Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, bis wir schließlich den Rudelplatz erreichten. Hoffentlich hatten die anderen mehr Glück bei der Jagd gehabt und es war noch ein Bissen für uns übrig.. Mit diesem Gedanken im Kopf und einem knurrenden Magen betrat ich den Rudelplatz. Eine eigenartige Stille herrschte hier. Suchend blickte ich mich um, als ich Tante Saikkos Stimme hörte. Ich konnte nicht genau verstehen was sie sagte, aber der Ton in ihrer Stimme, löste ein merkwürdiges Gefühl in mir aus. Rasch bewegte ich mich auf die schwarze Fähe zu. Fast war ich bei ihr angekommen, da blieb ich wie angewurzelt stehen. Vor ihr auf dem Boden lag, zusammengekrümmt, ein dichter, dunkelbrauner Pelz. "Mama..?" flüsterte ich und wollte es nicht so recht glauben. Doch als ich noch ein paar Schritte näher kam, hatte ich Gewissheit. Es war meine Mutter, die dort wie ein Häufchen Elend auf dem Boden zusammengesunken lag. "Mama!" rief ich noch einmal, diesmal lauter und stürzte auf sie zu. "Was hat sie denn?!" schrie ich regelrecht in Saikkos Richtung.

Ich werde immer bei euch sein... flüsterte ich heiser bevor etwas sich in mir löste. Mein Körper sackte regelrecht zusammen und alle Spannung wich aus mir. Durch das Licht hindurch das sich wie ein Schleier um mich legte hörte ich weit entfernt Stimmen. Rhys sie waren hier, sie waren in sicherheit.
Ihr müsst jetzt gegenseitig auf euch aufpassen
Das Licht wurde stärker und durchströmte mich bis es jeden letzten Teil meiner Seele erleuchtete. Dann hob ich ab und löste mich mit einem letzten Atemzug von meinem Körper.

In der ganzen Zeit, es kam mir vor wie Stunden, hatte ich hinter meinem Bruder gestanden und geschwiegen. Mutter musste krank gewesen sein, nicht anders konnte ich mir erklären, dass eine so starke Wölfin so schwach wirken konnte. Wir waren noch nicht lange da, da tat sie ihren letzten Atemzug. Es war so schnell vorbei und ich hatte mich nicht verabschieden können.
Meine innere Überzeugung verbat mir das weinen, das schluchzten oder schreien. Also schwieg ich, während meine Augen zu brennen begannen, wie sie noch nie gebrannt hatten. Rhys stand vor mir, ich konnte sein Gesicht nicht sehen.
Ich habe mich nicht verabschiedet. Ich war mir todsicher, dass das ein schlechtes Omen war. Vielleicht hasste sie mich jetzt?
Wachsam drehte ich die Ohren, um zu hören ob der schwarze Wolf des Todes kam. Er kam nicht. Er kam auch nicht, als das Leben schon aus Mutter gewichen war. Es passierte schlicht gar nichts.

Wir kamen am Rudelplatz an. Das Aufeinandertreffen mit den anderen Wölfen war eigenartig gewesen, doch nun wurde unsere Aufmerksamkeit auf etwas anderes gelenkt. Bei mir war es überwiegend Rhys' Verhalten. Als er so plötzlich davon lief heftet ich mich direkt an ihn. Als ich sah, was er gerade entdeckt hatte, stockte mir das Blut in den Adern und das Schreien meines Gefährten trieb mir den Schmerz in die Glieder. Akela hatte mich das Jagen gelehrt und mich bei sich aufgenommen. Ich konnte mir vorstellen, wie es Rhys damit gehen musste - Und... Ich wand meinen Kopf und blickte Bricca an. Meine Flanke hatte ich an den dunklen Rüden neben mir gedrückt, weshalb ich mich nun sanft von ihm löste.

Es stimmte, dass @Bricca und ich uns nie nahegestanden hatten. Trotzdem war sie die Schwester von @Rhys und hatte, ebenso wie er, gerade ihre Mutter verloren. Ein Schmerz, den ich nur zu gut kannte. Tröstend leckte ich Rhys die Lefzen, ehe ich mich vorsichtig Bricca näherte. In einigem Abstand blieb ich stehen und schnupperte besorgt in ihre Richtung. Sie war mir gegenüber immer eher reserviert gewesen. Soweit ich es mitbekommen hatte, war sie generell eher zurückhaltend und ich konnte nicht einschätzen, wie abwehrend sie auf mich reagieren würde. Mir rollten einige stille Tränen aus den Augen und bildeten Rinnsale in meinem Fell. Ohne ein Wort zu verlieren wartete ich ihre Reaktion ab

Es war ein Kribbeln auf meinem Fell, ich merkte, dass ich angeschaut wurde. Als ich meinen Kopf etwas drehte trafen meine Augen auf Sete. Sie schien aufrichtig traurig.
Mir fehlte die Kraft den Mund zu öffnen, etwas zu sagen. Innerlich rang ich noch immer um Fassung und ich fürchtete, sie jeden Moment zu verlieren.

