Ich wich ihrem Blick aus und fixierte mich stattdessen auf meine Pfoten, die noch immer sehr verschlammt waren. Diese Frage war genau die, die ich mir ebenfalls stellte. Wieso zum Henker war ich so ruhig? So gelassen? Hatte diese Beerdigung irgendwas verändert? Oder was war der Auslöser für diese seltsame Stimmungswandlung? Fragen um Fragen vernebelten meinen Kopf und ließ mich die Rute an die Hinterläufe drücken. Gute Frage, Kobalt, gute Frage. Meine braunen Augen sahen ihr nun doch entgegen, unruhig und regelrecht verwirrt. Ich war mir nicht sicher wie ich es zu deuten hatte, dass mich mein "Mord" so wenig berührte. "Ich weiß es nicht", gestand ich ihr schließlich leise, wobei ich leicht die Ohren zurückdrehte.

Die vier Wörter wiederholten sich ein paar mal in meinem Kopf, wurden zu Ende hin zu einer Frage. Du weißt es nicht? Ich wollte sie laut aussprechen, meiner Ratlosigkeit und meiner Unsicherheit über seine Entwicklung Ausdruck verleihen. Ich wollte etwas sagen, doch meine Kehle war zugeschnürt und mit einem Mal kam ich mir hilflos vor. Meine bisherigen Erfahrungen enthielten nichts, was sich hiermit vergleichen ließ und so gesehen, war ich komplett ratlos. "Vielleicht...", quetschte ich dann doch hervor, brach aber doch einfach wieder ab und starrte Jive mit zurückgelegten Ohren an. In mir tobte selbst ein Sturm, seit seinem verzweifeltem Heulen, der ihn erst in Gang gebracht hatte und dann brachen endlich die Worte hervor, die mir schon die ganze Zeit auf der Zunge gelegen hatten. "Ich... Jive! Ich bin so froh, dass es dir gut geht!", sprach ich aus und trat einen Schritt nach vorne um meinen Kopf gegen ihn zu drücken, "...dass du am Leben bist! Als ich dein Heulen hörte und da im Wald der Blutgeruch war..." Ich vollendete den Satz nicht und doch brachte er zum Ausdruck, dass es tatsächlich anders hätte laufen können. Dass ich Angst um ihn gehabt hatte und das diese Angst, vielleicht immer noch nicht verschwunden war. Vielleicht stand Jive unter Schock, vielleicht verdrängte er die Geschichte, weil er sie noch nicht verarbeiten konnte. "Egal warum... wir werden es herausfinden und es wird alles gut werden!", sprach ich meine weiteren Gedanken aus und glaubte tatsächlich fest daran.

Ratlos hatte ich auf meine Pfoten gesehen, die Ohren zurückgedreht, die Rute hängend. Ich hatte Angst vor meiner eigenen Reaktion. War ich kalt? War alles, was ich Mama und Kobalt gegenüber empfand nur eine Illusion? Konnte es sein, dass ich mir die tiefe Zuneigung zu beiden bloß einbildete? War ich in Wahrheit nur ein eiskaltes Wesen? Kobalt riss mich aus der Umklammerung des Selbstmitleids und ließ mich erschrocken aufsehen, als ich ihren Kopf an meiner Stirn fühlte. Ich spürte die Wärme und das weiche Fell und für einen Moment schloss ich einfach nur die Augen. Ich hatte nicht eine Sekunde darüber nachgedacht, dass es auch mich hätte treffen können. Ich hatte instinktiv gekämpft, doch ich hatte nie wirklich über meinen möglichen Tod nachgedacht. Die Erkenntnis, dass ich fast mein Leben verloren hätte und was ich Mama und Kobalt angetan habe, traf mich hart, wie ein Schlag und automatisch spannte ich mich an. Sie hatten sicherlich genauso gelitten, als sie meinem Heulen gefolgt waren. "Es tut mir Leid, Kobalt", flüsterte ich ihr fast tonlos entgegen. Ihre Berührung ließ mein Herz schlagen und ihr leises Versprechen, dass alles gut werden würde, gab mir Mut. Niemand hätte ich mich besser aufbauen können als sie. "Ich bin froh dass du da bist", flüsterte ich leise, das Schweigen zwischen uns unterbrechend. "Das hat mir unglaublich viel Mut gemacht!" Kurz setzte eine Pause ein, dann murmelte ich leise: "Danke."

