Jives Augen funkelten. Er schien darüber verärgert und doch konnte auch nicht verleugnen, dass es mir nicht passte. Ich war zwar nicht dabei gewesen, wusste nicht was genau dort abgelaufen war, aber meine Familie beleidigte niemand! Und das hatten sie indirekt. Sie hatten Papa beleidigt. Meine Brüder und eben auch Jive. Dabei kannten sie uns doch gar nicht! Unwillig zuckte ich mit den Ohren. "So wie du sie beschreibst, haben sie vermutlich nicht mal nachgedacht, bevor sie ihren Mund aufgerissen haben!", murmelte ich und legte den Kopf auf die Pfoten. Gestern Abend musste wirklich eine Streiterei ihren Start gehabt haben. Dennoch schluckte ich meinen aufsteigenden Unmut hinunter. "Du meintest, die anderen Rudel hätten vielleicht mehr zu befürchten als wir", zitierte ich ihn frei und betrachtete dann meine erdigen Pfoten, "Denkst du... dass der Frieden nun vorbei ist?"

Sie sprach aus was ich dachte und ich war darüber sehr dankbar. Doch als sie auf das andere Rudel zu sprechen kam und dabei etwas sagte, worüber ich mir noch gar keine Gedanken gemacht hatte, legte ich die Ohren an. Der Frieden soll vorbei sein? Nun, ich konnte nicht verleugnen, dass die Ausdrucksweise der Schattenwölfe nicht nur nach großen Tönen klangen. Da waren eine ganze Menge Emotionen hinter gewesen. Unschlüssig zuckte ich mich mit den Schultern und sah Kobalt entschlossen an. "Egal wie es endet...ich werde nicht zulassen, dass sie dir oder irgendwem anders etwas tun!", knurrte ich voller Entschlossenheit und drückte meine Schnauze fest an ihren Hals. Nein! Niemand würde Kobalt anfassen ohne an mir vorbei zu müssen. Meine Augen waren fest zusammengekniffen, als ich ihren Geruch einatmete und mein Herz dabei einem Trommelwirbel glich. In meinem Körper waren so viele Emotionen, so viel Angst bei dem Gedanken, dass Kobalt etwas passieren könnte, dass mir alles egal war. Mir war egal, dass Kobalt jetzt mein schlagendes Herz oder meine beschleunigte Atmung bemerken könnte. Ich legte meinen Kopf wieder auf ihren Rücken und drückte mich an sie. "Niemals!" Meine Stimme schien für einen Moment zu zittern, so sehr hatte mich der Gedanke entsetzt.

Bisher war mein Leben friedlich gewesen. Bis auf diese schwarze Wölfin damals, was mir nun wirklich eine Ewigkeit her schien, hatte ich nie wirklich kämpferische Erfahrungen sammeln müssen. Ich war behütet und beschützt worden, ohne Sorgen aufgewachsen und nun fühlte es sich ein bisschen so an, als würde diese Blase zerplatzen. Was wenn der Frieden wirklich vorbei wäre? Wenn es Kriege gäbe? Vielleicht sogar Tote? Jive riss mich schlussendlich aus meinem Gedanken und ich starrte ihn unsicher an. Wobei er dies natürlich nicht mehr sehen konnte, da sich seine Schnauze in meinem Fell vergrub und mein Herz abermals zum aussetzen brachte. "Und ich werde auf dich aufpassen!", gab ich entschlossen zurück. Ich zweifelte nicht an seinen Worten und ich glaubte zu wissen, dass er sich dafür auch in einen Kampf stürzen würde. Nur... würde ich ihn diesen sicher nicht alleine kämpfen lassen. Seine Schnauze wanderte und sein Kopf lag schließlich wieder auf meinem Rücken. Meiner sank währenddessen langsam wieder gen Boden, machte aber unwillkürlich eine kleine Kurve und landete auf seinen Vorderpfoten. Mein Ohr drückte sich sozusagen gegen seine Brust und ich fror für ein paar Sekunden ein. Ich hatte nicht nachgedacht, einfach nur meinen Kopf gesenkt und schwupp... missbrauchte ich seine Vorderläufe als Kopfkissen. Zittrig atmete ich die Luft aus, würgte mein Herz wieder auf seinen Platz zurück und lauschte dem seinigen. Oder war es meines? Warum sollte seines denn so schnell schlagen?

