Ich war froh, dass sie es verstand.
Aber warum ist sie deshalb traurig? Ein Abschied? Wir waren Freunde, ja, aber sie war es schließlich auch gewesen, die nicht mehr gewollt hatte. Deshalb musste dies doch nicht das Ende unserer Freundschaft sein!
Es ändert nichts an unserer Freundschaft, wenn ich Kontakt zu den Rudeln suche. Deshalb bleibe ich doch im Tal. Ich bin auch deshalb nicht plötzlich ein anderer Wolf oder so. Es ist einfach die Suche nach einer Aufgabe. Kann gut sein, dass mich die Rudel garnicht wollen, ne? Dir habe ich es als Erste gesagt. Nun werde ich gehen und es Akela sagen. Ihr habt mir beide geholfen, aber die Entscheidung habe ich allein getroffen. Auch wenn ich erkannt habe, dass ich sie nicht brauche - ich wäre doch froh, wenn ich einen Chance hätte, meine Ehre zurückzugewinnen. Ich lebe und sterbe lieber mit als ohne Ehre.
Viele Worte - aber notwendig.
Nun, da alles gesagt war, trat ich hin zu Morgra, leckte ihr einmal über die Schnauze und machte dann kehrt - zurück in die Berge.

>>>> Berge

Nachdem ich ein paar Schritte gegangen war, erspähte ich eine kleine Wasseransammlung am Fuße eines hohen Baumes.
Wie mit Scheuklappen trabte ich hastig darauf zu und nahm gierig ein paar Schlucke. Es war nicht viel, eher eine kleine Pfütze.
Doch trotz seines sandigen Geschmacks, wirkte es unfassbar wohltuend auf meinen ausgetrockneten Fang.
Als ich den letzten trinkbaren Schluck kühlen Wassers meine Kehle herunterlaufen ließ, hielt ich plötzlich inne.
Da war jemand. Ich konnte ein leises säuseln vernehmen. Es klang wie Stimmen, ganz in meiner Nähe.
Erschrocken ließ ich meinen Kopf nach oben schnellen, die Ohren nach vorne gerichtet und lauschend.
Mein Durst muss mich so betäubt haben, dass ich sie zuerst gar nicht wahrgenommen hatte.
Erneute Verunsicherung beschlich mich. Ich war also wirklich nicht allein, nein, im Gegenteil. Blind vor Erschöpfung sind mir all diese fremden Gerüche
beinahe entgangen. Der Wald schien voll zu sein von ihnen.
Ich konnte nicht verstehen was die beiden besprachen, doch nach einer Weile drehte sich der Rüde ab und ließ die Fähe allein zurück.
Unsicher, ob ich bereits bemerkt worden war, tat ich vorsichtig einen Schritt zurück und beobachtete.
Fragen über Fragen türmten sich in meinem Kopf. Wo war ich? Sollte ich mich besser in Acht nehmen oder sogar recht bald das Weite suchen?

Du wirst immer mein Freund sein. Nur nich mehr ganz so unbeschwert. Seuftzend hatte ich Odhran über die Wange geleckt, kurz bevor er sich abgewandt hatte. Auch wenn er es nicht so sag, als Rudelwolf würden wir uns sehr lange nicht mehr sehen.

Einen Moment hielt ich still inne. Auch wenn du versuchst leise zu sein, bist du nicht gerade unauffällig. Sagte ich bewusst laut und drehte nur meine Ohren, nicht aber meinen Kopf in die Richtung des Rüden der uns offenbar belauscht hatte.

Trotz meiner Versuche mich nicht unnötig bemerkbar zu machen, hatte ich meine Chance ganz offensichtlich vertan.
Nun sprach die Fähe erneut, doch dieses mal deutlich hörbar. Ich gönnte mir einen kurzen Moment um mich zu sortieren,
doch so richtig gelingen wollte es mir nicht. Da war sie wieder. Diese unüberschaubare Situation, die ich doch so gern vermieden hätte.
Aber einen Ausweg gab es jetzt wohl kaum noch. Ich richtete mich auf, den Körper immernoch angespannt.
Die schnippische Art der dunklen Fähe lied nicht gerade zum plaudern ein. Dennoch versuchte ich mich nicht noch weiter beirren zu lassen.
"Wer sagt denn, dass ich versuche leise zu sein?"
entgegnete ich ihr eben so knapp.