Es war ungemein erleichternd, dass Jive nicht zurückwich und auf meine Worte, meine vorhandene Angst, nicht ebenso kalt reagierte. Es war, als würde ein Stein von meinen Herzen fallen und die eiskalte Umklammerung mit sich reißen. Er lebte, er war hier und er würde auch nicht gehen. "Es muss dir nicht leid tun, Jive... es war nicht deine Schuld", dachte ich und wollte es laut aussprechen, aber kein Laut wollte meiner Kehle entfleuchen. Denn seine leise Entschuldigung, gab mir das Gefühl, dass er sich gerade das erste Mal mit einem anderen möglichen Ausgang beschäftigte und meine gedachten Wörter, könnten auch leicht einen gegenteiligen Effekt haben. Deshalb löste ich meinen Kopf von seiner Stirn und drückte ihn gleich darauf von unten seine Kehle, was einerseits eine bequemere Position war und zum anderen hoffentlich einen tröstenden, vergebenden Effekt auslöste. Für einen kurzen Moment herrschte angenehmes Schweigen, was allerdings dann von einem leisen Flüstern unterbrochen wurde. Ohne, dass ich es verhindern konnte, zuckte meine Rute leicht von einer Seite auf die andere - eigentlich hatte ich bisher immer Jive als die treibende Kraft angesehen. In seiner Anwesenheit war ich von Beginn an offener und mutiger und dass ich, das gleiche bei ihm bewirkte, freute mich. Auch wenn es nahezu unvorstellbar schien. "Wir... werden einfach immer für einander da sein!", erwiderte ich und auch wenn er es in meiner jetzigen Postion nicht sehen konnte, lächelte ich, "Dann kann uns niemand verletzen... oder uns Angst einjagen! Gemeinsam sind wir einfach stark!"

(Wie süß ist sie denn bitte!??!!?! <3)

Einen Moment war ich überfordert und auch überrascht. Als sich Kobalts Stirn von mir löste, war ich ein paar Sekunden enttäuscht, doch dann war plötzlich ihr Kopf an meiner Kehle und ich konnte gar nicht anders, als unmerklich zusammenzucken, dann jedoch das vertrauensvolle Beisammensein zu genießen. Sanft neigte ich meinen Kopf, um die Geste zu erwidern und schloss die Augen. Ihre Worte...sie waren nur Worte und doch erfüllten sie mein Herz. Es waren Kobalts Worte.
Für einen Moment fragte ich mich wie sie wohl zu mir stand. Ob sie mein Herz schlagen hörte? Doch dann verschob ich den Gedanken ganz weit nach hinten. Nicht hier. Nicht jetzt. Stattdessen nickte ich nur - ich war mir sicher, dass sie diese Geste zumindest spüren würde -, und drückte mich enger an Kobalt. Ich suchte Halt. Und ich war mir sicher, dass Kobalt ihn mir geben konnte. So wie sie es schon immer unbewusst getan hatte. Mit ihrer herzlichen und aufgeweckten Art hatte sie mich schon immer leicht beruhigen und lenken können. Und das war mir ganz recht.

(Gegenfrage: Wie süß ist er denn bitte?!??!! * ---*)

Es erfolgte keine Antwort, aber die Situation erforderte auch keine - zumindest keine laute. Denn auch sein stummes Nicken reichte als Zeichen, dass meine Worte zu seinem Inneren vorgedrungen waren. Vielleicht wog die lautlose Antwort sogar mehr, als ein gesprochener Satz je vermögen könnte und auch sein Körper sprach seine ganz eigene Sprache. Jive drückte sich enger gegen mich und allein durch das vertrauliche Schweigen, fühlte ich, dass er nach Halt suchte. Und ich war gewillt ihm diesen zu geben oder es vielmehr zu versuchen, da auch er eher eine Stütze in meinem Leben war. Wir hatten schon so viel miteinander erlebt, uns errettet und getröstet, dass er von meinem jetzigen Standpunkt nicht mehr wegzudenken war. Zusehr war er mir dafür schon ans Herz gewachsen und vermutlich hatte er sich schon vor langer Zeit in dem lebenserhaltenden Muskel eingenistet, nicht willens, diesen jemals wieder zu verlassen. Meinen Kopf weiterhin sanft gegen seine Kehle drückend, knickten meine Hinterbeine langsam ein, sodass ich nach ein paar Sekunden auf dem Boden saß. Dadurch schmiegte sich meine Brust federleicht gegen seine.

