Nachdem ich gut gegessen hatte, verbesserte sich meine Laune - und meine Unternehmungslust.
Ich streunte planlos durch den Wald, bemerkte nebenbei die entfernten Gerüche anderer Wölfe und erinnerte mich, wie ich früher so sorglos durch den Wald gelaufen war, wo meine Familie gewohnt hatte.
Ein Wald ist einfach der beste Lebensraum für einen Wolf, dachte ich.
Dann fielen mir meine Freunde wieder ein, mit denen ich solange zusammen gelaufen war. Jetzt waren sie alle tot.
Selbst Lena!
Ich schluckte die Aufwallung von Trauer hinunter.
Es machte keinen Sinn, bei den Gebeinen der Liebsten zu verharren.
Also lief ich weiter und weiter, bis ich plötzlich am Ufer eines grossen Flusses angekommen war.

>>>>> Großer Lachsfluss

Ich lief im Trab durch den Wald und überdachte das Geschehen.
Der junge Wolf war ein Großmaul gewesen. Ich hätte ihn leicht besiegen können, aber wozu? Die Fähe hatte kein Interesse an mir und mir das mit wohlgesetzten Worten deutlich gesagt.
Kein Wunder! Wer mochte schon einen Bradwr, einen Verräterwolf.
Ich sollte mich damit abfinden, dass ich ein Ausgestoßener war.
Kurz darauf fing meine Nase einen bekannten Geruch ein.
Das war doch ... Morgra !
Ich erinnerte mich an die etwas ruppige große schwarze Fähe.
Jetzt strahlte auch sie diesen besonderen Duft aus, den man nicht so einfach ignorieren konnte.
Sollte ich mich ihr nähern?
Ich war unschlüssig.

In Gedanken versunken hatte ich einen Moment alles um mich herum vergessen. Das war gar nicht mein Ding und so berappelte ich mich gleich wieder zum Anstand.
Meine Nase zuckte unaufhörlich nach neuen, fremden und alten bekannten Gerüchen. Mir schwirrte schon der Kopf vor lauter Stimmen, Gerüchen und Gelüste.
Dann stieg mir ein sehr intensiver, naher Geruch in die Nase. In meinem Kopf formte der Geruch ein Bild und ich war mir sicher den Wolf zu erkennen. Wenn das nicht Odhran ist. Den hab ich schon ewig nicht mehr gesehen. Oder gerochen. Ich hob meine Schnauze ein Stück und witterte ob ich hervorahnen könnte woher er kam.

Da war sie auch schon. Sie hatte gerade ihren Kopf erhoben und nahm Witterung auf - vermutlich meine.
Nun, wenn es denn so war, dann sollte es wohl so sein.
Hallo Morgra, begrüßte ich sie mit typischer Einsilbigkeit.
Worte denken und Worte formulieren waren zwei verschiedene Pfoten.

Na wen haben wir denn da... tat ich mit gespielter Überraschung. Das man dich nochmal hier antrifft. Vorsichtig grinste ich ihn an, bewegte meinen Kopf in seine Richtung, blieb aber entspannt liegen. Sein Geruch überdeckte jetzt alles andere. Bescheuerte Jahreszeit! Es beunruhigte mich, dass ich nun völlig geruchsblind hätte überrascht werden können. Das war eine Schachstelle und diese wollte ich mir eigentlich nie erlauben.

Ich spürte eine leichte Unsicherheit bei ihr.
Sie war eine erfahrene Kriegerin und gab sich nur ungern eine Blöße. Das verstand ich. Aber ihr war auch die Tatsache bewusst, dass es eben diese Jahreszeit war.
Ich beschloss es behutsam anzugehen.
Meinen Respekt! grüßte ich sie nochmals.
Ich hoffe, es ist dir wohl ergangen.
Versuchsweise wedelte ich mit meiner Rute.
Dann grinste ich sie ebenfalls an.

Das ist es wohl. Ich nickte steif. Ich hab mich einem Haufen anderer freier Wölfe angeschlossen. In dem Moment wurde mir bewusst, dass ich alleine mitten im Wald hockte, wie ein Streuner. Aber ich muss ab und an den Kopf frei bekommen. Versuchte ich meine Lage zu erklären. Zuviele Dramen und Welpen und so. Flüsterte ich halblaut und grinste.
Was ist mit dir? Ich tat es ihm gleich und wedelte auch mit der Rute, welche dabei immer wieder stumpf auf das Moos klopfte auf dem ich lag.

Ich war längere Zeit in den Bergen. Sie sind so schön - und frei. Hier rennen überall andere Wölfe herum, aber da oben ...
Sehnsüchtig erinnerte ich mich an den kalten klaren Wind, die Schneeböen, die reine Luft ...
Ich sog die Luft mit der Nase ein und wurde mir erneut sehr deutlich bewusst, wie verlockend diese Fähe duftete.
Da oben vergeht die Zeit und es kann sein, dass man sie einfach vergisst.
Dann besann ich mich. Morgra sollte mich nicht für einen verrückten Spinner halten.
Welpen gab es da auch. Eine Fähe brachte in einer Spalte Junge zur Welt. Sie hatte weder ein Rudel, noch einen Clan oder einen Gefährten. Ich habe ein wenig für sie gejagt. Es war keine Mühe. Ich mag es nicht, Welpen sterben zu lassen. Dann zog sie fort. Eine Alphawölfin sprach mit ihr. Offenbar hatte sie doch zu einem Rudel gehört.
Warum erzählte ich ihr das alles bloß? Sie musste mich für einen Schwätzer halten.

