Nachdem Aylia gegangen war hatte ich mich eingehend mit Nanouk unterhalten. Nach einigem Hin und Her konnte ich ihn davon überzeugen, dass hier nicht der beste Ort war, unsere Welpen großzuziehen. Ich hatte ihm von dem Ort erzählt, an dem ich aufgewachsen war und wie schön es dort überall gewesen war und er stimmte mir zu, dass wir dorthin gehen sollten. Ich vertraute ihm, dass er mit mir zusammen auf uns fünf aufpassen konnte. Wir erzählten unseren drei Schätzen, die inzwischen zeigten, dass sie laufen konnten, von der Reise und verabschiedeten uns anschließend von den Zigeunerwölfen, die uns so lange Obdach geboten hatten und zogen davon in eine bessere Zukunft.

(Hikari, Nanouk, Akai, Haki und Ravyn verlassen unter Absprache das Tal)

Ich verstand nicht ganz, dennoch nickte ich verständnisvoll. In meinen Augen lag Güte und auch ein leichter Schimmer der Trauer. In meinem Kopf wirbelten Bilder aus unserer Kindheit umher, als ich ihn zuletzt sah - im Kampf mit einem Hund, der sich in die Läufe unserer Schwester verbissen hatte, während Luen wie wild in dessen Hals biss. Und ich, wie ich panisch floh. Wer hätte je gedacht, dass Luen jemals so hoch aufsteigen würde. Ein Rudel, Welpen, eine Gefährtin. Ein leichtes, fast schon sehnsüchtiges Lächeln legte sich auf meine Lefzen. So gerne hätte ich Luen wiedergesehen, seine Geschichte gehört. Doch diese Chance war mir womöglich für immer verwehrt. Aber Luen kann noch leben.
Die Worte verfestigten sich in meinem Kopf. Ich würde meinen Bruder nicht aufgeben! Entschlossen hob ich den Kopf wieder ein wenig und beobachtete das Geschehen auf dem Rudelplatz, ehe ich die Worte von Kasai im Kopf immer wieder wiederholte. Er hat dich in eine Grube geworfen? Verblüfft hob ich eine "Augenbraue" und legte verwundert den Kopf schief.

Ich nickte langsam. Es..es war der einzige Weg um ..um das Rudel und seine Familie zu schützen. Das... was in mir war..hatte einen Welpen fast getötet. Ich ließ den Kopf hängen und schloss die Augen. Ich war zu schwach um es zurück zu halten. Wenn Luen mich dort nicht hinein geworfen hätte, hätte ES seine Welpen getötet. Den Kopf hebend sah ich zu Xena, Toboe und Jace. Vielleicht...vielleicht wäre er noch hier, wenn ich stärker gewesen wäre.. Ich legte schuldbewusst die Ohren an und starrte dann wieder auf meine Pfoten.

Unruhig schritt ich auf Xena zu. „Verzeih das ich dich jetzt gerade unterbreche aber ich wollte mich bei dir Verabschieden. Ich fühle mich hier wirklich wohl und alles aber ich möchte doch alleine durch die Gegend ziehen und neu Ort erkunden. Bitte verzeih da ich mich euch so aufgedrängt habe und jetzt einfach gehe. Aber ich bin davon überzeugt und meine Meinung kann man auch nicht ändern.”,erklärte ich ihr und stand auf. „Ich würde gerne deine Meinung hören aber ich muss jetzt los bevor die Nacht anbricht. Ich wünsche euch alles gute.”,ich neigte meinen Kopf und rannte los.

