Eine ganze Weile hatten mich meine Beine einfach stumm vorwärts getragen und ich hatte gehofft, dass der Wind der mir um die Ohren pfiff ein wenig die Gedanken fernhalten würde. Noch immer war es ungreifbar, dass Sinner nicht mehr da war. Er war nicht nur nicht mehr da, er war Tod. Weg, für immer. Nie wieder würde ich seine Stimme hören, mit ihm rumblödeln können oder mich mit ihm raufen können. Die Unbeschwertheit unserer Tage am Lachsfluss war vorbei. Und ich habe Schuld daran. Ich konnte mich kaum von dem Gedanken losreißen, dass ich Schuld an seinem Tod hatte. Hätte ich nicht...! Wäre ich nicht...! Dann wäre Sinner noch da. Dann hätte sich das Rudel nicht aufteilen müssen. Kasai hätte sich nicht sorgen müssen das der Rudelplatz nicht bewacht ist. Ich hätte mich nicht auf den Weg zu den Silberwölfen machen müssen.

Während mein Kopf noch wild alle möglichen Szenarien durchspielte, nahm meine Nase sie bereits war. Unverkennbar - Silberwolfgeruch. Ich war mir sicher, ihrer Grenze immer näher zu kommen.

Ok dann mal los. Ich holte noch einmal tief Luft, auch um mich selbst zur Ordnung zu rufen, dann hob ich meinen Kopf in die Luft und stieß ein Heulen aus. Das Heulen war eine Frage, eine Einladung zu mir zu kommen und eine Geste, dass ich ihre Grenzen respektierte.

Dann blieb mir nurnoch abwarten.

<- Silberrudel Rudelplatz

Als meine Pfoten den Boden des Leuchtwaldes betraten, durchströmte mich irgendwie ein Gefühl der Freiheit, als hätte ich es geschafft wieder eine Chance zu haben. So trugen mich meine Pfoten immer schneller Mareks Fährte entlang, ehe ich ihn und einen anderen Wolf durch die Luft, die meine Nase förmlich flutete, wittern konnte.
Als ich das schwarze Fell langsam sehen konnte, bremste ich ab und trottete ruhig zu Marek. Dennoch wahrte dabei einen gewissen Abstand als ich anhielt, da ich nicht wusste wie der andere Wolf oder gar Marek reagieren würde. Vielleicht besprechen sie auch was wichtiges flog es mir dabei durch die Sinne.

Erleichtert senke ich meinen Kopf, als mir klar wurde, dass mein Rufen erhört worden war. Kurze Zeit später brach auch schon Marek durch das Dickicht. Seine Begrüßung war höflich und so senkte ich meine Rute, nickte ihm respektvoll zu. Marek. Ich setzte mich auf meine Hinterbeine und überlegte, wie ich die passenden Worte wählen sollte.

Ich weiß nicht in wie weit bereits irgendwelche Informationen an die Silberwölfe weitergetragen wurden, doch muss ich dir wohl von einer blutigen Fehde zwischen dem Zigeunerrudel und den Schattenwölfen berichten. Sicherlich hast Du die Spannungen beim letzten Alphatreffen bemerkt - nun die Lage hat sich weiter zugespitzt. Ich holte tief Luft, wollte auf keinen Fall die Fassung verlieren, wenn ich es das erste mal aussprach. Es gab...Todesfälle auf beiden Seiten. Ich schloss einen Moment die Augen, ich traute Marek und war mir sicher, dass er mich nicht angreifen würde. Sinner. Ein wenig Trauer in meiner Stimme konnte ich nicht verbergen.

Jedenfalls bin ich hier um in Gin's Namen ein Alphatreffen anzukündigen. Wir wollen keine Kriege oder ähnliches und wir wollen die anderen Rudel dabeihaben und mit offenen Karten spielen. Deswegen bin ich hier. Während meiner gesamten Ansprache blieb ich ruhig und gefasst. Hier war kein Platz für Emotionen und ich hatte hier mein Rudel zu vertreten.

Die Anspannung fiel von mir ab, als sich herauskristallisierte, dass Marek ganz ähnlich über die Schattenwölfe dachte. Nur war ich mir nicht sicher, was er dachte wenn er die komplette Geschichte hören würde. Ich atmete lautstark aus. Nun. Ich wollte keinesfalls etwas falsches sagen, unsere Beziehungen zerstören oder Gin etwas vorwegnehmen. Aber irgendwie sagte mir mein Rechtsgefühl, dass ich lieber jetzt unter 4 Augen ein wenig aufklären und eine Reaktion abschätzen sollte. Ich kann nicht sagen was Gin aufklären möchte. Aber der Ursprung lag in einem einvernehmlichen Kampf zwischen mir und dem Beta der Schattenwölfe. Der Konflikt hat sich immer weiter hochgeschaukelt und neben Verletzungen kam es dann auch dazu, dass ich zwei Schattenwölfe...naja. Ich zuckte mit den Schultern, es war irgendwie komisch. ...erlegt habe. Sicher waren es nicht die richtigen Worte. Die Lage hat sich so zugespitzt, dass sie einen meiner besten Freunde getötet haben und uns zudem noch nicht unerheblich angegriffen haben. Ich kniff die Augen zusammen, Jangal war in Gefahr gewesen.
Ich denke soviel kann ich dazu sagen ohne das ich Gin all zuviel vorwegnehme. Ich schaure Marek nun direkt in die Augen um jede Regung, jede Veränderung seiner Gestik oder Mimik zu registrieren und darauf reagieren zu können. Wer wusste schon, ob die Silberwölfe jetzt noch auf unserer Seite waren. Hoffentlich bringt Gin mich nicht um die Ecke.

