Nachdem Onkel Önix nicht mehr reagiert hatte, hatte ich mich enttäuscht abgewandt und mich inmitten des Rudelplatzes auf die Erde gesetzt. Mama sprach mit Jace, während Kasai den neuen Wolf unter die Lupe nahm. Gelangweilt hatte ich mich schließlich auf die Seite geworfen und war eingeschlafen. Und dies offenbar sehr lange.

Weitere Monate vergingen. Ich war größer geworden und meine Stimme hatte einen seltsamen Klang bekommen. Erst ungewohnt quietschig wurde sie schließlich dunkel und tiefer. Da sich niemand mehr großartig um mich kümmerte, verließ ich zwischendurch immer wieder den Rudelplatz und probierte mich im Jagen. Es war schwer. Sehr schwer. Immer wieder wurde ich von Fehlschlägen demotiviert, doch schlussendlich gab ich es nicht auf. Und dann war ich endlich soweit und konnte einen Hasen jagen. Zufrieden kehrte ich wieder zurück und legte den Hasen am Rande des Rudelplatzes ab, wo er mit der Zeit verweste.

Heute wurde ich wieder geweckt. Weißer Regen fiel vom Himmel und es war deutlich kälter. Mein Fell war schwerer und auch plüschiger geworden. Doch all dies war nebensächlich. Mit großen Augen starrte ich zu dem weißen Zeug auf, welches auf mich herabnieselte und dabei vereinzelt den ein oder anderen Tanz aufführte. Regen!, rief ich laut über den Platz, während ich schließlich umhersprang und dem Zeug meinen heißen Atem entgegenblies.

Nein kein Regen. Das ist Schnee, sagte ich sanft während ich mich in der Nähe meines Sohnes nieder ließ.
Ich hatte ihn vernachlässigt, hatte alle vernachlässigt. Aber ich konnte nicht mehr, ich war am Ende meiner Kräfte gewesen.
Luens Verlust hatte mich von innern zerfressen und mir den Sinn genommen.
Nicht ein mal die Liebe zu meinen Kindern hatte daran etwas ändern können, doch ich war nicht gestorbem. Ich hatte nicht komplett auf gegeben. Die Liebe zu Toboe und Jace hatten mich am Leben gehalten und nun wagte ich den ersten Schritt um wieder daran teil haben zu können.

Ich hatte wachsam und auch durchaus mit wachsendem Stolz Toboes Jagdtraining beobachtet. Zugleich hatte ich jedoch auch immer wieder meine Ohren zu Gin gedreht, falls er ein Anliegen haben sollte. Als Toboe den Schneefall als Regen bezeichnete musste ich weich lächeln und beobachtete dann wie Xena zu ihrem Sohn ging. Unser rudel..muss wachsen..sonst werden uns andere Rudel überrennen. Murmelte ich nachdenklich und erhob mich. Mein Fell stach aus dem weiß um mich herum hervor, wie ein Feuer dass sich über den verschneiten Boden bewegte. Ich begann damit ein paar Kreise zu gehen, um meinen Kreislauf anzuregen. Dabei witterte ich wachsam. Schließlich trat ich wieder zu Gin. Ich..werde die Grenzen ablaufen und markieren..sollte etwas sein heul bitte nach mir.. Ich wusste nicht wieso ich ihm vertraute, doch im Moment war es wichtig dass wir unser Revier nicht verloren. Im leichten Trab setzte ich mich in Bewegung.