Ich drehte meinen Kopf und blickte den Rüden an. Er war groß, sicherlich so groß wie ich und dunkel, das sah ich nun deutlich. Nun du schleichst hier herum, bedacht darauf leise zu sein. Aber deine Technik ist nicht ganz ausgefeilt. Fast musste ich ein wenig grinsen.
Was erhoffst du dir zu hören? Oder bist du nur ein Wanderer auf deiner Suche nach Nähe? Brummte ich schnippisch und grinste.

Die Art der Fähe wurde nicht weniger spöttisch, was mich dazu veranlasste ihr Verhalten ebenso zu erwiedern.
"Du wolltest mir noch verraten wie du darauf kommst, dass ich schleiche? Ist das etwa deine Art dich unauffällig zu verhalten?"
Natürlich war mir bewusst wie tölpelhaft ich in diese Situation gestolpert war, doch wollte ich mir diese Blöße ungern geben.
Immerhin war mir noch immer nicht bewusst wo ich mich befand und in was ich dort hineingeraten war.
Das grinsen der schwarzen löste Missmut in mir aus. Für eine fremde lehnte sie sich ganzschön weit aus dem Fenster.

Fast war da eine Spur Misstrauen von meiner Seite. Vorerst ignorierte ich seine Aufforderung nach einer Erklärung. Wer bist du? Ich kenne dich nicht; also musst du neu hier sein. Wachsam hatte ich meine Ohren nach vorne gedreht, waren sie doch eben noch Odhrans leiserwerdenen Pfoten gefolgt. Ich behielt eine leichte Verteidigungshaltung bei. Der Rüde schien mitgenommen. Fast wie ich als ich hier ankam. Ich machte einen Schritt auf ihn zu, schaute ihn mit schief gelegtem Kopf an. Inspezierte ihn. Genau. Ich sah Narben. Ein bewegtes Leben würde ich vermuten. Der Spott war gewichen.

Meine Ohren schnippten nach hinten. Ich hatte mich so auf die Fähe fixiert, dass mir der neue Geruch der in der Luft lag beinahe entgangen wäre.
Die schwarze hatte es in sich, das stand fest, doch eine Gefahr ging bislang nicht von ihr aus.
So wagte ich es mich umzudrehen und in die entgegengesetzte Richtung zu blicken. Dort, nur ein Stück weit entfernt, meinte ich ein Augenpaar erhaschen zu können.
Was sollte das nun wieder? War das ein Hinterhalt? Unruhig starrte ich weiterhin in die Richtung der Augen, die im Abendlicht fast nicht zu erkennen waren.
Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Dieser Ort hatte etwas seltsames an sich und war bei weitem nicht so verlassen, wie ich vor kurzem noch angenommen hatte.

Als die schwarze sich ein Stück auf mich zu bewegte erstarrte ich.
Ich drehte meinen Kopf wieder zu ihr, die Ohren weiterhin in die Richtung des neuen Geruchs gewendet.
Ich wusste nicht so recht was ich ihr antworten sollte, so entschied ich mich für das erste, das mir durch den Kopf schoss.
"Hatten wir das nicht alle?"
sagte ich, schon fast etwas leise.

Ich nickte nur stumm. Seinem Blick folgend könnte ich ein Augenpaar in der Dunkelheit ausmachen. Wie ein Schlag in die Magengrube wurde mir klar das meine Beute noch freilag. Es hatte mir bei Odhran nichts mehr ausgemacht, ich kannte und traute ihm. Hier war es anders. Unweigerlich stellten sich mir die Nackenhaare auf und ich legte die zerrissenen Ohren an. Unauffällig wanderte mein Blick hinter mich, schoss zurück vor als der Rüde seine Aufmerksamkeit wieder mir zurichtete. Dann will ich dich nicht weiter stören...