Langsam öffnete ich meine verklebten Augen. Ich fühlte mich schwach, doch meine Krankheit war abgeklungen. Ich atmete einmal tief durch meine Nase ein. Ich war unglaublich erleichtert, dass es endlich wieder ging. Dann aber bemerkte ich, dass sich jemand aktiv an meine Flanke drückte. Meine geliebte kleine Tochter, die wirklich nicht mehr so klein war, aber in meinem Kopf war sie das eben noch. Langsam hob ich den Kopf und sah liebevoll zu ihr hinab. Irgendetwas schien nicht zu stimmen, was in mir heiße Sorge anfachte. Hallo meine kleine Eisblume. Meine Stimme war unendlich rau durch meine lange Krankheit und der Zeit in der ich nicht gesprochen hatte.

Gedanken vernebelten meinen Kopf, schwirrten wild umher und nahmen mir die Fähigkeit klar zu denken. Was hatte sich überhaupt verändernt? Weshalb suchte ich vor Jive das Weite? Warum nahm ich seine Anwesenheit, seine Nähe plötzlich so vollkommen anders war? "Hallo Papa...", grüßte ich und tauchte etwas aus meiner selbst geschaffenen Wirrheit auf, "Wie geht es dir? Geht es dir schon besser?" Ich linste von unten zu ihm auf und drehte meine Ohren dann leicht zurück. Als... Als ich diesen Gedanken noch nicht in Betracht gezogen hatte, da... war ich wirklich in Jive verliebt? Warum fiel mir denn erst jetzt auf, wie mein Körper wirklich auf seine Nähe reagierte? "Papa? Wie merkt man, dass man jemanden mehr als nur normal mag? Ich meine... woher wusstest du, dass du Breeze liebst und nicht nur als Freundin siehst?", rutschte es mir fragend heraus und dann vergruben sich meine Pfoten unter meinen Tatzen. "Ich... bin so verwirrt..."

Mir gehts gut, keine Sorge. Sanft stupste ich meine Tochter an, doch in mir schrillten bei Kobalts weiteren Worten sämtliche Alarmglocken los. Wer hatte meiner Tochter den Kopf verdreht? Gut, da gab es ja eigentlich nur einen Kandidaten. Doch viel wichtiger war, was hatte er angestellt um meine Älteste so zu verwirren. Nun... du bist einfach gerne in der nähe des anderen. Du genießt seine Gegenwart mehr als die von anderen und möchtest am liebsten immer bei ihm sein. Für gewöhnlich stört dich an dieser Person relativ wenig. Du magst einfach alles an ihr. Ihren Geruch, ihre Stimme, die ganze Art. Und am Anfang kommt noch eine gewisse Nervosität dazu und natürlich auch die böse Eifersucht. Warum fragst du?

Es passte. Es passte sogar ausgesprochen gut und je mehr ich über seine Worte nachdachte, desto mehr Sinn ergaben sie irgendwie auch. "Ist... man auch verwirrt oder überfordert? Tut... man Dinge, die einem im Nachhinein schrecklich leid tun? Gibt es Momente, wo man nicht weiß, wie man dem anderen überhaupt nochmal unter die Augen treten soll?" Ich hätte noch hunderte solcher Fragen formulieren können, aber dann wäre ich zu meiner Lebzeit nicht mehr mit dem stellen von diesen fertig geworden. Deshalb stoppte ich und fühlte mich innerlich am verzweifeln. Ich hatte Jive einfach stehen lassen! Dabei war davor alles in Ordnung gewesen! Blöde Schaien... "Weil... Weil halt!", erwiderte ich und zog meine Nase nun doch wieder unter meiner Pfote empor, um mich dann doch an einer Erklärung zu versuchen: "Da war diese Jungwölfin und die hat gemeint, dass ich mich Jive anders gegenüber verhalte! Dass ich ihn... mit funkelnden Augen anschaue und ihn anscheinend mehr mag, als das normalerweise für Freunde üblich ist! Und ich habe darüber nachgedacht und... aber warum ist mir das nie aufgefallen? Ich meine... ich habe ihn einfach stehen lassen!" Der letzte Satz spielte zwar schon auf eine ganz andere Thematik an, aber für mich gehörte er genau dorthin. Fraglich war aber, ob Barbossa meiner wirren Erzählung folgen konnte.

