Der Aufstieg war lang und beschwerlich gewesen. Die Gedanken an Miles, der die Gemeinschaft verlassen wollte, fielen wie schwere Steine von meiner Seele. Ich würde sie später wieder einsammeln gehen, wenn ich zurück kehrte, doch nun musste ich mich erst wieder sammeln. Es war so viel geschehen und ich hatte kaum Zeit gehabt, es überhaupt zu verarbeiten. Aufmerksam trat ich über flachen Boden, durch Felsen hindurch und sprang von Stein zu Stein. Ich fühlte mich an die Berge erinnert, die ich mit Xena besucht hatte, um ihr eine Blume zu suchen und musste unwillkürlich lächeln. Ob ich hier eine neue für sie finde? Neugierig sah ich mich um und sog die frische Luft tief in meine Lunge.
Der Geruch des Rudels war hier nur noch schwach, weshalb ich an allen möglichen Stellen neue Markierungen setzte, mich an markanten Stellen an den Felsen rieb und mich hier und da im Laub der kargen Streucher wälzte. Erst ganz oben blieb ich stehen und genoss den kühlen Wind in meinem grauen Fell. Freiheit., brummte es zufrieden in meinem Kopf. Ich war wieder Teil eines Rudels, hatte Xena wieder an meiner Seite und konnte friedlich durch ein großes Revier streifen. Ich wandte meine Blick in alle Richtungen und entdeckte schnell, dass sich auf der anderen Seite des Gebirges ein fremdes Revier erstreckte. Der leichte Geruch erinnerte mich wage an die helle Fähe, die uns bei der Wisent-Jagd geholfen hatte. Aylia. Die Schattenwölfin. Meine Ohren zuckten unruhig und ich nahm mir vor, Fey zu fragen, wie wir zu den anderen Rudeln standen.. Ich wusste bereits, dass wir durch Morgana ein Bündnis mit den Nebelwölfen hatten. Doch die Beziehung zu den anderen Rudeln war mir fremd und ich wollte nicht unvorbereitet sein. Ich mochte Aylia und wollte dieses Gefühl nicht in den Zwiespalt eines Rudelstreits bringen.
Ein anderer Gedanke galt Lyvianne. Ob sie mich suchte? Ein leichtes Schuldgefühl zwickte in meiner Brust. Ich hatte mich gut mit ihr verstanden und sie hatte ihren Alpha fragen wollen, ob ich zu ihnen ins Rudel kam. Leise seufzend ließ ich mich am Rand des Aussichtspunktes nieder, um in die Ferne zu schauen. Da sind die Berge.. irgendwo da ist die weiße Juvenile. Ein schwaches Lächeln stahl sich zurück auf meine Lefzen, ehe ich weiter meinen Gedanken nachhing.

Für mich war es sonst ein leichtes die Berge zu erklimmen, aber meine Pfoten gaben hier und da nach und ich musste Pausen machen um erneut Luft zu bekommen. Seufzend folgte ich dem steinigen Pfad und der Spur von Luen, die mich weiter in die Höhe treiben. Je höher ich kam umso glücklicher und leichter fühlte sich mein Kopf an und ich fasste ein wenig Sicherheit in meinen Schritten. Das Schmerzen meiner Muskeln ignorierte ich und nahm mir einfach vor ein paar Kräuter zu suchen. Wenn ich auf einen Stein trat spreizten sich meine Pfoten auf und der Widerstand verschwand in den weichen Fell Zwischenräumen. Ein wenig schwerer atmend als sonst kam ich am Gipfel an und blieb in einiger Entfernung zu Luen stehen. Der Wind wirbelte durch mein Fell und ich schloss meine Augen, den Kopf gen Himmel gestreckt. Teils um den Schwindel zu beseitigen und Teils weil das Gefühl unbeschreiblich schön war. Ich liebte die Berge schon immer, sie waren ein Zufluchtsort.Möchtest du alleine sein? Dann werde ich hier hinten weiter sitzen bleiben, sagte ich ernst. Aber ich lächelte und war mir beinah sicher das mein bester Freund es aus meiner Stimme heraus hören konnte. Es tat mir leid ihn so niedergeschlagen zu sehen, er sah so verloren aus auf dem großen steinernen Berggipfel. Trotzdem blieb ich sitzen und wartete ab, ich würde ihn nicht alleine lassen aber ich wusste nicht ob ob ihm Gesellschaft zu viel war. Der Gedanke dass er mich nicht um sich haben wollen könnte, versetzte mir einen Stich aber ich verdrängte das Gefühl. Es ging nicht um mich.