(Berge Freie Gebiete)

Ich schüttelte wage den Kopf. Was auch immer dieses "Es" zu bedeuten hatte, es hatte sicherlich nichts mit Luens Fortgang zutun. Wenn ich das richtig verstanden habe, ist Luen von Menschen, den Zweibeinern, entführt worden, begann ich langsam, wobei ich jedoch merkbar gedämpft sprach. Ich wollte keinesfalls riskieren, dass die Welpen Dinge aufschnappten, die sie noch nicht verstanden.
Es sind jene Wesen, die Luen und mich schon als Jungwölfe trennten. Diese Geschöpfe haben nichts mit uns zutun. Darum hat niemand von unsereins an dieser Tragödie Schuld und du erst recht nicht, Kasai. Freundlich und ruhig sprach ich auf die rote Fähe ein, gleichwohl meine Augen voller Ernst auf sie blickten. Sie durfte sich nicht Schuld an Dingen geben, wofür sie nichts konnte. Langsam wagte ich meine Schnauze näher an ihren Kopf, bis ich sie schließlich vorsichtig mit der Nasenspitze an der Wange berührte. Es sollte eine tröstende Geste sein, ich hoffte, sie damit etwas aufmuntern zu können und ihr ein Gefühl von Gemeinschaft zu geben. Sie sollte wissen, dass sie in ihrem Rudel nicht alleine war.

Als Gin mich anstubste spannte ich mich Sekunden lang an und horchte in mich hinein. Ich wusste das ES früher nie zugelassen hatte, das jemand mich berührt und dass ES dann immer dafür gesorgt hatte das ich panisch wurde. Aber nichts dergleichen geschah. Ich lächelte, wenn auch noch recht versteift Gin an. Luen hatte vor, die Menschen aus dem Tal fort zu jagen. Aber dafür.. Hätte er die Hilfe der anderen Rudel gebraucht. entfuhr es mir im Flüsterton. Gerade so bekam ich mit, das Mikaru fort lief. Ich erhob mich langsam und schüttelte mich einen Moment durch. Ich werde versuchen etwas zu jagen. Xena sollte bei ihren Jungen bleiben. Mit diesen Worten begann ich langsam Richtung Wald zu tapsen.

Ich nickte und sah ihr ein paar Sekunden lang nach, ehe ich meine Aufmerksamkeit wieder auf Xena und ihre Welpen richtete. Eine graue Fähe verließ soeben den Rudelplatz. Noch eine Jägerin. Ein friedfertiges Lächeln belegte meine Lefzen, ich fühlte mich wohl hier. Es war ein schönes Gefühl, hier zu sitzen und die Wölfe zu beobachten, die soviel mit meinem Bruder zutun hatten. Allmählich setzte sich meine Rute in Bewegung, während ich mich wieder in mein Schweigen hüllte und meine Augen voller Wachsamkeit auf dem Rudel ließ.

Ich warf einen Blick zu Gin zurück, in welchem sogar Dankbarkeit lag. Er würde auf Xena und die anderen achten, da war ich mir sicher - auch wenn ich mir nicht klar war woher ich diese Sicherheit nahm. Doch er erinnerte mich stark an Luen. Luen... Mein Blick wurde wehmütig ehe ich mich kraftvoll vom Boden abstieß und nun in einem regelrechten Galopp Richtung Wäldchen aufbrach.

-->Wäldchen

Noch immer überrascht, wie leicht mir doch die Jagd gefallen war, schliff ich das Reh Stück für Stück am Nacken mit mir. Dabei hatte ich zwischendurch pausieren müssen, da mein Körper noch nicht seine ganze Kraft zurück gewonnen hatte. Am Rand des Rudelplatzes blieb ich stehen und ließ den Nacken des Rehs fallen und hechelte angestrengt. Ich ließ dabei meinen Blick schweifen und schloss die Augen. Es wirkt so leer..

Es dauerte nicht allzu lange, da tauchte die Rote wieder auf. Und sie schien erfolgreich gewesen zu sein, denn sie schleppte ein Reh mit sich. Sofort sprang ich auf und lief zu ihr, wo ich sofort ebenfalls ein Stück des Rehs in meine Fänge nahm und ein paar Meter mitzog. Als Kasai ihre Beute fallen ließ, tat ich es ihr gleich und sah beeindruckt auf das tote Tier hinab. Gute Arbeit, lobte ich sie mit einem respektvollen Kopfnicken, ehe ich auf die anwesenden Wölfe blickte. Da du das Reh erlegt hast, darfst du zuerst fressen. Ich wusste nicht, woher meine plötzliche Hingabe zum Rudel kam, doch sie war plötzlich da. Nachdrücklich trat ich ein paar Schritte zurück und sah sie abwartend an. Natürlich würde ich nicht einschreiten, sollte sie Xena oder jemand anderen den ersten Bissen überlassen, doch die Jagdregeln unserer Generationen waren eigentlich immer gleich. Meine Rute hing locker herab, während ein frischer Wind an meinem Fell zog. Dieses war merklich dicker geworden - kein Wunder. Bald würde es sicher schneien.