Eins nach dem anderen meine kleine Eisblume. Sanft pustete ich über Kobalts Rücken. Am Anfang ist man sehr verwirrt wenn man verliebt ist. Man will es dem anderen recht machen, aber benimmt sich dabei oft wie der letzte Trottel. Dann werden wir mit Jive wohl ein ernstes Wörtchen sprechen müssen. Was fiel ihn auch ein meine Tochter so in Verzweiflung zu stürzen? Ich hörte ihr geduldig zu und versuchte mir ein Bild zusammen zu setzen. Da ist doch noch was, oder Eisblume?

Das kleine Gespräch bewirkte mit der Zeit etwas Ruhe in meinem wirren Kopf und Papas Worte schafften es wie so oft auch, meinen Gemütszustand zu beruhigen. Endlich drehten sich meine Gedanken langsamer und wirbelten nicht mehr wild umher - endlich schaffte ich es weiter über diese Thematik nachzudenken. Vor allem, da mir mein Vater soeben versichert hatte, dass man sich bei sowas wie der letzte Trottel verhielt. Also... so wie ich. Ich war wohl der größte von allen. "Ich glaube ich habe Jive verletzt...", hauchte ich, wobei sich meine Ohren bei diesen Worten eng gegen mein Nackenfell pressten, "Vorher, auf dem Rudelplatz war noch alles in Ordnung, aber als er dann im Wald Tristan geholt hat und Schaien mich darauf angesprochen hatte... ich hab ihn dann einfach stehen gelassen! Ich bin einfach weg gerannt..." Ich drückte meine Stirn in das weiche und dichte Fell, wobei ich einmal tief seufzte. Trottel... ich war eindeutig ein Trottel!

Ich schleckte Kobalt liebevoll über den dunklen Kopf während sie sprach. An und für sich war das nichts was nicht mit einer kleinen Erklärung aus der Welt geschafft werden konnte, aber da Kobalt doch noch so jung war kam ihr das wohl wie ein unüberwindbares Hindernis vor. Das ist doch nicht so schlimm mein Kleines. Du musst es Jive nur erklären. Ich weiß, dass das nicht so leicht ist wie ich das jetzt sage, aber du musst sehen, mit reden lassen sich viele Probleme lösen. Mir fiel auf, dass meine Welpen mich wirklich weich gemacht hatten. Noch vor zwei Jahren hätte ich so etwas nie gesagt, doch vermutlich war das auch gut so.

Unsicher löste ich meinen Kopf aus seinem flauschigen Pelz und starrte meinen Vater zweifelnd an. Bei ihm hörte sich das so einfach an, aber in meinen Gedanken war das Gespräch eher peinlich... sehr peinlich. "Und was soll ich da sagen?", fragte ich, um meine Ideen auf den Punkt zu bringen, "Jive, es tut mir leid, dass ich dich stehen gelassen habe, weil mir die Nähe plötzlich zu viel war, da ich bemerkt habe, dass ich dich mehr mögen könnte, als normals üblich?" Meine Stimme war kurzzeitig lauter geworden, weshalb mein Kopf nun wieder verlegen zu Boden sank. Hoffentlich hatte das jetzt niemand gehört! Allerdings brachte es das tatsächlich auf den Punkt, denn anders würde ich mein Verhalten nicht erklären können und was, wenn ich Jive dann als Freund verlor? Weil er... das Ganze nicht so sah und dann nichts mehr mit mir zu tun haben will?

Ich zögerte einige Sekunden ehe ich antwortete. Genau das. Und glaube mir Jive wird, wenn er richtig reagiert, nicht darüber lachen. Egal was er fühlt, er wird mit dir darüber reden. Wenn er weiß was gut für ihn ist.

Seine Antwort kam verzögert und auch wenn er mich zu bestätigen versuchte, zweifelte ich. Ich konnte doch nicht einfach vor ihm auftauchen und ihm solche Dinge mitten ins Gesicht sagen! Zumal mir für sowas der Mut fehlte und ich vermutlich nicht mal übers Stammeln hinauskommen würde. Und... was wenn er böse auf mich war? Und mich dann erst recht stehen ließ, bevor ich überhaupt etwas gesagt hatte? Nein... nein... dass ist nicht, was Jive tun würde... aber.. "Sollte... ich ihn dann suchen?", fragte ich leise und drehte meine Ohren unsicher zurück.

Ich legte meine Schnauze kurz auf Kobalts Kopf. Das solltest du. Aber mach dir keine Sorgen. Jive wird schon mit dir reden. Und wenn nicht dann... Ich bemerkte Morganas Blick und lächelte sie müde an.