(Sie sind zusammen DOUBLE-CUTE!!!! :3 *explodier*)

Das Schweigen, welches uns plötzlich umhüllte, ließ mich innerlich völlig zur Ruhe kommen. Für diesen Moment existierte nur noch Kobalt, deren Kopf sich vertrauensvoll an meine Brust drückte. Ich spürte ihren Atem und roch ihren Geruch. Es war ein völlig neuer Moment. Als sich die kleinere Fähe auf die Hinterläufe sinken ließ, blieb ich noch einen Moment stehen und hielt einfach nur inne, um dieses Gefühl irgendwie zu begreifen, ehe ich ihrem Beispiel folgte und mich zögerlich setzte. Nichts hatte mehr in meinem Kopf Platz, nur noch Kobalt war da. Nicht mal die Tatsache, dass dies nun wirklich jeder Anwesende des Rudelplatzes mitbekam, störte mich. Kobalt war hier und ich war ungemein glücklich. Vorsichtig legte ich mein Haupt auf ihrem Kopf ab und schloss die Augen. All die negativen Gefühle der vergangenen Tage verpufften plötzlich im Nichts.

Ich hatte wieder lange neben Papa geschlafen und nur kurz den Kopf gehoben als Jive und auch Kobalt zurück kehrten. Erleichterung durchflutete mich dass es beiden gut ging. Doch dann ließ ich meinen Kopf wieder sinken und sah Papa besorgt an. Er schlief noch immer sehr viel. Ob es ihm wohl besser ging?

(Von der nördlichen Reviergrenze - Richtung des Wäldchens - erklingt ein fragendes, bittendes Heulen - abgesandt von Arriku)

Es war, als hätte die Zeit mal eben angehalten und die Erde aufgehört sich zu drehen. Dieser stille Moment, die Empfindungen die mit ihm kamen, war kaum zu beschreiben und gleichermaßen rückte er die Wirklichkeit in weite Ferne. Für mich hätte dieser Moment niemals enden müssen, doch das Leben verharrte eben nicht still - so sehr man es sich auch wünschte. Meine Augen, die sich vor einiger Zeit entspannt geschlossen hatten, öffneten sich nun wieder und meine Ohren zuckten gen Wald. Ein Heulen war erklungen, doch klang es fremd und auch die Stimmlage war mir vollkommen unbekannt. Ein Streuner? Ein anderes Rudel? War es überhaupt an uns gerichtet? Ich wollte nicht, dass dieser kurze Augenblick der absoluten Vertrautheit schon wieder endete und doch kam es mir so vor, als hätte das Heulen den ruhigen Moment zerstört. Kurz wanderten meine Ohren zurück, bevor ich meinen Kopf einfach wieder fester an seine Brust schmiegte und langsam ausatmete. Ich war mir sicher, dass Jive den Ruf ebenfalls vernommen haben musste und wartete, ob er eine Reaktion darauf zeigte. Ich für meinen Teil... wollte mich nicht von ihm lösen und so, lastete die Entscheidung auf dem braunen Rüden, ob er der Sache auf den Grund gehen wollte oder die Aufgabe lieber an einen anderen der hier anwesenden Wölfe abtrat. Ich würde ihm folgen - überall hin - immer.

Plötzlich ging ein Ruck durch den Körper meiner Freundin und ich öffnete meine Augen, die ich bis eben vertrauensvoll geschlossen hatte. Meine bis eben zurückgedrehten Ohren stellten sich auf und richteten sich auf die Richtung des Waldes aus. Schon wollte ich meinen Kopf von ihr lösen, da drückte sich das Haupt der grauen Fähe schon wieder an mich. Mein Kopf senkte sich wieder auf ihr graues Fell, doch konnte ich keine Ruhe mehr finden, geschweige denn diesen Moment weiter genießen. So seufzte ich schließlich, ehe ich meinen Kopf doch hob und Kobalt sanft mit meiner Schnauze auf den Nasenrücken tippte. "Du hast es doch auch gehört, oder? Sollten wir...nicht nachsehen?" Die Worte verließen zugegebenermaßen nur zögernd mein Maul. Ich war mir nicht mal sicher, ob das Heulen an unsereins gerichtet war. Aber es war so laut! Vielleicht befanden sich die Wölfe ja sogar im Revier. Nachdenklich sah ich Kobalt an.

