Ich war still während ich den Hasen fraß und schlussendlich auf den Knochen herum nagte. Dazwischen sah ich immer wieder einmal zu Tala hinüber, einfach um zu sehen was sie gerade trieb. Sie schien entgegensatz zu mir langsam zu fressen, vielleicht kam es mir aber auch nur so vor. Irgendwann streckte ich mich dann. Bist du wirklich einverstanden damit das wir ihnen das Reh überlassen? Fragte ich dann nach. Sie tat mir mittlerweile so viele Gefallen die ihr nicht leicht vielen, da wollte ich wenigstens nochmals nachfragen.
Wir hatten uns in Schweigen gehüllt, während wir fraßen. Nur gelegentlich durchbrach ein Schmatzen und das Knirschen von Knochen die Stille. Zero war wesentlich schneller fertig als ich, doch ich ließ mich davon nicht aus der Ruhe bringen. Zu wohltuend wirkte diese kurze Phase der Entspannung auf mich. Doch schließlich schob auch ich die Reste - das Fell und das Gerippe - zur Seite und starrte melancholisch vor mich hin, ehe mich Zero ansprach. Schweigend sah ich ihn an, dann nickte ich. "Aber du überreichst es ihnen", stellte ich klar. Fehlte nur noch dass ich ihnen in die entgeisterten oder gar dankbaren Gesichter sehen musste. Ne, Danke! Am Ende würde ich sie noch mögen... Langsam erhob ich mich auf meine Pfoten, während ich den größeren Rüden auffordernd ansah. "Lass uns deinen persönlichen Bestattungshelfer mal zu den Felsen bugsieren", forderte ich mit einem versteckten Grinsen. Noch immer hatte ich die Bilder im Kopf, wie Zero halb unter dem Reh begraben lag.
Ich lächelte leicht während ich nickte. Natürlich mach ich das. Du machst mir damit schon sowieso einen riesen Gefallen. Nicht jeder erklärt sich breitwillig dazu jemanden so zu helfen. Ich zuckte kurz mit den Ohren ehe mein Lächeln verschwand. Wirst du mich damit jetzt ständig aufziehen? Fragte ich bevor ich aufstand und zum Reh hinüber ging um es zu packen. Na komm, bringen wir es hinter uns.
Ich ignorierte seine Bemerkung zu meiner Hilfsbereitschaft, grinste dafür aber noch breiter, als er auf meine Bemerkung reagierte. "Womöglich", erwiderte ich kichernd und stieß ihn an der Schulter an, dann wandte ich mich dem Reh zu. Schweigend folgte ich seiner Aufforderung und packte das Reh knapp im Genick, dann begann ich zu ziehen.
Hatte mein Blick vor wenigen Sekunden noch auf Tristan gehangen, schob sich nun bräunliches Fell in mein Sichtfeld. Für einen kleinen Moment rückte die Welt wieder in weite Ferne, die Antwort auf meine Frage wurde unwichtig und dann schlug die Realität mit voller Härte zu. Meine Sinne kehrten mit einem Schlag zurück und mein Herz machte einen Satz, schlug plötzlich schnell und hastig, wie der Flügel eines Kolibris. Die Hitze kroch unter meinem Pelz, ließ mein Blut kochen und meine Ohren legten sich von meiner Gefühlswelt verwirrt an den Kopf. "Ich...", stammelte ich und trat zögerlich einen Schritt zurück, dem zwei schnelle folgten. Diese Nähe ließ mich keinen freien Gedanken mehr fassen. Shaiens Worte hatten etwas wachgerüttelt, etwas, dass diese unsagbare Verwirrheit hervorrief und in mir schrie. Dann gab ich nach und stürzte davon, ohne auf eine Antwort von Tristan zu warten - ich verstand mich selbst nicht mehr. Jive ließ ich einfach stehen.