Ich hatte, derart in den Bemühungen versunken das Reh auf den Platz zu ziehen, nicht mitbekommen dass Gin mir half. Weshalb ich wohl nun auch einen überraschten Jaullaut von mir gab und einen kleinen Satz nach vorne machte. Ich sah ihn dann verunsichert und einen Moment gesträubtem Fell an, ehe ich mich wieder beruhigte. Ich war es noch immer nicht gewohnt, dass ich mit anderen "normal" umgehen konnte. So spielte ich einen Moment mit den Ohren und schüttelte dann den Kopf. Die Jungen und Xena sollen zuerst fressen..Ich..ich mein Xena ist ja unser Alpha und die Jungen die Zukunft des Rudels.. Mein Blick hatte durchaus etwas Ernstes, jedoch auch zugleich liebevolles an sich, als ich zu Xena blickte. Dann hob ich meinen Kopf leicht in den Nacken und gab absichtlich ein Heulen von mir, um die anderen auf dem Platz auf die frische Beute aufmerksam zu machen.

Ich seufzte, und sah Gin dann an. Ob er wohl Hunger hatte? Ich..ich denke Xena wird nichts dagegen haben wenn du auch etwas von der Beute frisst. Du bist..schließlich unser Gast. Ich lächelte leicht, auch wenn man die Unsicherheit in meinem Blick erkennen konnte. Behutsam löste ich ein Stück Fleisch aus dem Reh und legte mich ein Stück von der Beute entfernt hin um zu fressen. Ich musste wieder zu Kräften kommen, wenn ich Xena helfen wollte die Jungen zu schützen.

Niemand schien zu hören, niemand antwortete. Ein wenig Entrüstung wollte sich in mir breit machen, ebenso wie Mitleid für die rote Fähe. Als sich nach geschlagenen zwei Minuten immer noch niemand melden wollte, trat ich einen kleinen Schritt vor und räusperte mich vernehmlich, bis mich Kasais niedergeschlagene Worte aus den kurzen Moment der Aggression holten. Mitleidig sah ich die Rote an. Es war sicherlich nicht schön ignoriert zu werden. Dankbar lächelte ich bei ihrem Angebot und trat dann langsam an das Reh heran, vor dem ich allerdings geduldig wartete, bis sie selbst ein paar Fleischbrocken aus der Beute gerissen hatte. Immerhin hielt ich immer noch an den Gedanken fest, dass sie als Jägerin den ersten Bissen verdiente. Anschließend schnappte ich mir etwas von dem toten Tier, nuschelte ein freundliches "Danke" und zog mich ebenfalls zurück, um in Ruhe zu fressen.

Irgendwas in mir akzeptierte, dass keine Anwort von den anderen kam. Auch wenn es schmerzhaft war. Doch Xena und die Jungen brauchten Zeit für sich, vor allem solange nicht klar war, was nun mit Luen geschehen war - und ob er zurück kehren würde. Als Gin nun mein Angebot annahm und sich bedankte, lächelte ich freundlich, während meine Rute sanft über den Boden wischte. Gerne.. Mehr fiel mir nicht wirklich ein, denn immerhin hatte ich nie wirklich viel mit anderen geredet. Xena und Luen zählten zu den Wenigen, denen ich mich geöffnet hatte, neben Phönix und Wright, welche auch sehr schweigsam geworden waren. Unser Rudel war wirklich geschrumpft und das stimmte mich traurig, weshalb meine Ohren auch heftig spielten und mein Blick trübselig über den Rudelplatz glitten.