Berge, brrrrr. Ich hasste die Berge seit ich denken konnte. Deswegen trieb ich mich dort auch nie herum. Die Höhe war eine der wenigen Sachen die mir wirklich Angst bereiteten. Ich schob den Gedanken an Klippen und Abgründe beiseite und lauschte Odhran bei seiner Schwärmerei.
Ich nickte bedächtig als er abschloss. Dank deiner guten Tat wird die große Wolfsmutter dich nun sicher ins Paradies geleiten wenn du stirbst. Ich holte etwas schwung und dann rappelte ich mich auf die Beine und schüttelte mir das Laub und den Dreck aus dem Fell. Was ist nun dein Ziel?

Ich schmunzelte über ihre Ironie - oder war es Sarkasmus?
Gute Tat - Pah!
Ich habe noch nicht vor zu sterben und mein Ziel ist es im Moment nur einfach gut und friedlich zu leben, aber nicht zu friedlich, falls du weißt, was ich meine!
Auffordernd knuffte ich sie leicht in die Flanke.
Und wie steht´s mit dir? fragte ich sie lachend, während ich gutgelaunt meine Rute hob.

Davon bin ich auch nicht ausgegangen, dass du als bald die Pfoten gen Himmel reckst. Bellte ich. Bei seiner Berührung zuckte ich zunächst zusammen. Alles in meinem Körper schrie Alarm. Dann wandte ich mich um, packte Odhran im vorsichtig aber bestimmt am Nackenfell und zog ihn kräftig zur Seite, sodass er zumindest straucheln, wenn nicht sogar auf die Seite fallen sollte. Nanana! Jetzt werd mal nicht frech! Ich grinste breit und entblößte meine Zähne. Ich mach was ich am besten kann, begann ich auf seine Frage zu antworten. Ich schlag mich durch. Mit oder ohne andere Wölfe. Aber alles in allem schein ich eine ganz nette Truppe am Fluss gefunden zu haben. Und die Höhle ist trocken und Futter gibts auch genug, bei mehr Jägern.

Sanft aber bestimmt - ganz wohldosiert- hatte sie mich gepackt und mir damit gleichzeitig ihre Stärke aber auch ihr Wohlwollen demonstriert. Mein Blut geriet in Wallung und der Duft, der von Morgra ausging begann meinen Verstand zu benebeln.
Sie hatte eine Truppe am Fluss gefunden? Andere Wölfe, die nett waren? Es gab Futter und so weiter? Warum war sie denn hier und jetzt ALLEIN?
Gab es denn da keinen annehmbaren Rüden? Anscheinend nicht.
Natürlich fiel ich nicht auf die Seite, denn mein Gleichgewichtssinn war sehr ausgeprägt. Aber es wäre unhöflich gewesen, dieser resoluten und doch so feinfühligen Dame nicht entgegen zu kommen. Also ließ ich mich langsam zu Boden sinken, während meine Flanke allmählich an ihrer Flanke vorbeistrich und sich unsere Gerüche zu vermischen begannen. Ich genoß jeden einzelnen Augenblick davon und als ich sie so neben mir spürte, flüsterte ich ihr leise in Ohr:
Lass´uns einfach Spass haben, meine Geliebte!

Und da war sie, die Situation vor der mein Innerstes sich schreckte und sich gleichzeitig danach verzehrte. Und nun stand ich da. Verdutzt. Hin und her gerissen zwischen dem was richtig ist und dem was in diesem Moment für mich zählt. Mir schwirrte der Kopf und mehr als dümmlich dreinschauen vermochte mein Gehirn nicht auf die Reihe zu bekommen. Sonst war ich auch nicht auf das Maul gefallen und trotzdem war ich nicht in der Lage mich zu rühren oder etwas zu sagen. Ich wagte es nicht einmal zu atmen, der Geruch des dunklen Rüden würde meine Selbstbeherrschung über den Haufen werfen. Und so stand ich da, stumm und starr wie ein Vollidiot und starrte hinunter auf Odhran wie er mir zu Pfoten lag.

Sie blickte mich an mit einem Blick, der Zeiten und Welten durchdringen vermochte. Irgendwie lag Erfahrung genauso darin, wie Unschuld. Mit einem Mal kam mir diese große starke Fähe so ungemein verletzlich vor und ich schämte mich fast, ihre Situation auszunutzen. Doch hinzu kam ein Gefühl, ein Gefühl, dass ich schon sehr lange nicht mehr gespürt hatte, nicht mehr als sie, die meine Geliebte gewesen war, vonj meinem Vater vertrieben worden war.
Es war das Gefühl, für jemanden da sein zu wollen und der Wunsch, ihm ganz nahe zu sein...

Sanft leckte ich ihr über den Fang und tatzte spielerisch nach ihrem weichen Brustfell.
Komm´zu mir, meine Geliebte! Lass´uns die große Wolfsmutter ehren!

Irgendwann musste ich wieder anfangen zu atmen, sonst wäre ich wohl oder übel der Ohnmacht nahe gewesen.
Ich schnappte nach Luft wie ein Fisch der aus dem Wasser gezogen wurde. Und das war dann auch das Ende meiner Beherrschung. Der Geruch brannte sich fast schon in meine Lunge. Es war unmöglich einen klaren Gedanken zu fassen. Kurz schloss ich meine Augen doch auch das brachte mir keine Erleichterung. Ich wedelte vorsichtig mit dem Schwanz, leckte über Odhrans Ohr und schnappte vorsichtig danach. Ich fühlte mich wie in Trance. Meine Seele war nicht mehr mit meinem Körper verbunden und meine Handlungen waren nicht mehr von Versand sondern nurnoch von Instinkt geleitet.