-->Stillgelegte Gleise

Kauend hatte ich meine Aufmerksamkeit voll und ganz auf den Bissen Fleisch konzentriert. Das zarte Fleisch schmolz regelrecht auf meiner Zunge. Doch auch dieser Bissen war irgendwann verschwunden und mein Magen gefüllt, sodass ich nach einiger Zeit aufsah und dabei mal wieder geradewegs auf den Rudelplatz blickte, dessen Anblick jedoch von dichten Schneeflocken getrübt wurde. Dennoch war Zufriedenheit alles, was man in meinem Blick glitzern sah.
In meinem Kopf wirbelten Gedanken über unbeantwortete Fragen, vor allem bezüglich Luen. Ich wollte jedoch auch etwas über die vielen Rudel erfahren, immerhin kannte ich bisher nur drei. Die Nebel-und Silberwölfe waren mir noch gänzlich unbekannt. Langsam erhob ich mich. Ich würde meinen Wissendurst wohl vorerst zügeln müssen. Immerhin sollte ich auch das Zigeunerrudel erst einmal näher kennenlernen, ehe ich weiterzog. Gerade weil mein Bruder hier sein Leben verbracht hatte, sollte ich in seinem Andenken mehr Zeit investieren. Ach Bruder...
Leicht neigte sich mein Kopf in den Nacken, doch das dunkle Heulen verließ nicht meine Kehle. Stattdessen sah ich einfach nur zu den Baumwipfeln der angrenzenden Wälder auf und betrachtete den Himmel, aus dem sich stetig die dicken Schneeflocken lösten. Mein hellbraunes Fell war schon zugeschneit und auch der Rudelplatz nahm allmählich eine weiße Färbung an. Und mittendrin stand einer meiner Neffen und sprang begeistert umher. Sein Ausruf sorgte für Verwirrung meinerseits, doch vermutlich hatte er einfach noch nie Schnee gesehen. Mit hochgezogenen Augenbrauen warf ich einen kurzen Blick zu Kasai, ehe ich meinen Blick wieder auf Toboe richtete. Ein Lächeln zierte meine Lefzen. Er war größer geworden. Xena kümmerte sich sogleich um ihren Sohn, während Kasai aufstand und den Rudelplatz verließ, nicht ohne noch ein paar Worte an mich zu richten.
Ich nickte. Als die Rote zwischen den Bäumen verschwand, trat ich langsam auf Xena zu und sah sie fragend an. Ruhe und Freundlichkeit lagen in meinen Augen, jedoch auch Vorsicht. Ich wusste nicht, wie empfindlich sie noch wegen Luen war, an dem ich sie mit großer Wahrscheinlichkeit ständig erinnerte. Entschuldige bitte die Störung Xena. Ich wollte dich fragen, ob ich mir mal innerhalb eures Reviers die Beine vertreten dürfte.

Langsam und mit durchaus nachdenklichem Blick trabte ich wieder auf den Rudelplatz. Ich vermied es den Blickkontakt mit einem der anderen zu suchen. Statt dessen lief ich zu der Geburtshöhle und schnupperte am Eingang, ehe ich über den Boden vor dem Bau - in welchem Xena die Zwillinge geboren hatte - herum kratzte und mich mehrmals um mich selber drehte, ehe ich mich tief seufzend vor dem Eingang zusammen rollte. Die Augen schließend versuchte ich die Welt um mich herum auszublenden, konnte aber nicht verhindern dass mir Tränen der Sehnsucht über die Wangen rollten. Luen..komm zurück..bitte komm zurück.

Ich erwachte und erblickte zuerst ein weißes Glitzern auf meiner Schnauzenspitze. Nachdem ich schielend feststellte, dass es wie ein kleiner Stern aussah, war es auch schon verschwunden. Neben mir auf dem Boden lagen ebenfalls kleine weiße Sterne, aber ich hatte nicht das geringste Bedürfnis, darin herumzutollen. Wie oft, seitdem Papa fort war, hatte ich zu überhaupt nichts Lust, es war ein Wunder, dass ich überhaupt dazu kam, was zu essen, aber das passierte nur, wenn die Schmerzen im Bauch ausschlugen. Meistens hatte ich so rumgelegen und meinen Bruder dabei beobachtet, wie er gelegentlich den Platz verließ und manchmal mit kleiner Beute zurückkehrte. Ich war dünn geworden, ungesund dünn.

Toboe beobachtete ebenfalls die weißen Flocken, offenbar mit mehr Euphorie als ich selbst, denn er sprang ihnen entgegen. Mama war auch bei ihm und erklärte, dass man die Sterne Schnee nannte. Langsam und träge trottete ich auf die beiden zu, während sich der Wolf, der Papa ähnelte zu ihnen gesellte. Ohne was zu sagen, ließ ich mich neben allen zu Boden sinken und sah müde von einem zum ändern.