Ich lächelte, als mir der Wind einen für diesen Ort fremden Geruch zutrug. Xena. Ein echtes Lächeln stahl sich zurück auf meine Lefzen, während ich den Ausblick weiter genoss und auf sie wartete. Und es dauerte auch nicht lange. Meine Ohren drehten sich aufmerksam nach hinten, als ich das Geräusch von Pfoten auf Felsen hörte. Nein, komm zu mir., brummte ich und meine Stimme hörte sich schon fast wieder normal in meinen Ohren an. Ich drehte den Kopf zu ihr herum und mein Nasenrücken kräuselte sich. Geht es dir besser? Ich hatte dich extra zu Varisa und Karo geschoben, damit du nicht frierst.

Ich schenkte ihm ein Lächeln und freute mich über seine Fürsorge.Dankeschön aber mein Fell ist dicht und weich, sagte ich grinsend und schüttelte mich hin und her. Dabei wurde mir kurz schwindlig und ich hielt für ein paar Herzschläge inne, öffnete dann die Augen und trat vorsichtig zu Luen. Zu nah wollte ich nicht am Rand stehen, denn ich traute meinen Pfoten nicht. Mühelos schon ich meinen Kopf unter sein Kinn, lehnte mein Gewicht gegen seine Schulter und ließ die Schnauze in sein weiches Brustfell sinken. Der Geruch und die Wärme beruhigten meinen Kopf und meine Seele und ich brummte leise und zufrieden. Der Aufstieg hatte mir mehr abverlangt als ich zugeben wollte und ohne es zu wollen schlief ich an seiner Seite ein.

Ein wenig mehr Sorge machte sich in meinem Gesicht breit, während sie inne hielt. So gut schien es ihr noch nicht zu gehen und ich schalt mich selbst dafür, dass ich gegangen war. Es war doch klar, dass sie mir folgen würde. Schon von Anfang an hatte sie einen besonderen Riecher für meine Stimmungen gehabt. Ich zwang mich ruhig zu bleiben, während sie sich sammelte, um nicht an ihre Seite zu hetzen. Ihr Stolz würde mir das übel nehmen. Dennoch zählte ich jeden ihrer Schritte bis sie an meiner Flanke war und leckte ihr beruhigend über die Stirn bis zwischen die Ohren. Ruh dich aus., brummte ich beruhigend und legte meinen Kopf auf ihre Schulter. Mein Blick glitt hinauf in den Himmel und obwohl fast nur Wolken zu sehen waren, empfand ich seit langem eine tiefe Ruhe in mir selbst. Der Zorn schnurrte seit Xenas Auftauchen wieder schläfrig in meiner Brust. Die Fähe, die mir am meisten bedeutete, schlief ruhig an mich gekuschelt. Und wir waren frei.. frei von Sorgen, zumindest für den Moment.

Im Schlaf hatte mich auf die Seite gerollt, damit Xena bequemer an meinen warmen Bauch heran kam. Hier oben war es kälter als im Tal auf dem Rudelplatz und ich wollte nicht, dass sie mit ihrer Erkältung fror und es noch schlimmer werden würde. Als ich nun erwachte, stellte ich fest, dass ich sogar die Läufe um sie herum gelegt hatte und musste unwillkürlich grinsen. Die Augen öffnend sah ich direkt hinauf in den Himmel, blinzelte und senkte dann den Blick gen der Fähe. Sanft leckte ich ihr über Kopf und Hals, knabberte an einer Verknotung unterhalb der Blume bis sie sich gelöst hatte und betrachtete dann die mehr als welke Blume.

