Als ich die Anhöhe erreichte und meinen Körper auf die ebene Fläche wuchtete, schüttelte ich mein Fell aus. Es kribbelte überall und entlockte mir ein unzufriedenes Brummen. Ich verhielt mich wie ein alberner Jungwolf und musste kurz darauf über mich selbst grinsen. Maurizio hätte sich vor Lachen auf dem Boden gekugelt und in diesem Moment vermisste ich meinen Freund wie ein fehlendes Körperteil. Aber ich hatte seinen Tod verarbeitet und lächelte trotzdem weiter, auch wenn der Schmerz im inneren vermutlich nie ganz verschwinden würde. Rolf und Tril lagen auf einer Anhöhe, ich konnte nicht erkennen ob es ihnen gut ging aber sie waren immerhin hier. Hey ihr beiden, ich hoffe es geht euch gut. Rief ich zu ihnen hoch und ließ dann mit aufgestellten Ohren den Blick über das Höhlensystem schweifen. Da entdeckte ich Saikko und hielt inne. Ein Grund, sogar ein großer weswegen ich für eine Weile verschwunden war, war sie gewesen. Eine meiner längsten Freundinnen und engsten Bezugspersonen. Untypisch für mich, trat ich zurückhaltend in ihre Nähe. Blieb aber mit etwas Abstand sitzen. Wie geht es dir?, fragte ich sie ruhig. Meine Ohren waren aufmerksam aufgestellt, während ich versuchte bloß nicht ihre Pfote anzusehen. Es tat mir leid wie wir außeinander gegangen waren und ich wollte einen Versuch starten es zu kitten, wusste nur noch nicht recht wie ich mich verhalten sollte.

Mein Blick war in die Ferne gerichtet, als plötzlich eine vertraute Stimme neben mir erklang Nova! Mein Herz hüpfte, bevor ich mich umwand um den Rüden anzublicken. Zugleich legte ich die Ohren an, mich erinnernd wie wir aufgrund meines Verhaltens auseinander gegangen waren. Ich..ich denke es geht mir soweit gut. Mir fehlt nur das wärmere Wetter..dann..dann könnte ich wieder nach Heilpflanzen suchen gehen. Mit Absicht achtete ich darauf meine Verletzung nicht zu nennen. Langsam setzte ich mich hin und wartete ein wenig ab. Wie gerne wäre ich direkt auf Casanova zugegangen und hätte mich an ihn gekuschelt, doch war ich mir nicht sicher ob er dies zulassen würde.

Ich zog mit ruckartigen Bewegungen an dem dicken Gemsen Bock. Es war reiner Zufall gewesen, dass er mich nicht bemerkt hatte und ein noch größerer, dass ich nicht runter gefallen war, als ich ihn am Fuß zu packen bekommen hatte.
Ein paar Wolfsengel waren zusammen gekommen um mich vor den großen runden Hörnern zu schützen. Zwar war eine kleine Schrammen auf meiner Schulter, meine Pfoten matschig und in meinem Fell hinten kleine Steinchen, aber ich fühlte mich gut. Ich hatte für das Rudel gejagt und das war das erste mal, dass ich alleine für ein eigenes Rudel jagte.
Aufgeregt zog ich den Kadaver auf den Platz, nahm mir ein paar Minuten um wieder Luft zu bekommen und riss dann ein Stück heraus. Lyvianne sollte das erste bekommen. Doch als ich sie sah, wusste ich sofort, dass etwas nicht stimmte.
Vorsicht trat ich zu ihr, legte das Stück Fleisch ab und hob ihre Schnauze mit meiner an. Hallo mein Herz, was kann ich tun? . Fragte ich sie sanft.

Ihre heftige Reaktion erschreckte mich, weshalb ich den Kopf ruckartig zurückzog und die Ohren anlegte. Entschuldige.. Ich.. , aber sie schien nicht hier zu sein. Körperlich anwesend aber nicht geistig. Aufmerksam versuchte ich einen Sinn aus ihren Worten zu finden und legte denn die Ohren weiter gegen den Kopf. Die junge Wölfin hatte ich doch vor nicht so langer Zeit kennen gelernt und so wie Lyvianne sprach und sich benahm, war etwas schlimmes passiert. Geschockt starrte ich die schöne Wölfin vor mir an aus deren Augen bodenlose Verzweiflung sprach.
Wir... Ich... Du gehst nicht alleine. So zurückhaltend ich war, ich würde sie nicht alleine lassen können. Um meinen Worten die Schärfe zu nehmen, denn ich konnte und wollte ihr nichts vorschreiben, fügte ich leise hinzu, bitte lass mich mit kommen.
Zwar kannte ich den Alpha der Silberwölfe nicht so gut wie den der Nebelwölfe aber ich war ihm begegnet, er war stark und alt und Trauer machte etwas seltsames. Es tut mir so leid, der Tod ist nicht fair. Niemand ist sicher, ich werde heute Nacht für sie singen. Erklärte ich ihr mit meiner sanften Stimme, ohne zu wissen ob sie mich überhaupt hörte oder wahrnahm. So übermäßig das Verlangen war sie an mich zu ziehen und zu schützen, ließ ich ihr dennoch den Raum den sie brachte.