Ich saß weiterhin still und hörte dem scheinbaren Betawolf des Zigeunerrudels zu sowie auch Marek, um das erzählte irgendwie auch verstehen zu können und den beiden mit den Worten folgen zu können. Als Huttser erwähnte, dass er zwei der Schattenwölfe zum Mondgeist schickte (tötete), blieb mir kurz der Atem weg und ich verengte etwas die Augen.
Doch nach einem Moment schüttelte ich ganz leicht meinen Kopf und blickte wieder normal zu den beiden herüber. Wer weiß wie das gekommen war und vielleicht hat er sich nur verteidigt. Mensch Tay, nicht jeder Wolf der einen anderen zum Mondgeist schickt ist direkt wie er damals schlug ich mir den Gedanken durch den Kopf.

Kurze Zeit später prüfte ich die Luft um sicher zu gehen, dass nur wir drei hier waren. Dem war auch so, was mich schon mal erleichterte, da es zumindest keine Falle war. Das Silberrudel schien viel Macht und Vertrauen zu haben zu manch einem Rudel, was mir erklärte weshalb sie in niedriger Zahl überlebten. Sie sind stark, mutig, loyal und intelligent doch ein Krieg unter den anderen Rudeln wäre nicht all zu gut ging es mir noch durch und ließ mich den Standpunkt von Marek verstehen bevor ich weiter auf das Gespräch achtete.

Mir schnürte sich die Kehle zu als Marek fragte was ich hoffte verdrängen zu können. Das Schweugen zwischen uns kam mir vor wie Stunden, dabei hatte es wohl nur wenige Augenblicke angehalten.
Aus Wut und Rache. Es war die Wahrheit mit der ich herausplatzte. Die Schattenwölfe würden es wohl ohnehin allen auf dem Silbertablett gegenüber uns vorhalten.
Ich habe meine Familie bedroht gesehen und in solchen Momenten trifft man nicht die schlausten Entscheidungen. Du hast auf dem letzten Treffen die unzähligen Drohungen und Provokationen mit angehört. Ich hatte das Bedürfnis mich zu rechtfertigen auch wenn ich es nicht gemusst hätte, aber was würde es bringen zu lügen. Ich legte die Ohren an, unentschlossen und zum ersten mal seit langer Zeit so unsicher.

Eine rießige Last fiel von meinen Schultern und ich rechnete es Marek hoch an wie er reagiert hatte. Mit einem Nicken verabschiedete ich ihn. Wir sehen uns dann. bellte ich noch bevor der dunkle Pelz wieder verschwand.

Plötzlich war die ganze Anspannung und Aufregung weg und ich konnte mich auch innerlich beruhigen. Ich wollte noch jagen bevor ich nach Hause zurückkehrte. Irgendwo hier sollte es sicherlich Hasen oder Kaninchen geben. 2 oder 3 würde ich gerne dem Rudel mitbringen. Ich schnüffelte aufmerksam und versuchte eine Fährte aufzunehmen.

Ich war wie versteinert, als ich den Wald betrat. Es waren aufgrund des Wetters vielleicht nicht grade viele, dennoch flogen hier und dort die glühenden Käfer durch die Luft, deren Licht vom Schnee auf dem Boden und den Ästen der Bäume reflektiert wurde. Ich war so fasziniert von dem Lichtspiel, dass ich nicht darauf achtete wohin ich lief. Im nächsten Moment stolperte ich daher in etwas weiches hinein, oder vielmehr in etwas mit Fell. Sofort knurrte ich auf und machte verschreckt einen Satz zurück, die Ohren angelegt und bereit mein Leben zu verteidigen. Als ich jedoch feststellte dass das Fell, in welches ich gelaufen war zu einem anderen Wolf (Huttser) gehörte, beruhigte ich mich rasch wieder. Entschuldige. Das war nicht meine Absicht. Meine Rute wischte freundlich hin und her und ich richtete meine Ohren nach vorne.

In meiner Konzentration auf den Geruch eines der Kaninchen hatte ich gar nicht bemerkt, dass ein anderer Wolf in der Nähe war. Als jemand gegen mich stieß, knurrte ich erschrocken auf und sträubte das Fell. In meinem Kopf musste ich sofort daran denken, dass die Schattenwölfe angriffen. Das Licht der spärlich verteilten Glühwürmchen zeigte mich aber sogleich eine Wölfin, keinen die Rüden vom Schattenwolf, und ihr Geruch verriet, dass sie frei war. Meine Haltung beruhigte sich, ich knurrte nicht mehr. Neugierig reckte ich die Nase in die Luft.
Hey gar kein Problem, es gibt billigere Anmachen! Ich grinste verschmitzt.