(Ich bin fürs erste mal weg :) Hab jetzt eine Verabredung mit Ruven zum Reden und bin erst später - sehr viel später - wieder da ^^)

Seit Tagen war ich unterwegs gewesen, unterwegs hatte ich auch Breeze aus den Augen verloren, doch Nero wieder zu finden war mir verwehrt geblieben. Ausgelaugt schleppte ich mich auf den Rudelplatz und ließ mich in unserer Familienkuhle mehr oder weniger einfach fallen, wobei man das auch eher als zusammenbrechen bezeichnen konnte. Ich war weg, wie eine Kerze die vom Wind ausgeblasen wird, konnte gerade noch kurz überprüfen ob wenigstens meine Tochter da war. Fenris war wohl noch mit Fauna unterwegs. Marko rollte sich traurig an meinem Bauch zusammen.

Verwirrt sah ich dem ganzen Getue zu. Mein Blick schweifte umher und er landete bei Kobalt und Jive. Hastig hüpfte ich zu den beiden herüber. Was ist passiert? fragte ich besorgt, alle waren besorgt- deswegen bin ich auch besorgt. Aber ich wollte wissen wieso alle so besorgt sind. Auf jeden Fall wusste ich das etwas nicht stimmte.

Kobalt reagierte äußerst sensibel und erwiderte den Druck. Da meine Kiefer vom angespannten Aufeinanderbeißen bereits schmerzten, musste ich sie locker lassen, womit ich auch meinen Körper allgemein entspannte. Mein Kopf wanderte sanft, beinahe zärtlich über ihren Rücken, während ich ihren Geruch tief einatmete und die Augen schloss. Kobalts Kopf glitt auf meine Pfoten und drückte sich an meine Brust, was ich jedoch kaum wahrnahm, angesichts dieser Überwältigung an Gefühlen. Ruhe kehrte ein und einen Moment hörte ich nur noch Kobalts und meinen Atem - bis sich ein Wolf zu nähern schien. Die Pfotentritte schienen unbedacht, was mich darauf schließlich ließ, dass der Fremde entweder sehr selbstsicher oder völlig durch den Wind war. Zweige knackten und brachen und für einen Moment glaubte ich, dass gleich ein Dinosaurier aus dem Unterholz kriechen würde. Doch stattdessen war es Barbossa, den ich nur leider viel zu spät erkannte. Mit Schwung ließ er sich neben Kobalt und mir plumpsen und schien direkt zu schlafen. Ich hielt den Atem an und sah irritiert auf Kobalt herab. Hatte er mich nicht gesehen? Würde ich jetzt nicht gejagt, getötet und vergraben werden?
Ein weiterer Wolf riss mich aus meinen Gedanken, diesmal schien weit weniger Gefahr für mich zu bestehen. Es war Mond. Ich ärgerte mich ein wenig, dass sie so einfach reinplatzte, doch anderseits hatte Barbossa ja auch schon jede Romantik zerstört. Moment! Romantik? Ehe ich weiter voller Entsetzen über meine Gedanken nachdenken konnte, hatte mir die jüngere Fähe auch schon eine Frage gestellt und ich erhob mich schwerfällig und sichtlich unzufrieden. "Konflikte unter anderen Rudeln", antwortete ich knapp und legte beim Blick auf Mama die Ohren zurück.

Ruhe breitete sich aus. Doch die Stille zwischen uns war weder betreten, noch unangenehm - viel mehr willkommen und vertraut. Mit jeder verstrichenen Sekunde wurden meine Lider schwerer und mein Herzschlag etwas gleichmäßiger. Wie eine Welle rollte die Entspannung über mich und mit dem vertrauten Geruch von Jive in der Nase, dem Geräusch seines klopfendes Herzen dicht neben meinem Ohr, schlossen sich meine Augen. Doch der Augenblick des Frieden währte nicht lange und zerplatzte gleich darauf wie eine Seifenblase.
Einerseits, weil sich anscheinend eine Herde Bisons näherte und sich schlussendlich als mein Vater herausstellte. Und andererseits, weil Mond zu uns kam und ebenfalls wissen wollte, was passiert war. Doch für mich war ersteres in diesem Moment von deutlich mehr Bedeutung. Barbossa warf sich erschöpft zu uns die Schlafkuhle und war sofort eingeschlafen. Es glich mehr einem Zusammenbruch und für einen Moment schimmerte Verwirrung in meinen Augen - Wo war Breeze? Sollte Nero nicht bei ihm sein? - und wandelte sich dann in Sorge. Auch Marco schien mir eher traurig, weshalb sich mein zuvor gehobener Kopf in eine leichte Schieflage begab. Jive setzte sich unterdessen auf und nahm sich der Frage von Mond an, während ich den gewonnen Platz nutzte und näher zu meiner Familie rutschte. Durch meine wachsende Sorge kam ich gar nicht dazu, die Nähe meines Freundes zu missen. Vorsichtig stupste ich meinen älteren Bruder mit der Schnauze an, da ich meinen Papa nicht wecken wollte. "Ist etwas passiert?", fragte ich Marco leise und legte meinen Kopf dicht vor ihm auf dem Boden ab.