Ich hatte sie nicht mal berührt, da stand sie plötzlich auf und lief ohne ein Wort davon. Erschrocken sah ich ihr nach, die Ohren dicht im Fell und meine Rute nun doch eng zwischen meinen Hinterläufen. Die Verwirrung stand mir regelrecht ins Gesicht geschrieben. Unsicher sah ich zu Tristan, dann senkte ich den Kopf und blickte auf meine Pfoten. A-Aber... Ich verstand es nicht. Ob es immer noch wegen Shaiens Schwangerschaft war? Aber Kobalt hatte nie wie jemand gewirkt, der unbedingt erwachsen sein wollte um Welpen zu haben. Was war es denn dann? Was war hier passiert, als ich Tristan holen war? Unruhig sah ich umher, dann folgte ich Kobalt wortlos ins Revier. Doch anders als sie lief ich nicht auf den Rudelplatz zurück, sondern schlug eine andere Richtung ein. Ich hatte verstanden, dass sie Abstand brauchte, auch wenn das 'Warum' noch unverständlich war. Meine Rute hing mir zwischen den Hinterläufen und mein Kopf war gesenkt. So lief ich durch den Nebel, der mich wie ein dichter, schützender Umhang umschloss.
Irgendwann blieb ich dann doch stehen und sah hinter mich, um zu sehen, ob - ich glaube, er heißt Eros - noch hinter mir war und rannte sicherheitshalber um einen Baum herum, wo ich unter dessen Wurzeln ein tolles Versteck fand. Leise kicherte ich und kletterte hinein, ehe ich ganz still auf Eros oder wie er hieß wartete.
Eros Ich rannte immer weiter, doch plötzlich blieb ich stehen. Ich war hier mitten im niergendwo, und meine Spielkameradin konnte ich auch nicht endecken. Ach was! Ich finde sie schon! Einfach immer gerade aus! Und mit diesen Entschluss rannte ich weiter. (Wald)
Ich unterdrückte ein Kichern, als Eros direkt an mir vorbei lief und als er weit genug weg war, lachte ich leise auf. Aber bevor ich ihn ganz verlor, kroch ich aus meinem Versteck und folgte ihm. Leise. Mir, oder besser gesagt Miri, fiel auf, dass er einen ganz bestimmten Geruch hatte, dem man ziemlich leicht folgen konnte. Jetzt, wo ich mich auf meine Nase konzentrierte, konnte ich auch noch viel mehr Gerüche wahrnehmen und merkte es mir für später, doch erst wollte ich wissen, wad Eros machte!
Langsam, beinahe kriechend, tapste ich durch das bewaldetete Areal. Umso näher ich der Stelle kam, wo ich Jive stehen gelassen hatte, umso zögernder wurden meine einzelnen Schritte. Was wenn er noch da war? Ich konnte doch nicht einfach so damit ankommen! Wie käme das denn rüber? Zaghaft näherte ich mich weiter an und war fast schon erleichtert, als ich meinen besten Freund nicht entdecken konnte. Ich hatte immernoch keine Ahnung, was ich genau sagen sollte, wie ich das formulieren sollte. "Hey Jive! Das wegen vorher tut mir wirkliche leid! Ich bin irgendwie in dich verliebt, weißt du? Schaien hat mir die Augen geöffnet!" Nicht mal ich selbst, würde mich damit ernst nehmen! Die Verzweiflung drohte schon wieder meine Gedanken zu überlagern, weshalb ich mich lieber auf seine Fährte beschränkte. Der Geruch von Jive ließ sich für mich schon regelrecht leicht ausmachen und dann verfolgen - er führte mich direkt in unser Gebiet zurück.
Treb In diesem Teil des Waldes war ich noch nie gewesen. Ich legte die Ohren an und sah mich um, es war anscheinend immer noch freies Gebiet, trotzdem. Die Wölfe hier konnten ganz anders drauf sein als die am Lachsfluss.
Ich fand den Weg bis kurz vor das Versteck von Cul. Hier sind wir vorbei gekommen. Und wo hast du dich versteckt? Ich spürte, wie Cul meine Pfoten lenkte und fand mich kurze Zeit später bei dem Baumwurzelversteck wieder. Freudig hüpfte ich hoch und rannte um den Baum herum. Von der anderen Seite sah ich ihn mir nochmal an, aber er kam mir nicht wirklich bekannt vor. Ich legte den Kopf schief. Sicher, dass das richtig ist? Ganz sicher! Da hinten hab ich Eros kurz abgelenkt und davor bin ich zickzack weggelaufen. Cul lenkte meinen Kopf in die Richtung und ich folgte seinem Weg. Du weißt ja mehr, als erwartet. Ach, sei doch still! Ich kicherte und ließ hauptsächlich Cul führen.
Treb Miri wusste anscheindet bescheid, ich musste mich also nicht anstrengen. Sorge machte mir allerdings das ich immer tiefer in unbekanntes Gebiet vordrang.
Wolfsrudel - Das Leben der fünf Rudel
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25.03.2018 19:38
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