Ich wedelte fröhlich mit der Rute, dankbar dass Mama mir soweit zutraute es zu können. Ich weiß bisher nur, wie man Mäuse oder Kaninchen finden kann..aber ich weiß nicht wirklich wie andere Tiere riechen. Ich ahmte jedoch instinktiv Mama nach, und schnupperte. Gab es hier noch andere Gerüche als die, die ich bisher verfolgt hatte?

Ich nickte, natürlich wusste er das nicht.
Ich versuchte eine Witterung aufzunehmen, es gab einen schwachen Geruch nach Rehwild - kaum ein Hauch eines Duftes. Er war entweder alt, oder das Tier stand wirklich weiter weg.
Ich entschied, dass der Geruch für eine Lehreinheit sicherlich zu schwach war. Der Ursprung schien vom Schattenbaum zu kommen.
Dann brechen wir auf. Ich wedelte vorsichtig mit dem Schwanz. Los komm.

(Schattenbaum)

Ich versuchte den Geruch, welchen Mama kurz wahr zu nehmen schien ebenfalls zu erfassen, doch war meine Nase dafür wohl noch nicht geschult genug. Ich wedelte sachte mit der Rute. Okay! In kleinen Sätzen sprang ich Mama nach, dicht bei ihr bleibend.

--> Schattenbaum

<-- Rudelplatz

Ich achtete nicht auf meinen Weg und dass ich mich von dem Rudelplatz entfernte. Die kleine Maus war so unglaublich schnell und ich wollte sie unbedingt bekommen. Doch - schwups - war sie in einem Loch verschwunden das mitten im Boden war. Neugierig steckte ich meine Schnauze in die kleine Öffnung und schnupperte nach dem kleinen Tier. Komm raus!, knurrte ich aufgeregt und begann mit meinen Vorderpfoten das Mauseloch etwas größer zu graben. Plötzlich jedoch raschelte es neben mir. Irritiert ließ ich von dem Loch ab und legte den Kopf schief. Wie kommt sie denn da hin?, fragte ich mich und sprang schließlich so lange hinterher, bis ich sie tatsächlich schnappte. Ich hatte eine Maus gefangen. Meine erste Beute! Stolz reckte ich meine Brust raus, während ich sie zwischen meinen Zähnen hielt. Doch niemand war da, der mich hätte loben können. Wo waren denn plötzlich alle hin? Erschrocken ließ ich den winzigen Kadaver auf den Boden fallen und drehte mich mehrmals um mich selbst. Aus welcher Richtung bin ich hier her gekommen? Alles sah gleich aus. Mein kleines Herz klopfte plötzlich ganz panisch gegen meine Brust. Mamaaaa!, heulte ich und schnupperte über den Boden. Doch ich konnte sie nicht riechen. Papa?, winselte ich und sah mich ängstlich um.

Seths Fährte führte wirr durch den Wald, offenbar war er einer Maus gefolgt, welche natürlich versucht hatte ihn abzuschütteln, doch das machte es mir nur schwerer meinen Sohn wieder zu finden. Er muss noch im Revier sein. Aber auch hier ist es nicht völlig sicher. Man siehe sich nur mal Nimble an! Dann hörte ich meinen kleinen Sohn nach seiner Mutter heulen und wusste damit ganz genau in welche Richtung ich musste. Mit einigen großen Sprüngen hetzte ich durch das Gebüsch, bis ich Seth endlich sah, zu seinen Pfoten eine tote Maus. Ich hätte heulen können vor Erleichterung, riss mich aber natürlich zusammen und versuchte alle Furcht und Anspannung aus meiner Stimme zu verbannen, als ich mit scheinbar ruhigen Schritten an meinen Sohn heran trat. Na? Hast du die Maus ganz alleine gefangen?

Es schien eine halbe Ewigkeit zu dauern, bis ich endlich das vertraute weiße Fell von meinem Vater erblickte. Papa!!!, winselte ich und stolperte eilig zu ihm. Erleichtert, nicht mehr allein zu sein, vergrub ich meine Nase in seinem Pelz, während mein kleines Herz noch immer wild in meiner Brust raste. Maus? Vorsichtig warf ich einen Blick über meine Schulter und erblickte nicht weit von uns den kleinen Kadaver auf dem Boden. Ja., antwortete ich schließlich leise. Der Schreck saß noch so tief, dass ich mich in diesem Moment gar nicht richtig freuen konnte. Ich sah meine Beute an, ohne mich von dem weißen Wolf fort zu bewegen. Sie war SO schnell!, sagte ich aufgeregt und hob meinen Blick, um Papa direkt anzusehen. Und dann war keiner mehr da.

