Ich jagte Acyra in schnellem Tempo hinterher, das Dorf hinter uns lassend. Währenddessen hatte ich meine Ohren nach hinten gedreht, um eventuellen Verfolger zu hören, aber abgesehen von meinem eigenen trommelnden Herzschlag und dem Wind, der durch die Geschwindigkeit entstand, konnte ich nichts vernehmen. Obwohl es nun doch etwas hektisch geworden war, bereute ich den Abstecher ins Dorf nicht im Geringsten. Es war wirklich unglaublich spannend gewesen, das ganze Treiben und auch die Interaktionen zwischen den verschiedenen Menschen zu beobachten, ein paar ihrer Inventionen in Aktion mitzuerleben und all die verschiedenen Gerüche und Geräusche wahrzunehmen. Teilweise hatte ich meine Aufmerksamkeit auch immer wieder auf Acyra und ihr Treffen mit ihrer Familie, oder zumindest ihrer Mutter gerichtet und die Gesprächsfetzen, die ich aufgeschnappt hatte, waren überaus interessant gewesen. Wenn dieser Nebel von Menschenhand entstanden war, war dann vielleicht auch dieses Gruselereignis im Oktober des letzten Jahres etwas mit ihnen in Verbindung gestanden? Das war auf jeden Fall eine Überlegung wert.
Acys Worte rissen mich aus meinen Gedankengängen und ich bremste neben ihr ab, als wir zum Halt kamen und schnappte zuerst einmal gierig nach Luft. Wenn mein Orientierungssinn mich nicht täuscht, sollten die Gleise in Richtung Wäldchen führen. Und von dort könnten wir über den Wald zurück zum Rudelplatz und würden eventuelle Verfolger sicher verlieren schlug ich vor, nachdem ich es geschafft hatte, meine Atmung wieder unter Kontrolle zu bringen.

Ich hörte noch Koris Kompliment, aber da war ich bereits zu vertieft in die Gockeljagd, um noch darauf zu reagieren. Mein Fokus lag so sehr auf die Hühner, dass ich einen Tunnelblick bekam, wobei ich alles um mich herum ausblendete und unaufhaltsam am buddeln war. Erst als Kori mich versuchte wegzudrücken, löste sich mein Fokus und ich hörte darauf, was sie sagte. Unglaublich gerne würde ich den Hühnern selber hinterherjagen, aber sie hatte recht. Wenn wir den Snack wollten, musste wir es machen, wie sie es vorschlug. Ich nickte und machte Platz für sie, auch wenn es hieß, dass sie im Notfall schwerer entkommen konnte.
Mein Herz pochte bis zum Hals, so dass mir fast schon übel wurde. Vielleicht war es eine dumme Idee gewesen, es trotzdem durchzuziehen, obwohl die Menschen sowieso schon in Aufruhr waren. Vielleicht war es so aber auch besser, weil sie abgelenkt waren. Während ich Ausschau hielt, ob die Menschen uns bemerken, war ich bereit jedes Huhn entgegen zu nehmen, was Kori mir hinhalten würde. Ich war bereit für ein fedriges Festmahl!

Ruven nickte. Damit war es wohl beschlossene Sache.
Mit einem letzten prüfenden Blick zu dem Gebäude in unserer direkten Nähe, zwängte ich mich unter dem Zaun hindurch. Die abstehenden Enden kratzten unangenehm über meinen Rücken, aber ich fand mich ohne weitere Probleme auf der anderen Seite wieder. Das panische Gackern nahm zu. Die dicken Vögel rannten panisch und aufgebracht durch ihr - nicht mehr so ganz schützendes - Heim, sodass Federn durch die Luft segelten.
Ohne Zeit zu verlieren - Ich wollte immerhin nur ungern durchlöchert werden - nahm ich die Verfolgung auf. Innerhalb von Sekunden schnappte ich nach einem braunen Huhn, erwischte es unsanft am Flügel und zerrte es zu meinem Fluchtweg hinüber. Kurz hielt ich es so, dass Ruven es annehmen konnte. Das Töten überließ ich meinem Gefährten.
Daher wandte ich mich gleich wieder um und sprang eilig in die Ecke, wo sich die dicken Vögel gerade zusammendrängten. 'Das geht ja noch einfacher, als beim letzten Mal!', dachte ich erfreut, als mir ein schwarzes Huhn panisch geradewegs vor die Pfoten flog. Schnell packte ich es und schleifte auch dieses zu Ruven hinüber. Dann hielt ich kurz inne und lauschte. Noch konnte ich kein anderes Geräusch hören, als das wilde Gegacker der aufgebrachten Federtiere. Deshalb wagte ich es nochmals, mich umzudrehen und nach einem weiteren Hühnchen zu schnappen.
Ich erwischte gerade ein weiteres am Flügel, als ich ein lautes Krachen vernahm und instinktiv zum Tunnel hetzte. Das wild kreischende Huhn dabei mitziehend. Als ich mich jedoch flach auf den Boden legte, erwischte es mich seinem Hühnerfuß knapp über dem Auge. Irritiert über den plötzlichen Schmerz ließ ich es los. Hinter mir hörte ich jedoch auch das laute Kreischen eines Menschen und rief meinem Gefährten zu: "Lauf!" Ich hatte keine Zeit für das fliehende Hühnchen. Als ich mich jedoch gerade durchschieben wollte, flog ein wild flatterndes Huhn zwischen mich und den Zaun. In der bodenlosen Panik, die einerseits durch meinen Aufenthalt im Hühnerstall und andererseits durch den sich schnell nähernden Menschen ausbrach, war es wohl einfach blind gegen mich gelaufen. Kurzerhand packte ich es also und zog es mit mir mit. "Losch!", fuhr ich meinen Gefährten fahrig an, als ich noch halb unter dem Zaun lag.