Ich sah meinem Sohn zu und ein trauriges warmes Lächeln lag auf meinen Lefzen , mein Blick wanderte in den Himmel und sendete einen gedanken an meinen Gefährten. Dann kribbelte mein Nackenfell als mir der Wolf hinter mir deutlich bewusst wurde. Sein Geruch der so viel Sehnsucht und verwirrende Gefühle und Gedanken weckte , umhüllte meine Nase und ich musste eine Sekunde die Augen schließen. Natürlich kannst du das tun, du bist unser Gast, meine Stimme war beinah so sanft als würde ich mit meinen Kindern sprechen. Ich traute mich nicht ihn an zu sehen, traute mich nicht den kleinen Teil im hinteren Bereich meiner Gedanken und meines Herzens der fantasie zu berauben es wäre Luen der bei mir stand. Aber dann drehte ich mich doch um, riss mich zusammen da ich verstand wie wichtig es für mich war abzuschließen. @Gin, es war keine Frage und kein Anfang eines Satzes. Ich hatte nur das Bedürfniss den Namen auszusprechen um mir ins Gewissen zu rufen wer hier und jetzt bei uns war. Ich lächelte ihn an, wand eine Weile meinen Blck nicht ab bevor ich dann langsam auf die andere Seite meines anderen Sohnes trat.
@Jace wollen wir etwas zusammen machen ? du könntest deinem Onkel das Revier zeigen oder mit deinem Bruder und mir etwas jagen gehen, fragte ich noch sanfter und leckte meinem Sohn über den Kopf. Ich machte mir große Sorgen um ihn, er war so unglaublich dünn geworden.

Wie lange mochte ich hier wieder gelegen haben, ohne meinem Körper die nötige Nahrung oder Bewegung zu geben? Ich wusste es nicht. Für mich was das Leben zeitlos geworden. Bald würde es Frühling werden. Neues Leben überall sprühen. Aber hier im Rudel? Nein hier würde sich nichts ändern. Nicht ohne Luen.

Ich raffte mich mühselig auf, wobei meine Pfoten zitterten. Noch immer schien mein Körper dem Gefühl zu erliegen, dass er reglos in der Grube verkümmert. Nur langsam, viel zu langsam fuhr meine Zunge über die trockene Nase. Langsam trottete ich zum Kadaver und begann zu fressen, noch immer hatte ich die Umgebung um mich aus geblendet. So nahm ich für mich auch Xena und ihre Söhne nicht wahr, nicht Phoenix und Wright..und auch nicht Gin. Ich war allein.

Langsam trottete ich wieder zur Höhle zurück, und begann diese zu zubuddeln. Eine Geburtshöhle würden wir nie wieder brauchen, und ich wollte die schmerzhafte Vergangenheit begraben. Auch wenn meine Bewegungen steif, ja fast schon unkoordiniert wirkten und ich mit den Pfoten immer wieder abrutschte - zu fallen drohte. In meinen Augen lag kein Licht mehr - Leere.

Ich seufzte. Eigentlich wollte ich ja gar nichts tun, aber das konnte ich ja wohl kaum die ganze Zeit durchziehen. Da Kasai die Höhle zu schüttete blieb die Möglichkeit, sich darin zu verkriechen wohl auch aus. "Na gut." Ich stand auf und ging zu Gin. Ja, er sah aus wie Papa, zumindest soweit ich mich erinnern konnte. Ich konnte damals ja gar nicht richtig sehen. Aber riechen konnte ich und er roch ganz anders. Ließ keine Illusion zu. "Gehen wir jetzt?"

Ich nickte dankbar. Xena hatte scheinbar alle Pfoten mit ihren Jungen zu tun, jedoch kehrte Kasai gerade zurück. Sie würde bestimmt helfen. Gerade wollte ich mich abwenden und den Rudelplatz für einen Rundgang verlassen, da schickte mir die Alphafähe ihren Sohn hinterher.
Überrascht sah ich auf den jungen Rüden hinab, während ich aus den Augenwinkeln Kasais gebrochene Haltung bemerkte. Sie schlich wie ein Häufchen Elend auf die ehemalige Höhle zu und verschüttete sie. Schweigend beobachtete ich sie. Was war wohl mit ihr los? Jemand sollte sich mal mit ihr unterhalten. Doch ich war gerade mit Xenas Sohn beschäftigt, dem ich nun lächelnd meine volle Aufmerksamkeit widmete. Hallo. Jace, richtig? Ja, lass uns gehen, ich freue mich, begrüßte ich ihn freundlich und bedeutete ihn dann mit einem Kopfnicken loszulaufen. Ein letzter aufmunternder Blick streifte Xena, dann trottete ich los. Die monotone Art meines Neffen war mir aufgefallen, doch ich wollte ihn nicht hier ansprechen. Vielleicht spricht er ja, wenn wir alleine sind.

