Dir muss gar nichts leid tun Kleiner. Ich pustete über Rolfs Nacken, als ich erst bemerkte was für ein Trubel hier herrschte. Ich sah Svoboda überfordert an, als sie ausgerechnet mich nach einer Pflanze fragte. Ich würde dir gerne helfen, aber ich kann es nicht. Ich kenne die Pflanze nicht und kann sie auch nicht suchen. Ich rieche schon seit Jahren nichts mehr, es tut mir leid. Das entspracg leider der Wahrheit. Der einzige Geruch den ich, mit viel Einbildung, wahrnehmen konnte, war der von meinem Gefährten, aber auch das nicht immer. Hilflos zuckte ich mit den Schultern. So gerne ich auch geholfen hätte, ich konnte es nicht.
Ich hörte, was Gunter sagte und nickte verständnisvoll. Ich laufe mal zum Felsenwald. Dort sind viele Bäume und wohl auch schattige dunkele Plätze. Vielleicht finden ich dort das Gesuchte. Doch bevor ich mich auf den Weg machte, machte ich noch für Saikko die notwendigen Breiumschläge mit Brennenesselbrei, Beinwell, Johanniskraut und Weidenrinde. Durch den Beinwell klebte alles hervorragend und verschloss die Wunde. Dann lief ich los.
Als ich eine Weile alleine im Lager herum spielte, wollte ich wieder einmal raus aus dem Lager und in den Wald. Ohne darüber nachzudenken ob ich einfach so weg gehen darf, spatzierte ich aus dem Lager und lief Richtung Wald.
Ich betrat den Rudelplatz und legte meine Beute ab, wo ich sie rasch bei der Pfote hatte, wenn die Medizin gebraucht werden sollte. Saikko schlief und auch ich legte mich irgendwo in die Nähe zum Ausruhen, wo ich alles überblicken konnte.
Als ich sah das Svoboda auch ausruhen wollte, lief ich zu ihr, ich hielt etwas Abstand, legte mich hien und stützte meinen Kopf auf die Vorderpfoten. Mit Blick in die Ferne, schloss ich langsam meine Augen.
Ich bemerkte wohl, dass der Kleine mir gefolgt war. Er hielt sogar respektvollen Abstand zu mir ein, als er sich ebenfalls hinlegte. Als würde ich ihm etwas tun! Ich habe noch nie einem Welpen etwas getan. Tatsache war, ich kannte mich auch überhaupt nicht mit ihnen aus. In meinem Heimatrudel war ich der Welpe gewesen, bevor ich gehen musste, um Platz zu machen. Bei den Menschen gab es keine Welpen. Ich mochte Kaya, er war so jung und tapfer! Aber ich wusste auch nicht so recht, wie ich mit ihm ungehen sollte. Komm´Kleiner! Kuschel dich ruhig bei mich! meinte ich schließlich zu ihm.
Ich hörte wie die Fähe zu mir sprach und stand auf und ging näher zu ihr hien. Ich rollte mich zwar näher bei ihr ein, jedoch war ich noch unsicher, wie sehr ich Svoboda Vertrauen konnte. Trotz dem Hintergedanken fühlte ich mich sicherer. Danke flüsterte ich leise, bevor ich meine müden Augen schloss und langsam einschlief.
Sieben weitere Tage waren vergangen. die anderen Rudelmitglieder beachteten mich nicht weiter und niemand wollte mit mir reden. In den ersten Tagen hatte ich noch Saikkos Wunden versorgt, aber dann war das wohl nicht mehr nötig. Es war ein komisches Gefühl, das ich empfand. Jetzt war ich Teil eines echten Rudels und doch schien es keinen wirklich zu interessieren. Das war ernüchternd. Ich hatte manche Hoffnungen gehabt. Traurig erhob ich mich und schlich davon. Allein sein konnte ich auch woanders. Es zog mich in die Berge.
Ich war in den letzten Tagen immer wieder abgedriftet in die Dunkelheit. Die wenigen wachen Momente war Svoboda oftmals rasch da gewesen, und sei es nur um mir Wassergetränktes Moos an den Fang zu drücken damit ich etwas trank, oder die Wunden zu behandeln.