Ich öffnete die Augen einen Spalt und ließ meinen Kopf die Helligkeit annehmen. Ich war müde und es tat alles noch mehr weh als gestern, trotzdem lächelte ich und drückte mich näher an sein weiches Fell. Wie ein weiches Schutzschild lag Luen um mich herum gerollt und ich genoss die Wärme. Trotzdem war mir kalt und ich seufzte innerlich, genervt von der Krankheit die an meinen Kraftreserven zerrte. Die Sonne stand hoch am Himmel und ein leichter Nebel lag auf dem Tal unter uns, die Baumkronen bewegten sich sachte im Wind und ein Adler kreischte irgendwo über uns. Freiheit bedeutet also doch nicht gleichzeitig Einsamkeit, erklärte mir eine zufriedene Stimme im Inneren. Die Stimme die ich so lange zum schweigen gebracht hatte und die jetzt endlich frei war. Nie wieder würde ich mich weiter von meinem besten Freund entfernen als ein paar Meter um mir die Umgebung anzusehen oder zu jagen. Dieses Versprechen gab ich ihm und mir stumm.Woran denkst du?, fragte ich ihn, mit einer sanften, halb schnurrend Stimme die nur ihm galt. Entspannt genoss ich seine Zuneigung und das Kribbeln dass sich unter der Stelle wo er knabberte über meine Haut zog.

Als sich ihre Atmung änderte, lächelte ich, auch wenn sie es nicht sehen konnte. Kaum war sie näher an mich gerückt, verschanzte ich auch schon die Pfoten hinter ihrem Rücken und zog sie noch näher. Ihr musste schrecklich kalt sein. Aber selbst wenn sie nicht krank gewesen wäre, hätte ich ihre Nähe um nichts in der Welt missen wollen. Ruhig sog ich ihren Geruch ein und pustete dann sanft gegen die Blume, bis sie sich aus ihrem Fell löste. An alles und nichts., begann ich die Antwort und schloss die Augen erneut. An Miles, an Phoenix.. an das Rudel, an Aylia und Lyvianne.. an Morgana und Tristan. An Aimichan, die nun keine Familie außer uns mehr hat. Ich machte eine Pause und pustete etwas stärker gegen die Blume, damit sie von ihrem Nacken abfiel. Du brauchst eine neue Blume.. und ich möchte das Revier in den nächsten Tagen gern genauer kennen lernen., erklärte ich ihr meine Absichten für die nahe Zukunft und bettete meinen Fang wieder in ihrem Nacken. Wenn du wieder fit bist.

Ich streckte ihm meinen Kopf entgegen, damit der besser an meinen Nacken kam und entspannte meine Schmerzenden Muskel. Ich bin vollkommen fitt, stellte ich ironisch fest und zog einen Mundwinkel zu einem grimmigen Lächeln nach oben. Ich finde es schade dass er geht, aber wenn er nunmal so besessen davon ist. Vielleicht hilft ihm eine kurze Zeit entfernt von uns, damit der merkt wie sehr er uns vermisst. Beim letzten Satz öffnete ich die Augen und sah ihn mit Wärme und Zuneigung darin an. Ich hatte auch erst gehen müssen um zu wissen was sie mir bedeuten.Ja die Blume. Sagte ich schlicht und dachte über ihre Bedeutung nach und ob sie noch zu mir passte. Aber sie war ein Teil von mir und noch war ich nicht bereit diesen Teil aufzugeben.

Ganz von selbst fing ich wieder an, ihr Nackenfell zu lecken, um weitere Knoten zu finden. Leise seufzend machte ich mich über einen besonders hartnäckigen her, der an der Stelle war, wo eben noch die Blume verkeilt war. Ich bezweifel es. Dafür war Miles viel zu stolz. Es müsste ihm schon ein traumatisierendes Ereignis heim suchen, damit er seine Augen für die Gegenwart öffnete und für die Vergangenheit verschloss. Doch das wünschte ich niemanden. Ich schüttelte meinen Fang, um die Aussichtslosigkeit dieser Freundschaft zu vertreiben und erwiderte ihren Blick mit einem warmen Lächeln. Dann steht es fest.. die Blume als Erstes. Mein Blick erhob sich zum Himmel, an dem sich leichte Wolken sammelten. Es roch nach Wasser. Ob es bald regnete? Unwillkürlich leckte ich Xena wieder über den Kopf, während ich die Wölkchen beobachtete.