Erst als sie wieder näher kam, merkte ich wie angespannt ich war seit sie sich von mir zurückgezogen hatte und was für Sorgen in mir brannten, dass sie mich nicht bei sich wollte.
Ich merkte, dass ich keine Chance hatte, mein Körper würde nicht zulassen sie alleine gehen zu lassen.
Aber die Sorge war unbegründet, sie schloss mich nicht aus. Erleichtert ließ ich mit einem Seufzen die Anspannung aus meinen gliedern entweichen und ein Lächeln breitete sich auf meinen Lefzen aus.
Mein Blick erwiderte ihren und ihre schönen Augen sagten mir alles was ich wissen musste. Sie spiegelte meine eigenen Gefühle wieder und ich konnte den Grund ihrer wundervollen Seele sehen, während sie mich so ansah. Also versank ich noch ein bisschen mehr in den Gefühlen für sie, verlor ein Stück mehr meines einsamen Wanderers. Ich begleite dich bis ans Ende der Welt. So lange meine Pfoten diese Erde berühren und auch danach werde ich dein Schutzschild sein . Sprach ich die Worte aus die ich fühlte als ihre Seele sich meiner öffnete und sich das Band zwischen uns tiefer verankerte.

Endlich überbrückte sie den Abstand zwischen uns und ich drückte meinen großen Kopf an ihren zarten Rücken. Sie hatte den Schritt gehen müssen, da ich niemals etwas tun würde bei dem ich mir nicht sicher war ob sie sich damit wohlfühlte.
Erst bemerkte ich nicht, dass sie weinte. Doch die Anspannung ihres Körpers ließ es mich schließlich erahnen. Auch wenn mein Herz brannte, ließ ich sie weinen und leistete ihr einfach Beistand, Nähe und Wärme und hoffte es wäre genug.
Es werden wieder hellere Tage kommen, versprach ich leise und wartete mit Geduld darauf, dass die Tränen ihre Trauer und Angst wegspülen würden. Ich hoffte es konnte ihre innere Ruhe zurück bringen, den Weg frei räumen damit sich ihr Herz auf das Licht und die Wärme konzentrieren konnte, die sie umgab. Nicht nur von mir, auch von allen Wölfen die sie liebten und die zu ihr aufsahen. Auch wenn ich die leise Ahnung hatte, dass Lyvianne nie verstehen würde wie viele es wirklich waren.

Beinah hätte ich unzufrieden gebrummt als sie zurück trat und ihre Wärme mitnahm.
Natürlich habe ich recht, ein schnelles Grinsen wanderte über meine Lefzen.
Glücklich darüber, dass sie meine Gefühle erwiderte und ebenso erleichtert klang wie mich fühlte, wedelte meine Rute sachte hin und her.
Ich würde nirgendwo lieber sein, man hörte die Überzeugung in meiner Stimme und ich lächelte ihr aufmunternd zu. Wartete geduldig ob sie bereit war los zu gehen oder ob sie noch einen Moment brauchte um sich zu sammeln.

Erleichtert, dass sie scheinbar wieder bei Kräften war, entspannte ich meine Schultern.
Es war ein gutes Zeichen, dass sie an ihre Heilpflanzen dachte, zumindest hoffte ich das.
Wir könnten auch mal spazieren gehen wenn es wieder geht. Sagte ich mit einem vorsichtigen Lächeln, man hörte untypischer Weise, dass ich darum kämpfte die richtigen Worte zu wählen. Man merkte es daran, dass ich langsamer sprach und nicht so locker.
Irgendwann riss mich Lyvis Stimme aus meinen Gedanken. Wir wurden gerufen, stellte ich fest und drehte mich in die Richtung aus der ihre Stimme gekommen war. Dann trat ich ein paar Schritte zur Seite um sie sehen zu können. Hier vorne sind wir, ist alles in Ordnung? . Besorgt musterte ich meine Freundin, die erschöpft wirkte. Neugierig wanderte mein Blick zu dem weißen Rüden der bei ihr stand. Er wirkte freundlich aber ich konnte deutlich fühlen, dass fast seine gesamte Aufmerksamkeit auf Lyvi lag, obwohl er mich ansah.
Interessant

Ich ließ meinen Gefährten nicht gerne zurück wo er lag, doch als ich Lyvianne nach uns rufen hörte und wusste, dass er sich nicht bewegen würde stand ich auf. Ich schleckte ihm über das zerrissene Ohr und kletterte von unserer kleinen Erhöhung herunter. Auch Casanova reagierte zeitgleich mit mir und ich warf ihm ein Lächeln zu, ehe ich besorgt unsere kleine Alpha musterte, die völlig fertig wirkte. Hey, was ist los?