Auch ich lächelte, als ich Sakis verlangenden Blick zum Wald hin wahrnahm. Aber ich sparte mir jeglichen weiteren Kommentar. Saki war schließlich kein Welpe mehr. Der Gedanke brachte mich dann zu meinem nächstliegenden Problem. Die Welpen! Es wird an der Zeit, dass sie jagen lernen. Ich schaute meine beiden vorwitzigen Töchter an, die gerade darum bettelten, sie zur Jagd mitzunehmen. Auch Coll lugte hinter den beiden hervor und wartete auf meine Reaktion. Der Junge redete nicht viel, aber wenn er etwas sagte, dann hatte das meist einen guten Grund. Er war ein guter Beobachter. Ihm entging selten etwas. Es war kein Zufall gewesen, dass ausgerechnet Coll es gewesen war, der von den Jungen die erste Beute gemacht hatte. Da war eine Heuschrecke gewesen, ein grosses Insekt, dass irgendwie den Wintereinbruch überlebt hatte. Coll hatte es erwischt, bevor die anderen überhaupt mitbekommen hatten, dass etwas passiert war. Aber ich hatte es gesehen. Und Coll wusste, dass ich es gesehen hatte. Aber er prahlte nicht mit seinem Triumph, sondern behielt ihn für sich. Coll war anders als Cherryll und Yara. Und was war mit Finn ... Der kleine Träumer lag fest an seine Mama gekuschelt und schlief. Konnte ein Welpe wirklich so viel schlafen? Ich wusste natürlich, dass Finn besonders war. Seine Träume waren schon jetzt von einer beängstigenden Schärfe und Präzision. Ich seuftzte. Meinem zartbesaiteten Sohn würde kein einfaches Leben beschieden sein. Dann sah ich meiner wundervollen Gefährtin in ihre klugen und schönen Augen. Wir verstanden uns schon lange auch ohne Worte. Ruhig erwiederte sie meinen Blick. Es ist Zeit, dass sie lernen, meinte ich nur und sie blinzelte mir zu. (---- Ich habe Erlaubnis Yui bei Bedarf mitzuspielen----) Sie stupste den kleinen Träumer liebevoll an, der erwachte. Yui: Aufwachen, Finn! Papa will euch das Jagen beibringen!
Ich erwachte aus einem schönen Traum. Ich hatte gerade Wolken gejagt und sie waren mir immer wieder entkommen, bis ich den Alphawolf der Regenwölfe getroffen hatte. Er wusste, wie man die Wolken nass machte. Dann waren sie schwer und konnten nicht mehr so schnell weglaufen. Gerade als ich sie fangen wollte, weckte Mama mich. Aufwachen, Finn! Papa will euch das Jagen beibringen! Ich war sofort hellwach, gähnte kurz, blinzelte und sah, dass meine Geschwister alle erwartungsvoll zu Papa starrten. Jagen lernen! rief ich erfreut.
Ich hatte Papa aufmerksam beobachtet. Ganz sicher würde er damit anfangen, uns das Jagen beizubringen. Ich konnte mir denken, dass es einfach an der Zeit war und nicht deshalb, weil meine Quälgeister von Schwestern danach jaulten und bellten. Mama und Papa waren eigentlich immer bereit uns etwas beizubringen. Man musste nur darauf achten. Mama hatte mir schon gezeigt, warum sie so viele Pflanzen gesammelt hatte. Es war Medizin. Natürlich wollte ich auch jagen lernen. Also schloss ich mich den Rufen der anderen an. Jagen lernen!
Ich baute mich vor Papa auf, sah ihn mit dem Blick an, von dem ich ganz genau wusste, dass er nicht widerstehen konnte und meinte ernsthaft zu ihm: Papa, du musst doch wissen, dass wir jetzt wirklich bald anfangen sollten zu lernen, wie man jagt! Ich gab mir richtig Mühe und betonte jedes einzelne Wort. Schließlich war ich die Klügste und Stärkste. Sie sollten alle sehen, dass ICH es war, der Papa überzeugen konnte. Vorsichtshalber zwinkerte ich ihm zu.
Ich betrachtete meinen fordernden Nachwuchs und verkniff mir ein Schmunzeln. Vor allem Cherryll, das kleine Biest war dermaßen was von gerissen! Aber natürlich war meine Entscheidungt längst gefallen. Ich tat so, als beugte ich mich ihrem Willen leicht widerwillig. Wisst ihr Kinder, es ist eine ernste Sache, wenn man das Jagen lernt. Dabei darf man nicht dauernd Fehler machen, sonst verhungert man nämlich. Ich will und kann nur jungen Wölfen die Jagd beibringen, die das auch wirklich wollen - und die nicht denken, das das nur ein lustiges Spiel ist. Versteht ihr?
Wir sind bestimmt gaaanz ernst dabei, Papa! Bitte, bitte! Intensiv richtete ich meinen eindrucksvollsten Bettelblick auf Papa, obwohl ich schon glaubte, gewonnen zu haben. Doch sicher ist sicher. Außerdem sollten die Anderen ruhig auch ein bisschen beeindruckt sein.
Ich blickte meinen Kindern in ihre erwartungsvollen Augen und ließ endlich zu, dass sich das Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitete. Also gut, ihr Söhne und Töchter von Yui und Conn! Ich denke ihr seid bereit! Heute wollen wir anfangen, die Kunst der Jagd zu lernen. Die erste Regel lautet: Finde eine Beute! Die erste Frage lautet: Was ist eine Beute? Die zweite Frage lautet: Wie findet man sie? Weiß darauf jemand von euch Vorwitznasen eine Antwort?
Man muss sie ganz genau kennen, was sie mag, was nicht, wo und wie sie lebt ... und man muss schneller, schlauer und stärker sein als die Beute ! Triumphierend sah ich Papa an. Na, war das nicht eine tolle Antwort!
Ihr seid schlau, meine Kinder! Ihr habt alle recht! Doch da gibt es noch mehr. Ja, eine Beute ist ein Tier, das man essen kann. Wir sind alle Tiere, wir müssen alle essen und wir wollen aber nicht gegessen werden, nicht war? Deshalb sind wir auch alle sehr vorsichtig - oder sollten es zumindest sein. Unsere Beute ist auch vorsichtig. Deshalb müssen wir auch schneller, klüger, stärker und einfach besser als unsere Beute sein. Deshalb müssen wir erst einmal wissen, was unsere Beute kann und wie gut sie es kann. Erst wenn wir das wissen, kann es unsere Beute werden. Also müssen wir alles über unsere Beute lernen, was wir können, damit wir wissen, wie wir damit umgehen können. Ihr habt recht. Beute gibt es überall. Aber jede Beute ist anders. Je mehr wir über sie wissen, um so besser werden wir sie jagen können. Wie könnt ihr möglichst viel über eure Beute erfahren?
Wolfsrudel - Das Leben der fünf Rudel
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16.03.2018 12:40
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