein Blick in ihre grünen Opale und mein Herz stolperte erneut über das Bauchkribbeln, welches sich in mir breitmachte und mich strahlen ließ. Ihr Konter war nicht schlecht und ich beschloss, dass ich es erstmal dabei beließ. Vorsichtig erhob ich mich, ignorierte das Protestieren meiner Muskeln, die sich kraftlos und schlapp anfühlten. Ich sah Kobalt auffordernd an und schlüpfte dann in die kleine Höhle unterhalb der Wurzeln. Es war dunkel, aber so wie ich angenommen hatte, windstill und wesentlich wärmer als draußen im eiskalten Schnee. Die Höhle war recht winzig. Ich beschloss, dass ich mich lieber direkt an die Wand legen würde, falls auch der Rest des Rudels das warme Quartier nutzen wollte. Meinen Kopf bettete ich auf meinen Pfoten, während ich auf Kobalt wartete. Eine tiefe Müdigkeit übermahnte mich. Ich versuchte noch wach zu bleiben, um auf sie zu warten, doch viel zu schnell versank ich in einem tiefen, traumlosen Schlaf, der zumindest Erholung versprach.

Meine Augen ruhten auf Jive bis dieser, wie es schien, von der Erde verschluckt wurde. Erst dann mühte ich mich auf meine Pfoten, die durch die längere Pause, immerhin mein Gewicht fürs erste trugen. Nichts desto trotz zitterten sie nicht nur vor Kälte, sondern auch von der Erschöpfung und Kraftlosigkeit, die mich heute überfallen hatte. Langsam schlurfte ich zum Höhleneingang hinüber und doch konnte ich es nicht lassen mich nach meiner Familie umzudrehen. Erst, nachdem ich mich vergewissert hatte, dass Papa da war, folgte ich Jive in den trockenen Unterschlupf - Nero hatte ich nicht bemerkt. Die Dunkelheit verschluckte mich und ich schleppte mich förmlich zu meinem besten Freund hinüber. Dicht neben ihm rollte ich mich schlussendlich zu einer kleinen Kugel zusammen und presste meinen Rücken dabei gegen seinen warmen Körper. Nur ein paar Sekunden später zog der Schlaf mich in seine Tiefen und ganz langsam versiegte auch das Zittern.

Mir war kalt und immer wieder musstd ich den Kopf wegdrehen, wenn ich husten musste, doch ich blieb liegen wo ich war, denn ich musste versuchen meine Söhne abzuschirmen. Ich hatte das Bedürfnis aufzuspringen und nach Kobalt zu suchen, aber ich konnte auch Fenris und Nero nicht alleine lassen. Seit vielen Monaten glitten meine Gedanken zum ersten Mal wieder zu alten Zeiten zurück, zu Marco, meinen geliebten kleinen Bruder. Marco an dessem Tod ich Schuld trug, Marco von dem ich neben meinem gleichnamigen Begleiter einzig Fria einst erzählt hatte. Was musst du jetzt von mir denken? Es tut mir leid. Ich hörte Neros dünne Stimme gegen den Wind und legte meinem Kopf auf seinen dünnen Rücken. Schsch, ich weiß, mein kleiner Schneekönig. Ich hatte einige Vorräte, aber die lagen unter dem Busch hinter unserer Kuhle und ich konnte sie nicht erreichen, während ich die Zwillinge deckte und Marco rauszuschicken wäre viel zu gefährlich.

Nikko:

(Wäldchen —>)

Immer noch humpelnd folgte ich dem Rüden (Kibo) weiter. Ich hatte ihn durch den Schnee aus den Augen verloren, aber seiner Geruchsspur konnte ich, wenn auch langsam, folgen. Ich gab einen überraschten Laut von mir, als ich den grau-weißen Rüden plötzlich ausgestreckt und mit flachem Atem im Schnee liegen sah. Ich humpelte schneller auf ihn zu und stupste ihn mit der Schnauze an. Keine Zeit für Pausen. Ich versuchte ihn durch Anstupsen dazu zu bringen, wieder aufzustehen und weiterzugehen. Komm schon, weiter geht‘s. Ich konnte es ihm allerdings nicht verübeln. Meine Beine zitterten vor Anstrengung, ich war ebenfalls erschöpft und wollte mich eigentlich nur zusammenrollen und tausend Jahre schlafen.

Was um mich herum geschah, bekam ich fast nicht mit. Nikko's Worte waren wie ein dumpfes Rauschen. Meine Glieder waren steif vor Kälte. Doch mit einem Mal verschwand diese und eine wohlige Wärme machte sich in mir breit. Einige Meter vor mir sah ich eine Schneeweiße Fähe, um deren Beine vier kleine Welpen purzelten. Kaala! rief ich, doch sie schien mich nicht zu hören. Ich wollte aufstehen und zu ihr laufen, mit den Kleinen spielen und mich dicht an meine Gefährtin kuscheln. Mein Körper weigerte sich jedoch. Verzweifelt versuchte ich mich zu bewegen, doch nichts geschah. Ich winselte , jaulte und knurrte vor Wut und Trauer. Dann drehte sich ihr schlanker Kopf in meine Richtung und ihre goldenen Augen fixierten mich. Ich verstummte und erwiederte den Blick. Kaala öffnete ihr Maul und sprach Worte, die ich nicht verstand. Und plötzlich war sie wieder da. Die Kälte. Ich lag weiter wie tot, nur halb bei Bewusstsein.