Endlich war Seth wieder bei mir und ich konnte an ihm schnuppern um mich noch einmal zu versichern, dass er auch wirklich in Ordnung war. dann schleckte ich ihm einmal sanft über die Ohren und stupste ihn mit meiner Nase an. Das hast du sehr gut gemacht, ich bin stolz auf dich. Trotzdem hast du mir große Sorgen gemacht, du warst plötzlich weg. Leichten Tadel legte ich doch in meine Stimme, Seth sollte klar sein, dass sein verhalten nicht in Ordnung gewesen war, doch zugleich wollte ich ihn auch loben, immerhin hatte er gerade ganz alleine seine allererste Beute gemacht und meinen ersten schrecken überschrieb in mir drin nun doch deutlich der Stolz auf meinen kleinen Sohn, der jetzt schon so große Dinge vollbringen konnte.

Ich spitzte erfreut meine Ohren, als Papa mich lobte. Ja! Ich hatte die Maus gefangen und niemand hatte mir geholfen. Jetzt, wo ich mich von meinem Schrecken wieder erholt hatte, war ich doch sehr stolz auf mich. Doch Papa's Lob folgten noch weitere Worte. Seine Stimme hatte dabei einen anderen Ton angenommen. Schuldbewusst legte ich die Ohren an, während ich mich leicht duckte und vorsichtig zu ihm auf blickte. Entschuldigung. Ich habe den Weg nicht mehr gefunden., sagte ich kleinlaut. Was sind Sorgen?, schob ich hinterher und legte fragend meinen Kopf etwas schief.

Genau darum musst du eben aufpassen, du kennst das Revier noch nicht. Aber sobald du das tust wirst du dich nicht mehr verlaufen. Ich wollte wieder auf einer positiveren Note enden, besonders da Seth sich gleich entschuldigt hatte und es ihm auch wirklich leid zu tun schien. Ich stupste ihn aufmunternd mit der Schnauze an und überlegte dann scharf wie ich ihm seine Frage beantworten sollte. Das sind negative Gedanken die einem kommen, wenn man zum Beispiel nicht weiß was einem dem man lieb hat passieren könnte. Als du plötzlich weg warst hatte ich Angst, dass du dich verletzen könntest, ich war also besorgt um dich.

Als Papa mich freundlich anstupste und der Ton in seiner Stimme wieder ein anderer war, wedelte ich fröhlich mit der Rute und schleckte ihm einmal über die Lefzen. Und wann kenne ich das Revier?, hakte ich nach und sah meinen Papa erwartungsvoll an, ehe mein Blick sich in Erstaunen umwandelte. DU hast Angst?!, fragte ich verwundert. Daran hätte ich niemals gedacht. Mein Papa war doch groß, stark und mutig. Wieso konnte er dann Angst haben? Angestrengt dachte ich über all seine Worte nach und stellte fest, dass seine Größe, die Stärke und sein Mut gar nichts gegen diese Sorgen machen konnten. Ich seufzte einmal tief auf. Es war wirklich anstrengend das alles zu verstehen.

In ein paar Wochen spätestens, bestimmt. Ich ließ mich neben Seth zu Boden sinken, denn das Thema, welches angesprochen worden war, wurde nur weiter vertieft und es war auch ein sehr wichtiges, das es zu besprechen galt. Ich wollte, dass meine Welpen möglichst im Reinen mit ihren Gefühlen sein konnten, anders als ich, als ich aufgewachsen war. Sie sollten verstehen, dass Gefühle völlig normal waren und, dass sie sie nicht zu verstecken brauchten. Jeder hat Angst, das ist ganz normal. Manche zeigen das mehr als andere, aber Angst zu haben gehört zu uns allen dazu. Irgendwann lernt man mit dem Gefühl besser umzugehen und sich nicht davon beeinflussen zu lassen, aber da ist es trotzdem weiterhin.