Mit abwechselndem Blick zu den Menschen, beobachtete ich das Spektakel im Hühnerstall. Ich hätte meine Oberschenkelmuskeln geopfert, damit ich wie Kori in diesem Moment, den Hühnern hinterherjagend konnte. Vielleicht war das eine gute Motivation, um wieder etwas überflüssigen Speck loszuwerden. Dafür überließ mir Kori aber die Ehre des letzten Bisses. Das erste Huhn, das Kori mir übergab, packte ich am Genick und ließ es mit einem kräftigen Biss knacken. Das Huhn war sofort tot. Ich packte es etwas neben den Zaun, wo ich auch das nächste drauf packte, was Kori mir gab. Als sie sich über das letzte hermachen wollte, schlug plötzlich von dem angrenzenden Haus der Menschen die Tür auf. Ich erstarrte und wusste nicht, was ich tun sollte. Ein Teil meines Körpers sagte, ich soll kämpfen, der andere Teil von mir, wollte fliehen. Statt überhaupt was zu tun, blieb ich einfach still stehen und starrte den Menschen an, der nun zu schreien anfing. Kori rief mir zu, dass ich laufen soll, aber ich konnte nicht, solange sie im Gehege steckte. Dennoch löste ich mich aus der Starre und packte die beiden Hühner, die bereits außerhalb des Hühnerstalls lagen. Ich ging ein paar Schritte Richtung Wald, aber wartete noch, bis sie ihren Dickbauch durchgequetsch bekommt. "Omm! Etsch ich urch!", nuschelte ich hinter den Hühnern hervor, während ich auf der Stelle joggte und bereit für unsere Flucht war.

Endlich zwängte ich mich vollständig durch den schmalen Tunnel hindurch. Und wieder kratzten die spitzen Enden unangenehm über meinen Rücken - Dieses Mal ließ ich wohl auch die letzten Büschel meines Winterfells am Zaun zurück.
Eilig rappelte ich mich auf meine Pfoten, behielt das wild gackernde Huhn fest zwischen meinen Kiefern und starrte fahrig zu meinem Gefährten. Das aufgebrachte Kreischen des Menschen hinter mir wurde lauter und durch ein tieferes ersetzt. "Looosch!", fuhr ich Ruven panisch an und hetzte an ihm vorbei. Meine bernsteinfarbenen Iriden fokussierten sich auf den Waldrand. Mit großen Sprüngen flog ich der Sicherheit entgegen - Das Huhn flatterte dabei alarmiert in meinen Kiefern und verlor einige Federn.
Als ich mich durch die erste Reihe an Büsche hindurch gekämpft hatte, blieb ich stehen und drückte den dicken Vogel auf den Boden. Schnell tötete ich ihn und es ward endlich Stille. Dafür wartete ich angespannt auf meinen Gefährten, um anschließend mit ihm türmen zu können.
Allgemein schienen wir jedoch Glück gehabt zu haben. Noch hatte kein Schuss den Tag zerrissen.

Bei Acys Kommentar zuckte mein Mundwinkel leicht nach oben, halb amüsiert, aber auch halb melancholisch. Stimmt. Ich musste wirklich noch mehr trainieren, um endlich meinen schwachen Zustand hinter mir zu lassen. Ich hatte mich nach diesem Vorfall inm solch einem schlechten Zustand befunden, dass ich während meiner Zeit bei den zwei Menschen kaum was anderes machen konnte, als mich auszukurieren und dem Schicksal zu danken für die beiden, da ich ansonsten wohl hoffnungslos in dem Wald verblutet wäre. Ich konnte mich kaum bewegen, geschweige denn richtigen Sport machen und das hatte sich wahrlich auf meine Muskeln und mein Stamina ausgewirkt. Selbst jetzt nachdem ich wieder in die Wildnis ausgesetzt worden war, zeigten sich noch die Nachwirkungen davon...
Meine Laune hellte sich wieder auf bei Acyras nächsten Worten und meine Rute wedelte leicht hin und her. Danke zurück, dass ich dich begleiten durfte. Es war wirklich faszinierend.

Ich nickte. Gerne. Dann, los geht's. Mit diesen Worten setzte ich mich in einen lockeren Trab und begann den Schienen zu folgen.

--> Wäldchen

Kori schaffte es durch den Zaun und war bereits in den Wald gehuscht, ich folgte ihr so schnell ich konnte. Die Menschen waren noch voll in Aufruhr, weshalb ich keine weitere Zeit in deren Revier verbringen wollte. Kurz blieb ich noch bei meiner Gefährtin stehen und schaute sowohl sie, als auch ihr frisch erlegtes Huhn an. Koris Fell war krauselig und über ihrem Auge war ein Strich, wo sich das Fell auseinander trennte, wie Mama Frosch das Wasser in ihrem See teilen würde. Doch nun war keine Zeit sie darauf anzusprechen, erstmal sollten wir uns in Sicherheit begeben. Ich machte eine Geste mit dem Kopf, um zu zeigen, dass wir weitergehen sollten und setzte mich damit wieder in Bewegung.

(> Rauschhöhle)

Das Glück blieb uns hold.
Ruven huschte in den Wald und ich folgte ihm. Schon bald verklang das verärgerte Kreischen des Menschen hinter uns, als wir den schnellsten Weg zurück nach Hause einschlugen.

>> Rauschhöhle (Freie Gebiete)