(Aussichtspunkt, Zigeunerrudel)

Ich sah meinen Sohn traurig an, er war ein Spiegel meiner trauernden Seite. Die Seite, die ich so stark unterdrückte dass es körperlich schmerzte. Ein erleichterter warmer Blick striff ihn als er zumindest einen versuch startete und wanderte dann zu Gin. Es nahm mir einen großen Stein vom Herzen, zu wissen dass er sich kümmerte. Die Bürde die ich trug war kaum zu ertragen und jede Faser meines seins wollte laufen. So weit mich meine Pfoten trugen aber so war ich nicht mehr. Zu viele Leben hingen von meinem Handeln ab, zu viel Verantwortung lastete auf meinen Schultern. Also schloss ich wann immer ich konnte die Augen und träumte von fremden unbekannten Orten . So hielt ich mich aufrecht, so schaffte ich Tag um Tag.
Toboe?, fragte ich meinen abgelenkten Sohn noch mal lächelnd. Er hatte nicht reagiert.

Hm? Ich war sichtlich abgelenkt gewesen, zu suspekt schien mir die Szenerie, die sich direkt vor meinen Augen abspielte. Was war nur mit meinem Bruder los? Fragend hatte ich meinen Blick bei Mamas Worten auf ihr Antlitz gewandt, die Augen unwissend und groß. Ich hatte keinen Plan, was sie mir vor wenigen Minuten gesagt hat. Fahrig wanderte meine Zunge mehrmals über mein Nasenbein, während meine Ohren unruhig hin und her zuckten.

Ich betrachtete meinen Sohn und ließ alle negativen gefühle für einen Moment von der Liebe die ich für ihn empfand weg spühlen. So unschuldig und klein sah er aus obwohl er schon so unglaublich erwachsen schien.
Lächelnd kam ich näher zu ihm, das weiße ist Schnee. Es kommt im Winter vom Himmel. Wie geht es dir ? es tut mir leid, dass ich so wenig Zeit hatte aber wir können jetzt etwas unternehmen und du erzählst mir ein bisschen was. Hmm? klingt das gut?, fragte ich sanft und meine Rute wippte zurückhaltend und fast ebenfalls fragend hin und her. Als wäre sie unsicher und wolle erst abwarten ob sie sich freuen durfte.

Ich beobachtete das Geschehen, jedoch mehr als wenn ich weit weg wäre und einfach nur von einem hohen Punkt alles sah. Ich schloss die Augen. Was brachte ich dem Rudel? Sicher, ich hatte Beute gebracht - doch keiner der anderen außer Gin hatte diese angerührt. Auch hatte niemand davon wirklich Notiz genommen, dass ich die Grenzen wieder markiert hatte. Ich erhob mich schließlich. Nur herum liegen würde mir auch nichts bringen. Ich musste der Tatsache wohl ins Gesicht sehen, dass Luen nicht wieder kommen wird. Xena würde es ebenso - genauso wie die Jungwölfe und der Rest des Rudels. Kurz noch sah ich wieder über den Rudelplatz, ehe ich los preschte, nicht wirklich darauf achtend wohin meine Pfoten mich trugen.

-->Stillgelegte Gleise

Ich trabte langsam wieder auf den Rudelplatz. Noch immer konnte ich die Dunkelheit spüren, wie sie versuchte zurück zu kehren, doch ich ließ es nicht zu. Mein Blick war jedoch leer - abwesend. Noch immer nahm ich niemanden wahr. Für mich sah der Rudelplatz leer aus, verlassen. Weder konnte ich Xena, noch ihren Sohn, noch die anderen Rudelmitglieder sehen - geschweige denn den Welpen, von welchem Arjuna gesprochen hatte. Ich witterte kurz. Doch bis auf die Gerüche der anderen konnte ich keinen anderen feststellen. Die Gerüche von der Schattenwolffamilie waren mehr wie eine Erinnerung im Wind. Ich spielte einen Moment mit den Ohren, ehe ich zu meiner gerissenen Beute ging und etwas fraß. Dann trabte ich wieder zu der verschütteten Höhle und rollte mich davor zusammen.