Da war sie, die Frage nach der Vergangenheit. Sofort hatte ich einen dicken Kloß im Hals und das Gefühl, mir würde die Luft wegbleiben. Irgendwann würde ich mich damit auseinandersetzen müssen, aber nicht heute und auch nicht vor den Augen mir noch fremder Wölfe - Rudel hin oder her. Mein Gesichtsausdruck war schmerzverzehrt und ich kniff die Augen zusammen. Kaum merklich schüttelte ich den Kopf. Einatmen, Ausatmen, Einatmen, Ausatmen.... Wie ein Mantra sprach ich in Gedanken mit mir selber, während ich mich auf meine Atmung konzentrierte. Meine Stimme klang belegt, als ich endlich antwortete. "Ich bin nicht weit von diesem Tal entfernt geboren. Dort wo früher mein Rudel wohnte, ist nun ein Menschendorf." Mit Mühe heilt ich meinen Verstand ab, mir die Bilder von meiner Familie vor dem inneren Auge zu zeigen. "Verzeih Odhran, aber noch bin ich nicht bereit, meine Vergangenheit preis zu geben." Ich wusste nicht, ob mein Gegenüber das verstehen würde, aber damit musste ich leben.
Oha! Die Vergangenheit! Ich verstand gut, dass es weh tat, sich damit auseinander zu setzen - nur zu gut! Ich trat einen Schritt näher zu Kiran und stubste ihn aufmunternd an. Schsch ... ist schon gut! Musst nicht reden drüber! meinte ich sanft. Lass´uns rennen, Freund! Wer zuerst in den freien Bergen ist! Ich lächelte und rannte auch schon los.
Akela Odhran ging mit Kiran. Ich nickte beiden zu. So... ich richtete mich auf. Wir werden noch oft herkommen. Es war zeit. Wenn wir jetzt aufbrachen würden wir bei Sonnenuntergang den Gipfel erreichen. Wir gehen weiter. Ich hoffe ihr habt euch den verlauf der Sonne gemerkt.
Mal wieder hatte eines meiner Geschwister etwas spannendes entdeckt. Ein "Dachs" soll es gewesen sein... angestrengt versuchte ich mir so ein Tier vorzustellen. Es hatte rieseige Reißzähne, eine verzerrte Fratze und ungewöhnlich struppiges Fell. Gruselig.. Ich schüttelte mich bei dem Gedanken daran. Dennoch wollte ich auch gerne so ein spannendes Tier finden.. oder wenigstens etwas anderes Interessantes. Nachdem ich den Erwachsenen einen Moment zugehört hatte, fing ihr Gespräch an mich zu langweilen. Der Fremde schien recht freundlich zu sein, also interessierte ich mich nicht weiter für ihn. Entschlossen senkte ich meine Nase richtung Boden und raschen Schrittes fing ich an mich ein wenig von der Gruppe zu entfernen. Es gab unheimlich viele aufregende Gerüche hier, doch es fiel mir schwer mich nur auf einen zu konzentrieren. Kaum war ich einer Spur gefolgt, stieg mir auch schon die nächste in die Nase - natürlich viel interssanter als die letzte.
Ich sah mich noch einmal um. Dann schweifte mein Blick ab und blieb an der Sonne hängen. Sie stach in meinen Augen, aber das ignorierte ich. Ich wusste noch wo sie gestanden hatte als wir herkamen. Ich wusste wo sie jetzt stand. Nun trottete ich wieder zu Akela und wartete darauf, was wir nun machen würden.
Odhran schien Verständnis zu haben, was mich doch sehr verwundert. Wahrscheinlich hätte ich mich selber nicht mit der Antwort zufrieden gegeben. Mein Blick fiel zu Akela und den Welpen. Mit einem Nicken verabschiedete ich mich und rannte los.
Er sprach also eine andere Sprache. Wie schade, es wäre bestimmt spannend gewesen, zu wissen was er zu sagen hat. Selbst wenn er nur wütend herumkrakelt hätte um mich aus seinem Bau zu vertreiben. Dann werde ich Dachssprache lernen! Entschlossen stampfte ich mit den Vorderpfoten auf. Als Mutter ankündigte aufzubrechen, wanderte mein Blick noch einmal in Richtung Sonne. Ich wollte mir merken wo sie nun stand. Sicherlich würde das noch wichtig werden.
Akela Ich schmunzelte. Wenn wir auf den großen Gipfel klettern, seid vorsichtig. Das ist kein wettlauf. Ich sah die welpen streng an. Ich wollte nicht das sich jemand verletzte. Dann los. Gab ich den Startschuss. -> groser Gipfel
Als Apollo mich rief, wandte ich mich wieder zu meiner Familie um. Schade, ich hätte diese Gegend gern noch länger erkundet. Rasch und mit großen Sprüngen folgte ich meinem Bruder.