Noch immer spürte ich Schmerzen in der Schulter als auch dem Hinterlauf, doch die Wachmomente waren nun länger, und nicht mehr von fiebrigen Träumen begleitet. In einem der Wachmomente bemerkte ich, dass Svoboda den Rudelplatz verließ. Ich fiepte auf, da ich noch immer recht geschwächt war, und rappelte mich mühsam auf. Meine Schulter fühlte sich taub an, doch das ignorierte ich gekonnt und stackste aus der Kräuterhöhle. Unsicher sah ich in die Richtung in welche Svoboda gegangen war. Ich konnte ihr nicht folgen, oder sie gar rufen - auch wenn ich beides gerne getan hätte.
Ich kehrte zurück zum Rudelplatz und fand alles unverändert vor. Die Schläfer schliefen und die Verletzten genasen. Ich war nur 1 Tag fortgewesen, aber hier schien die Zeit irgendwie anders zu verlaufen. Ein rascher Blick sagte mir, dass Saikko wohl in der Zwischenzeit aufgewacht war, aber im Moment war sie nicht ansprechbar. Ich fühlte ihre Temperatur und merkte, dass das Fieber schwand. Sie war über den Berg, wie ich bereits vermutet hatte. Es war gut, dass ich den Penilinpilz benutzt hatte, denn das Fieber war ja tatsächlich gekommen. Doch nun ging es wieder und keine Wolfsseele musste der großen Mutter entgegenlaufen. Saikko mochte mich nicht, das war mir klar, aber das spielte jetzt keine Rolle. Ich plazierte das leckere gerupfte Geflügel direkt vor ihrer Nase, so dass sie nur zubeissen musste, wenn sie wieder einmal erwachte. Fieber schwächte Wölfe und Menschen. Die Kräfte müssen erst wieder kommen. Doch Saikko war jung, wollte leben und würde einen richtigen Wolfshunger haben, wenn sie erneut erwachte. Sie musste ja nicht wissen, dass ich es war, der ihr die Beute vor die Nase gelegt hatte. Mit einem stummen Blick, einem verlegenen Wedeln meiner Rute und mehreren Ohrenzuckern bat ich Gunter, der wie stets alles im Blick hatte, mich nicht zu verraten. Dafür erhielt er auch den übrigen Vogel, obwohl ich vorher noch ein Bein abtrennte und es dem kleinen Kaya hinlegte. So, mehr konnte ich jetzt nicht tun! Ich schätzte kurz die Situation ab, ob noch weitere Heilkräuter benötigt wurden, fand, es seien im Moment ausreichend vorhanden - und verließ das Lager wieder. Ich war gut gelaunt, satt gegessen und wollte etwas erleben.
Ich kam wieder am Rudelplatz an. Es dauerte etwas länger, denn unterwegs hatte ich noch etwas Moos, Weidenrinde und Brennnesseln gesammelt. So hatte ich auch Zeit um über Dinge nachzudenken und die Heilmittel wurden allemal gebraucht. Sogar ein Eichhörnchen huschte mir vor die Fänge und ich fing es reflexartig, bevor ich noch wusste, was es war. Ich packte es am Schwanz, zusammen mit dem Grünzeug und brachte alles zum Rudelplatz. Das Grünzeug legte ich bei Saikkos Vorräten an und das Eichhörnchen bei Iki. Er war kein großer Jäger, so hatte er gesagt. Wer immer nur Hasen jagt, wird ein Eichhörnchen sicher nicht verschmähen. Dann suchte ich mir eine eigene Höhle. Es wurde Zeit, dass ich wenigstens einen festen Platz für mich hatte und Höhlen gab es hier reichlich. Ich wählte eine, von der ich gut das Geschehen im Zentrum des Rudelplatzes verfolgen konnte, aber die trotzdem etwas abseits lag. Dem Geruch nach, war sie schon lange nicht mehr benutzt worden.