Jive schien es ähnlich wahrzunehmen - das Heulen hatte den Moment einfach unwiederbringlich zerstört. Doch auch er schien die ruhige Zeit nicht einfach so gehen lassen zu wollen, da sich sein Kopf nochmal auf meinen hinabsenkte und doch war der vertrauensvolle Augenblick an uns vorbei gestrichen. Kurz darauf ertönte ein Seufzen und nur ein paar Herzschläge später, wurde mein Nasenrücken sanft angetippt. "Wir... sollten wohl mal nachschauen", stimmte ich seiner Frage zu und öffnete meine Augen dabei wieder, sodass ich Jive von unten herauf unschlüssig fixierte, "Vielleicht ist ja jemand bei uns im Revier und braucht möglicherweise Hilfe?" Zwar konnten wir beide nicht sicher sein, ob das Heulen wirklich als Zeichen für uns gemeint war, aber Vorsicht war wohl besser als Nachsicht. Zaghaft löste ich mich also von ihm und erhob mich wieder auf meine eigenen vier Tatzen, wobei ich Jive leicht anlächelte.

Ich grinste schief und versuchte meine eigene Unsicherheit zu verbergen. Was war das nur gerade zwischen uns? Ich versuchte nicht weiter darüber nachzudenken, sondern nickte langsam. "Dasselbe habe ich auch gedacht", gestand ich ihr und meine Augen funkelten auf. "Lass uns nachsehen." Mit einem auffordernden Blick auf Kobalt setzte ich mich in Bewegung, doch erst als ich am Rande des Rudelplatzes angekommen war, beschleunigte ich mein Tempo und lief aus dem Revier - erneut. Mein Herz klopfte noch immer und ich versuchte gegen die Erinnerungen anzukämpfen, die mir wieder die Laune verderben würden. Durch Kobalt hatte ich sie für kurze Zeit vergessen, doch nun kehrten sie wieder langsam in mein Bewusstsein zurück und ließen mich die Zähne zusammenbeißen. Einfach nicht dran denken.

=> Wäldchen (Nebelwölfe)

Der dichte Nebel verschluckte das Fell meines besten Freundes und für ein paar Sekunden verharrte ich auf der gleichen Stelle. Dort, wo Jive und ich uns vor ein paar Augenblicken noch berührt hatten, kribbelte mein Fell verräterisch und das kalte Wetter vertrieb die angestaute Wärme. Langsam setzte ich meine Pfoten in Bewegung, wobei ich dem bräunlichen Rüden nicht sofort in das Territorium hinausfolgte, sondern noch schnell bei meinem Vater vorbei sah. Fenris und Nero lagen, ebenso wie ihre Mutter, dicht an ihn gedrängt und wenn mich nicht alles täuschte, atmete er schon wieder etwas leichter. Mit ruhigem Gewissen drehte ich mich also um und sprang Jive eilig nach, um überhaupt noch eine Chance zu haben, ihn einzuholen.

Wäldchen - Nebelwölfe

Mit einem breiten, äußerst liebevollen Lächeln hatte ich meinem Sohn zugehört und immer wieder zärtlich mit den Ohren gezuckt, wenn ich seine niedliche Aussprache hörte. Doch Flora riss mich aus meinen Gedanken und ließ mich aufsehen. Niak war schneller als ich und kümmerte sich sofort liebevoll um seine Schwester, was ich schmunzelnd zur Kenntnis nahm. Dennoch half ich meinem Töchterchen und leckte ihr sanft mehrmals über das Gesicht. "Shhht, alles gut, mein Engel! Du hast nur Schlaf in den Augen." Als ihre Augen wieder frei waren, sah ich sie liebevoll an und stupste sie sanft an. "Na, besser?"