Nachdem die Dürre vorbei war, begann es zu regnen und mit dem Regen kam der Nebel. Ein komischer Nebel, der ungewöhnlich sauer roch. So ein Nebel war nicht einmal den erfahrenen Nebelwölfen bekannt. Schleichend und unheilvoll strich er zwischen den Bäumen umher, kletterte auf jeden Berggipfel und kroch über jede Wiese und ganz plötzlich verfiel das Tal in einen tiefen festen Schlaf. Alle Lebewesen sanken mit einem Mal zu Boden. Nichts bewegte sich mehr und es wurde still. Der Nebel verharrte eine ganze Weile über dem Tal. Er kam von einem Industrieunfall der Menschen, die von diesem Nebel ebenfalls nicht verschont blieben. Für eine ganze Weile war das Tal eingefroren. Doch jetzt langsam fangen die ersten Vögel an zu zwitschern. Der Dunst lichtet sich und die ersten Wölfe wachen wieder auf....
~Wenn du fällst, wieder aufstehen und angreifen, niemals deine Angst zeigen~
Im Felsenwald herrscht eine mysteriöse Stimmung. Fühlst du es auch? Du wirst beobachtet. Mit dir wird bereits ein kleines Spiel gespielt, seitdem du der Raubkatze hierher gefolgt bist. Oder hat es dich vielleicht einfach so in das Gebiet verschlagen? Direkt hinter dir lauert jedenfalls der Puma. Er bleibt in deinem totem Winkel und lässt sich einfach nicht entdecken. Wirst du schon paranoid? Die Raubkatze wird plötzlich hervorschnellen, über dich hinweg springen und dich dabei in eine funkelnde Wolke hüllen. Der Wächter wird sofort wieder aus deinem Sichtfeld verschwinden und das Spielchen immer wieder wiederholen. Erst wenn du dich durch einen glücklichen Zufall in der richtigen Sekunde umdrehst und seinen Angriff kommen siehst, löst er sich auf und lässt Funken auf dich hinabregen. Danach lässt er dich in Ruhe. Oder hast du schon frühzeitig die Flucht ergriffen?
In den restlichen Bergwolf-Gebieten taucht er immer nur schemenhaft auf. Er versucht dich in den Felsenwald zu locken. Aber bist du auch neugierig genug, um einem geisterhaften Puma zu folgen?
Ich rannte durch den Schnee und weinte. Plötzlich fühlte ich mich wieder, wie der Welpe, der vor den Jägern floh. Der seine ganze Familie an die Menschen verloren hatte und der einfach nicht wusste, wohin er gehen sollte. Blindlings schluchzend stolperte ich weiter. Ich hatte kein Ziel. Ich wusste nicht, wann ich aufhören würde zu laufen. Ich vermisste plötzlich so vieles. Die Unbekümmerheit, die ich früher hatte. Als ich noch keine Verantwortung gehabt hatte. Ich konnte diese Probleme nicht mehr tragen. Wie machten das andere Alpha-Wölfe? Ich war an einem Abhang angekommen und bremste ungelenk ab. Schniefend kam ich zum Stehen und sah hinunter ins Tal. Meine Beine zitterten und das Atmen tat mir im Brustkorb weg. Meine Augen brannten. Auf einmal überkam mich Wut. Was für ein Alpha rannte einfach davon, wenn sein Rudelmitglied Hilfe bräuchte? Wie ging es Saikko nun? Ich meinte, an Naya und Alessio vorbei gestürmt zu sein, aber ich war mir nicht einmal sicher. Mit einem wütenden Aufschrei ließ ich mich in den Schnee fallen, der genauso weiß war wie mein Fell. Im Schnee hatte ich mich deshalb immer sicher gefühlt. So unauffindbar. Als wäre das das Beste Versteck auf der Welt. Während ich weiter vor mich hin schluchzte, wurde Gesang zu mir herübergetragen. Nur am Rande realisierte ich, dass es vom Gipfel kommen musste. Ich konnte Odhran heraus hören und Aletheia und noch einen dritten Wolf. Einen Rüden. Er hatte die schönste Stimme, die ich jemals gehört hatte. Ich nahm nichts anderes mehr war außer seiner Stimme. Ist das real? Sie füllte meinen Kopf komplett und sorgte dafür, dass ich endlich ruhiger wurde. Ich schloss die Augen und spürte wie ich vor Erschöpfung einschlief.
~Wenn du fällst, wieder aufstehen und angreifen, niemals deine Angst zeigen~
Wolfsrudel - Das Leben der fünf Rudel
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28.02.2020 08:04
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