Ich erwachte nach ausgiebigem Schlaf, den keiner gestört hatte. Der Rudelplatz hatte wirklich den Vorteil, dass es dort zwar etliche Wölfe gab, aber dennoch viel Ruhe. Ich gähnte und blinzelte, streckte mich und sah hinüber zu Gunter und Rolf. Da tat sich nichts. Auch Kaya war nicht aktiv, von Casanova konnte ich nichts sehen und ebensowenig von Iki. Saikko lag noch an ihrem Platz und hatte den leckeren Moorhahn nicht angerührt. Ob sie wohl wieder Fieber bekommen hatte? Ich lief hinüber, um das zu überprüfen, aber es sah alles danach aus, als ob sie nur sehr tief schlafen würde. Kein Wunder nach einer solchen Verletzung! Dann lief ich zu dem Rehbock, meiner Beute. Ich stellte fest, dass noch niemand davon gefressen hatte. Mochten sie meine Beute etwa nicht? Ich verstand das nicht und war im ersten Moment ziemlich verdattert. Der Rehbock war nun schon etliche Tage alt und kein Wolf hatte ihn angerührt. Hatte ich ein Tabu verletzt? Ein Gesetz übertreten? Oder wolten die anderen Wölfe etwa nicht, dass ich jage? Mein altes Rudel hatte sich immer gefreut, wenn ich Beute nach Hause brachte. Was war hier so anders? Ich setzte mich auf die Hinterbeine, kratzte mich ausgiebig mit der Hinterpfote am Kopf und überdachte das Problem. Lag es an der Anführerin? Sie hatte etwas zerfahren gewirkt, aber durchaus aufmerksam, auch wenn sie noch jung war. Sie hatte mir keine Befehle erteilt und auch keine Aufgaben zugewiesen. Hieß das etwa, dass es unerwünscht war, wenn ich versuchte, etwas für das Rudel zu tun? Ich konnte mir das eigentlich nicht vorstellen. Im Rudel sollte man sich doch nützlich machen, oder nicht? Ich verstand schon, wenn man mir misstraute, aber das war doch etwas anderes, oder nicht? Langsam begann ich zu bereuen, mich dem Rudel angeschlossen zu haben. Ich hatte gehofft Gesellschaft, nette Wölfe, ein Gemeinschaftsgefühl zu erleben, helfen zu können, nützlich zu sein, Aufgaben zu haben, aber ... irgendwie ... war nicht, ne? ... Es stimmte schon, dass man nicht böse zu mir war. Gut, Rolf mochte mich nicht, die Anführerin misstraute mir und Saikko, Saikko war vermutlich nur eifersüchtig, aber es gab weder Vorwürfe noch Herausforderungen - nur Schweigen. So allmählich hatte ich auch das Gefühl, dass es jeden im Rudel einen Kaninchenschiss interessierte, ob ich da war, kam oder ging. Ich wog behutsam das eine gegen das andere ab und kam zu keinem befriedigenden Ergebnis. Doch eines zählte. Ich hatte mich der Anführerin unterworfen und ich würde nicht einfach zum Verräter werden, auch wenn es vielleicht keinen interessierte. Vielleicht hatte ich einen Fehler begangen, aber ich würde ihn auch ausbaden. Ich hatte noch niemals im Leben gelogen und ich würde auch nicht meinen Eid brechen. Aber wenn mich das Rudel nicht mochte und nicht wollte, konnte ich immer noch die Anführerin bitten, mich aus dem Eid zu entlassen. Damit hätte die sicher kein großes Problem - im Gegenteil!
Ich brachte nun schon einige Zeit damit zu über meinen Gefährten zu wachen, der schlief und seine Kräfte langsam wieder aufbaute. Zumindest soweit das möglich war. Seit den ich ihn zu der letzten Mahlzeit überredet hatte, hatte er wieder nichts gefressen. Ich legte die Ohren zur Seite und meinen Kopf auf seinem Rücken, mich nur auf seine Atmung konzentrierend.
Heute morgen wachte ich früh auf und meine Laune war bestens. Ich verließ meinen Schlafplatz frisch und ausgeruht und beschloss, das Revier weiter zu erkunden. Am schönsten fand ich es bisher im Felsenwald. Also lief ich dorthin.
Wolfsrudel - Das Leben der fünf Rudel
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05.04.2018 21:06 (zuletzt bearbeitet: 05.04.2018 21:07)
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