Auch wenn ich durch die Mäusejagd bereits jetzt schon mehr gesehen hatte, als meine Geschwister, konnte ich es kaum erwarten noch mehr von der Welt zu sehen. Allerdings würde ich beim nächsten Mal wirklich besser darauf achten, nicht alleine loszuziehen. Mit Papa an meiner Seite fühlte ich mich nämlich viel sicherer und das hilflose, beängstigende Gefühl von vorhin wollte ich wirklich nicht noch einmal erleben. Ich setzte mich, als der weiße Wolf sich auf den Boden legte und hörte ihm mit neugierig aufgestellten Ohren zu. Also hat Mama auch Angst? Und Onkel Billy? Wieso zeigt man das nicht?, fragte ich und schob gleich eine ganz andere Frage hinterher. Und wieso kann Aylia nicht lachen? Ich dachte an die helle Wölfin, deren Namen ich inzwischen irgendwann mal aufgeschnappt hatte und dachte daran, dass ihr ernster Gesichtsausdruck mich bisher immer gegruselt hatte.

Seth hatte viele Fragen, das war sicherlich normal für einen Welpen seines Alters, und auch hier wollte ich ihm so gut wie möglich alles beantworten, ein weiterer Luxus den wir damals nicht gehabt hatten und den ich meinen eigenen Welpen bieten wollte. Weißt du, es gibt gemeine Wölfe da draußen, die deine Angst ausnutzen wollen. Du kannst deine Angst im Rudel immer zeigen, das ist auch ganz wichtig, aber sobald du wen von außerhalb triffst musst du vorsichtig sein. Und manchmal fällt es Wölfen, wie zum Beispiel deinem Onkel Billy, sehr schwer die Gefühle die er uns zeigen könnte auch wirklich zu zeigen, weil er zu vorsichtig geworden ist. Über Billys Probleme mit einem meiner Welpen reden wollte ich nicht unbedingt, doch Seth zu zeigen, dass es nicht gut war sich so zu verhalten wie es Billy sich leider angewöhnt hatte, ich war ja auch kaum besser, war umso wichtiger. Aylia war allerdings ein anderes Tema. Ich wusste nicht genau was ihr passiert war, das wusste wohl kaum jemand außer ihr so genau, allerdings kannte ich die rote Fähe schon seit ich ein Welpe gewesen war und konnte mir so, wie ich fand, ein Urteil erlauben. Aylia hat sehr viel schlimmes erlebt, sie war nicht immer im Rudel, sie kam von außerhalb und war schon so als ich noch so klein war wie du. Aber auch wenn sie nicht lacht heißt das nicht, dass sie böse ist oder jemanden nicht mag. Wölfe haben verschiedene Arten Gefühle zu zeigen, manchmal muss man für jemanden auch extra lernen wie derjenige sich ausdrückt.

Warum?, fragte ich. Denn das war die präsenteste Frage, die in meinem Kopf herum schwirrte. Ich hörte zwar ganz genau zu, was Papa mir erklärte und versuchte mir jedes Wort einzuprägen, doch das alles war schwer zu verstehen, wenn man diesbezüglich noch keine eigenen Erfahrungen gemacht hatte. Warum ist Onkel Billy vorsichtig? Hat er auch schlimmes erlebt, wie Aylia? Fragend legte ich den Kopf schief und rückte ein kleines Stück näher zu dem weißen Wolf. Erlebe ich auch Schlimmes?, fragte ich, ohne im Detail zu wissen, was das Wort "schlimm" eigentlich bedeutete. Dann dachte ich über die helle Wölfin nach und richtete meinen Blick auf die Maus, die ein kleines Stück von uns entfernt auf dem Boden lag. Ich möchte Aylia meine Maus schenken. Darf ich das, Papa?

Warum sie böse sind? Da hat jeder seine eigenen Gründe, meistens kann man die auch gar nicht nachvollziehen. Ich schüttelte den Kopf beim Gedanken an all die Wölfe die uns hassten nur weil wir zum Schattenrudel gehörten. Das waren dann auch meistens jene, die sich aufregten, wenn wir deshalb vorsichtig reagierten. Hypokriten... Ganz genau, mein Kleiner, Onkel Billy hatte es nicht leicht. Ich drückte Seth mit einer Pfote dichter an mich, alleine der Gedanke daran, dass ihn etwas zustoßen könnte brach mir das Herz. Nicht, wenn ich es verhindern kann. Mein Herz erwärmte sich gefühlt um noch ein paar Grad, als Seth eine süße Idee vortrug, die mich sofort zum lächeln brachte. Du darfst mit deinem ersten Fang machen was auch immer du willst. Ich bin sicher Aylia würde sich sehr freuen. Liebevoll drückte ich meine Nase gegen Seths noch so kleinen Kopf. Papa... Ob ich mich je an den Titel gewöhnen werde? Will ich das überhaupt? Er ist so etwas besonderes. Er sollte nie alltäglich klingen.