Mit der Nase am Boden, die Ohren gespitzt war ich in einem langsamen Tempo vorwärts getrabt. Ein Ohr drehte ich immer wiedere nach hinten um mich zu vergewissern, dass sich der Jungspund auch wirklich noch hinter mir befand. Immer wieder blieb ich stehen, um das Revier zu markieren oder interessante Gerüche festzuhalten, doch Menschengeruch konnte ich im Birkenwald nicht feststellen. Das Laub knisterte leise unter meinen Pfoten, je tiefer wir uns in das Dickkicht schlugen. Völlige Stille herrschte in diesem Teil des Waldes. Aus dem Augenwinkel nahm ich eine Bewegung wahr und fuhr ruckartig rum. Nicht weit von uns hatte sich etwas Braunes bewegt und sofort schrillten meine Alarmglocken. Doch als ich rumfuhr erkannte ich, dass sich ein Eichhörnchen gerade streckte und verwirrt umblickte, ehe es versuchte den Baum hoch zu kommen. Immer wieder fiel es runter, man konnte deutlich sehen, dass die Gliedmaßen noch nicht fit genug waren. Mit nur wenigen Schritten war ich bei dem armen Tier, schnappte zu. Das laute Knirschen deutete mir an, dass ich ihm die Wirbelsäule gebrochen habe.
Das tote Eichhornchen war ich Zodiac zu. "Hier!" forderte ich ihn zum fressen auf, ehe ich mich weiter umsah und die Ohren spitze. Hatte ich da vorne etwa noch ein Geräusch gehört? Prüfend hob ich die Nase in die Luft. "Dawn?" rief ich vorsichtig. Wenn mich nicht alles täuschte, so wurde mir doch ihr Durft vom Wind zugetragen.

Zodiac schien sichtlich erfreut über das Eichhörnchen gewesen, doch ich hatte keine Zeit mich um ihn zu kümmern. Noch immer stand ich da, starrte in die Ferne und spitzte die Ohren. Ich war der Meinung gewesen, dass ich eine Wolfsgestalt gesehen hatte, aber aus der Ferne war nicht zu erkennen gewesen, ob das Dawn gewesen war. Seufzend wandt ich mich dem jungen Wolf zu. "Ich war der Meinung, dass ich einen Wolf gesehen habe. Aber die Gestalt war so schnell weg, dass ich mir nicht sicher bin, ob das Dawn war." Mit einem schulterzucken setze ich meinen Weg fort, diesmal langsamer und bedachter auf der Suche nach einer Fährte. Dawn hat keinen Grund vor uns zu fliehen, also muss das ein fremer Wolf gewesen sein überlegte ich und bei dem Gedanken stellten sich mir die Nackenhaare auf. "Zodiac! Bleib dich hinter mir. Das könnte auch ein Eindringling gewesen sein!" bellte ich kurz meine Anweisung. "Wir werden der Spur folgen!"

-> Silbersee

Ich schlängelte mich durch die schwarz-weißen Bäume. Den Birkenwald hatte ich immer gemocht. "Man muss aufpassen", erklärte ich Zody. "Die Muster können irritierend wirken und man kann sich hier gut verlaufen." Ich lief weiter. Am alten Baumstumpf links... noch ein paar Schritte. Ich erblickte die kleinen Steintürme durch die Birken hindurch. "Da guck!" Ich drehte mich nach Zody um. "Es ist ein alter Bau der Menschen. Sie haben da drinnen, glaube ich, mal gewohnt." Jetzt hatte sich die Natur alles zurückgeholt. Die Ruine wurde von Efeu und anderen Pflanzen überwuchert.

Ich beobachtete Zody dabei, wie er an der Ruine schnupperte und dachte dann kurz über seine Frage nach. "Sie stinken nach so ziemlich allem", sagte ich dann. "Aber meiner Meinung nach besonders nach Eisen und irgendwie säuerlich. Der Geruch ist sehr penetrant. Wenn du einen riechst, dann wirst du es erkennen." Ich sprang auf eine zerfallene Mauer und betrachtete meine Umgebung neugierig. "Wenn du möchtest, können wir nachher mal einen Ausflug zu ihnen machen. Aber nur wenn du versprichst keine Dummheiten anzustellen." Schon als ich den letzten Satz gesagt hatte, musste ich grinsen. Zody war der letzte, der eine Dummheit anstellen würde. Er war loyal, aufrichtig und vorsichtig. Die perfekte Kombination für solche waghalsigen Ausflüge.