Ich drückte meine Nase fest in das Nackenfell von Akela, als der letzte Atemzug von ihr verstrich. Ich wollte schreien, die ganze Welt verfluchen, dafür dass mir erneut ein geliebter Wolf genommen worden war. Es machte mich wahnsinnig, dass ich nichts hatte tun können. Erst langsam hob ich den Kopf und entdeckte alle anderen Wölfe, vor allem Akelas Jungen, welche über ihren Tod mit Sicherheit noch geschockter waren wie ich. Doch hatte ich die Kraft mich zu erheben und sie zu trösten? Meine Pfoten zitterten, während ich leise winselte. Dann schloss ich die Augen, den Kopf in den Nacken legend und heulte kraftvoll meinen Schmerz, meine Trauer - aber auch meine Wut heraus. Tränen strömten durch mein Wangenfell.

Kaum hatte ich panisch in Saikkos Richtung geschrien, da vernahm ich eine leise, heisere Stimme. Es war Akela - meine Mutter. Ich werde immer bei euch sein... hallte es mir in den Ohren wieder, bevor sie mit einem letzten Atemzug aus dieser Welt verschied. Meine Augen füllte sich mit Tränen und ein enges, unsichtbares Band zog sich so fest um meine Kehle, dass es mir die Luft nahm. Zitternd trat ich auf meine Mutter zu und bekam kaum ein Wort zusammen. "Mama..?" jauchzte ich luftlos und klang dabei wie der kleine Welpe, der ich in diesem Moment wieder war. Panisch und hilfesuchend wandte ich mich in alle Richtungen um, doch auch, wenn ich durch den dichten Vorhang aus Tränen nur noch schemenhafte Gestalten erkennen konnte, war das unvermeidliche schnell klar. Bricca stand wie angewurzelt da, Sete nah bei ihr und Saikko begann ihren Schmerz in den Himmel hinauszuheulen. Immernoch zitternd warf ich mich über den leblosen Körper meiner Mutter, schluchzte, jaulte und vergrub mein Gesicht in ihrem Pelz. Ich konnte es mir nicht erklären.. selbst wenn ich es versucht hätte, wäre ich nicht mehr im Stande dazu gewesen. Mein Kopf war wie abgeschaltet, da war nichts mehr in mir, außer dieser Schmerz, der mich beinahe zu zerreißen drohte. Wie aus einem Reflex und ohne, dass ich es hätte verhindern können, warf ich ebenfalls meinen Kopf in den Nacken und tat es Saikko gleich. Meine Stimme klang trocken und brüchig, doch ich hörte nicht auf zu heulen, bis mir mein Atem und meine Stimme den Dienst versagten.

Oh gott was war passiert?, völlig verwirrt starrte ich auf die Szene vor mir. Erst Saikkos schrecklich trauriges Heulen holte mich aus der Starre heraus und ließ mich sogar zusammen zucken. Dann drang Lyviannes Heulen aus weiter Ferne zu mir und ich hätte beinah laut geflucht. Ich konnte hier nicht weg, ich hoffte sie würde es verstehen. Ohne weiter nachzudenken trat ich neben Saikko und drückte meine Flanke gegen ihre gesunde Seite, dann heulte ich ebenfalls. Es klang nicht so verzweifelt aber es war ein starkes, dunkles und trauriges Heulen. Akela war eine starke Wölfin gewesen und ihr Tot würde Folgen haben.

Da Bricca sich nicht weiter auf mich zubewegte hielt ich inne und zog mich schließlich langsam von ihr zurück. Ich weiß, wir hatten es nicht immer einfach miteinander aber... Wenn du jemanden zum reden brauchst, dann bin ich für dich da, ließ ich sie mit leiser, brüchiger Stimme wissen, ehe ich mich zu Rhys bewegte. Vorsichtig, ganz zaghaft, drückte ich meine an seine Flanke und schloss mich dem Heulen der anderen an.
Es fühlte sich falsch an, sie gehen zu lassen, doch welche Wahl hatten wir? So ging es mir schon - ich konnte mir Briccas und Rhys Schmerz nur vorstellen.

Ich spürte wie sich jemand an meine Seite drückte und erkannte Novas Fell, welches mit meinem zu verschmelzen schien. Wimmend drückte ich meine Nase in sein Fell. Warum nur..warum .. murmelte ich erstickt. Noch immer rannen Tränen durch mein Wangenfell und tropften wohl nun in Novas Brustfell. Bin ich wirklich so unfähig? Ich kann nicht einmal jene retten die mir wichtig sind..

Kaum betrat auch ich den Rudelplatz war der Erste den ich mit den Augen suchte Rolf. Er lag an der selben Stelle an der ich ihn zurück gelassen hatte und das leichte Heben und Senken seiner Flanke verriet mir, dass er soweit in Ordnung war, wie man es sich bei ihm wenigstens erhoffen konnte. Dann traf mein Blick die traurige Ansammlung weiter hinten und ich lief sogleich wieder Lyvianne nach um zu erfahren was Sache war. Ich konnte natürlich nichts riechen, doch die Stimmung war recht deutlich traurig und gedrückt. Seid ihr okay?

Lyvianne kam zu uns, ich hatte sie kaum bemerkt.
Ich hörte auf zu heulen und sah sie aus tränenverschleierten Augen an.
Oh... Hallo Lyvianne, begrüßte ich sie mit leiser Stimme und senkte den Kopf respektvoll, ehe ich zwischen Akelas leblosem Körper und meiner Alpha hin und her sah. Dann verharrte mein Blick auf Akela. Ich... Ich weiß es nicht. Sie ist einfach zusammengebrochen, wimmerte ich, während die Tränen aus meinen Augen quollen und sich ihren Weg durch mein Fell bahnten, um im freien Fall zu Boden zu stürzen