Mein Kopf fuhr hoch, als ich Morgana Kobalts Namen sagen hörte. Wir gehen gleich! Danke! Ich strengte mich an auch gegen den Wind zu rufen und stupste dann meine Söhne an. Kommt, in die Höhle. Marco war gleich wach, ließ aber seine Löffel hängen. Ihm war sehr kalt, das wusste ich, und dagegen half mein dichtet Winterpelz auch nicht, in dem er sich förmlich versteckte.

Nikko:

Immer noch versuchte ich den Rüden durch Worte und Anstupsen zum Aufstehen zu animieren, jedoch erfolglos. Plötzlich stand eine schwarze Fähe vor mir und riet uns, hinter zwei Bäumen Schutz vor dem peitschenden Wind zu suchen. Bevor ich mich erkundigen konnte, wo wir hier überhaupt waren, war sie schon wieder verschwunden. Ich blickte zum mehr tot als lebendigen Rüden zu meinen Pfoten. Du stirbst heute sicher nicht, knurrte ich entschlossen. Ich packte ihn am Nackenfell und zog ihn auf die Pfoten. Ich humpelte neben ihm her, während ich ihn zu den besagten Bäumen drängte. Dabei fiel mir ein, dass die Fähe „Rudelplatz“ gesagt hatte. War das hier das Rudel, von dem Marek gesprochen hatte? Wie heißt es noch gleich? Silberrudel? Ich blickte mich suchend nach Sialuk und Basta um, entdeckte aber keinen von beiden. Auch ihre Gerüche nahm ich nicht wahr, dafür jede Menge fremde. Sogar von zwei Welpen, die irgendwo in der Nähe sein mussten. Die Armen... Wenn wir Ausgewachsene hier schon kaum zurechtkommen, wie geht es dann den Kleinen?

Murrend erhob ich mich. Es war gerade so warm und gemütlich gewesen... und Papa hatte mir gar nicht helfen wollen. Stur blieb ich stehen.
Aber ich hab dich so schrecklich Hunger, Papi! winselte ich.
Doch eine Windböe trieb mir den rebellieren den Geist aus und ich beeilte mich Papa zu aufzuschließen.
Papa, wann ist der Sturm zu Ende? Wie lange noch? quängelte ich erneut während dem Laufen.

Ich weiß Nero, wenn ihr in der Höhle scjaut schaue ich was sich tun lässt. Ich geleitete Marco und Fenris zur Höhle und stemmte mich dabei immer wieder gegen den Wind. Ich weiß es nicht, mein kleiner Schneekönig, aber wenn er vorbei ist jagt dir Kobalt sicher gerne etwas richtiges zu fressen. Ich schubste alle drei jüngeren Wesen, damit sie ins Erdloch hinunterrutschten. Dann schlitterte ich zurück und buddelte aus dem Schnee die Vorräte aus, die ich angelegt hatte. Sie waren gefrohren, also würde ich sie erst aufwärmen müssen, ehe man sie essen konnte, aber etwas anderes blieb nicht. Ich nahm ein Bündel auf und kämpfte mich durch den Sturm, bis ich auch endlich in die kleine geschützte Höhle hinabgleiten konnte. Meine Augen waren vom Schnee verklebt, doch ich drehte die Ohren und schnupperte. Kobalt war wirklich hier, Jive auch. Ich atmete zum ersten Mal seit Wochen auf und setzte mich erst einmal hin um mir mit der Pfote über die Augen zu fahren um diese wieder frei zu bekommen.

Wir schlüpften in die Höhle, die sich durch die Menge der Anwesenden wohlig aufgewärmt hatte. Papa verschwand sofort wieder. Mir war nicht bewusst gewesen, dass mein Drängen ihn wieder raus schicken würde und ein schlechtes Gewissen ließ mich die Ohren anlegen. Um auf andere Gedanken zu kommen blickte ich mich im Raum um, ich hatte das Gefühl alle schon ewig nicht mehr gesehen zu haben und mir schien als wären da auch mir fremde Wölfe dabei. Doch dann fiel mein Blick auf ein ganz bekanntes Fell.
Da ist Kobalt! informierte ich Marco und rannte zu meiner Schwester.
Kobalt! Kobalt! sang ich.
Ich stellte mich so auf die Hinterläufe, dass ich meine Vorderpfoten auf meiner Schwester abstützen konnten und sie wach rütteln. Jetzt sind wir alle wieder beieinander Neben ihr lag Jive, bemerkte ich, aneinander gekuschelt sah es warm und gemütlich aus. Das wollte ich auch!
Ich will mitkuscheln! verkündete ich ihnen.