Nervös folgte ich der Spur von Rebell und Zodiac. Sie war deutlich zu riechen und da ich die beiden auch noch vor kurzem am Rudelplatz gesehen hatte, konnten sie auch nicht weit gekommen sein.
Innerlich schimpfte ich den ganzen Weg mit mir selbst. Auch wenn Tay mein Gefährte ist, hätte ich direkt zu Rebell gehen müssen - so hatte ich den Rüden nun fast aus den Augen verloren. Zum Glück entdeckte ich die beiden Wölfe bald und atmete erleichtert auf. Mit gespitzten Ohren trat ich näher heran und ließ ein lautes Lachen erklingen. "Nette Geruchsumschreibung." Meine Gedanken wanderten zu den Menschen, zu Elena. Ihren Geruch würde ich unter tausenden erkennen, doch ich würde sie nicht als säuerlich riechend beschreiben - der eheste Vergleich wäre wohl eine Blumenwiese. "Wenn ihr die Menschen in Aktion sehen wollt, kann ich euch zu einer Stelle bringen, von der man das Menschendorf gut beobachten kann ohne selbst gesehen zu werden." bot ich den beiden an. "Wenn ihr aber näher dran wollt, müsst ihr nachts gehen. Im Dorf sind Hunde, die schlagen bei fremden Geräuschen an. Im Dorf werden aber auch gefangene Wölfe gehalten, die verraten uns nicht."

Fast wäre ich vor Schreck von der kleinen Steinmauer gefalleny auf der ich stand. Konnte mich aber gerade noch retten. Ich hatte Acy gar nicht gehört. "Ich hab gar nicht gemerkt, dass du auch hier bist", sagte ich dann, sprang von der Mauer vor ihre Pfoten und lachte unsicher. "Bist du uns gefolgt?" Skeptisch musterte ich sie und spitzte die Ohren, um nicht erneut überrascht zu werden.
Als sie von gefangenen Wölfe sprach, sah ich sie ungläubig an. "Sie halten Wölfe gefangen???" Wieso hatte ich nichts davon gehört? "Wölfe aus den Tal??"

Es war mir nicht entgangen, dass Rebell fast von der kleinen Mauer gefallen wäre. Auch Zodiac erschrak, als er mich bemerkte. "Buh!" witzelte ich und versuchte dadurch der Frage zu entgehen, ob ich den beiden Rüden gefolgt war. Was sollte ich ihnen sagen? Dass ich einen Auftrag von Marek erhalten habe, dass sein Sohn sich nicht ihm und der fremden Fähe nähern soll? Wenn ich genau das erklären würde, würde ich mit Sicherheit das Gegenteil erreichen. Und bisher hatte ich mir keine andere Erklärung zurechtgelegt. Doch die weiteren Fragen der beiden Wölfe ließ mich elegant aus der Situation entkommen. Ich ließ mich gemütlich auf den Boden nieder. "Ich weiß nicht, ob die Wölfe aus dem Tal sind. Aber ganz früher haben die Menschen versucht die Wölfe mit ihren Hunden zu paaren, damit diese etwas bissiger werden. Das hat aber wohl nicht so gut funktioniert. Also haben sie angefangen die Welpen zu jagen und diese an die Menschen zu gewöhnen." erklärte ich. "Ich kenn das auch nur aus Erzählungen, aber meine Mama ist so ein Welpe." Meine Gedanken wanderten zum Dorf. "Meine Familie ist noch dort und sie finden ihr Leben dort okay."

"Was?" Entgeistert und schockiert sah ich sie an und mir fiel auf, wie wenig ich über Acy wusste. Ich wusste, dass sie bei den Menschen mal gelebt hatte, aber dass ihre ganze Familie sogar dort war. "Bist du dann auch bei den Menschen geboren?" Neugierig schnupperte ich in ihre Richtung, als wäre sie mir nun völlig fremd. Bei ihrem "Buh" zog ich eine komische Grimasse, um aus Spaß meine Verächtlichkeit auszudrücken.

"Lass das." freundlich drückte ich Rebells Nase mit der Pfote von mir weg. "Ich bin immer noch Acy." stellte ich klar. Es störte mich, dass Rebell scheinbar irgendetwas anderes an mir versuchte zu entdecken. "Ich habe durch diese Tatsache nicht plötzlich eine Pfote mehr." grummelte ich und widmete mich dann wieder seiner Frage. "Ich bin im Menschendorf geboren, aber das Leben dort war schlimm für mich. Ich hatte immer das Gefühl, der Wald würde mich rufen. Mehrmals habe ich versucht bei einer Jagd einen Ausflug zu machen, doch jedes Mal hatten mich die Menschen wieder gefunden. Doch Elena schien mich zu verstehen und hat mir die Freiheit geschenkt."

Wehmütig dachte ich an das Mädchen, welches meine ganze Liebe verdient hat. Manchmal vermisste ich sie. Und auch Mama und meine Geschwister. Das das Rudel war nun mein Zuhause, meine Familie. Und ich würde das niemals tauschen wollen. Für nichts auf der Welt.