Ich seufzte nur und begann die Haut an Luens Vorderpfoten zu knabbern und zu zwicken. Er hatte womöglich recht aber irgendwie hatte ich doch das Gefühl, dass vielleicht Phoenix sein bleiben bedeuten könnte.
Ich wanderte mit dem knabbern sein Bein nach oben, um zu dem weichen Brustfell zu kommen. Immer wieder pustete ich spielerisch Luft auf der Nase auf sein Fell und grinste. Den Schwindel und die Kopfschmerzen ignorierte ich, sie waren auszuhalten.

Ich kicherte jedes Mal, wenn mich Xena zwickte und schnappte spielerisch nach ihrem Ohr, um darauf herum zu kauen. Als der erste Tropfen auf meiner Nase landete, glitt mein Blick automatisch wieder hinauf zum Himmel. Der Himmel weint mit mir., murmelte ich leise und ließ von ihrem Ohr ab. Ich seufzte leise und drängte meine Nase gegen ihren Hals. Los, hier sind wir nicht geschützt genug., brummte ich und wollte schon Anstalten des Aufstehens machen. Die leichten Regenschauer im Tal waren in den Bergen meistens Stürme und ich wollte nicht herausfinden, was es hier werden würde.

Ich knabberte ab der Stelle hinter seinem Ohr und rieb den Kopf an seiner Wange. Ein stummen Zeichen, dass ich da war.
Ich seufzte und nickte, aber eigentlich wollte ich weiter bei ihm bleiben. Sollen wir nicht eine Höhle suchen oder so, fragte ich grinsend und versuchte mit etwas aufzurichten. In der aufrechten Position musste ich kurz innehalten und den Schwindel unter Kontrolle bringen. Meine Pfoten stabilisierten sich nach einigen Augenblicken und die kurze Übelkeit, die mit dem Schwindel gekommen war, verschwand.

Meine Ohren legten sich für einen Moment an, als sie wieder das Gleichgewicht suchen musste. Eine Höhle klingt gut., brummte ich beruhigend und lehnte meine Flanke an ihre, um ihr Halt zu geben. Ich möchte noch nicht zurück., flüsterte ich mehr leise und die stille Frage, ob sie damit einverstanden war, blieb unausgesprochen in der Luft bestehen. Beruhigend leckte ich ihr wieder die Ohren, während mein Blick sich schon auf die Suche nach einem Loch im Felsen machte. Aber vorerst mussten wir wohl von dem höchsten Punkt hinab.
Weiter unten entdeckte ich eine schmale Steinplatte, die aus dem Fels hinaus ragte. Vielleicht dort. Hoffnungsvoll drehte ich mich in die entsprechende Richtung und steuerte Xenas Hinterläufe mit meinen eigenen, um sie ebenfalls in die Richtung zu drehen. Schaffst du es bis dorthin? Ich deutete mit dem Fang auf den tiefer gelegenen Vorsprung. Selbst wenn es keine Höhle war, so war sie zumindest erstmal vor dem Regen geschützt.

Ich möchte auch noch nicht zurück. Kurz sah ich Luen an und die Amazone in mir funkelte in einen Moment an, ließ dann aber seine Unterstützung zu. Stolz bedeutete nicht unbedingt immer sich nicht helfen zu lassen. Ich nickte und lächelte, trotzdem bewegte ich mich langsamer und weniger geschmeidig als sonst. Ich achtete auf meine Schritte und hielt Pflicht bewusst für einige Sekunden inne wenn meine Pfoten unter mir nachzugeben drohten. Trotzdem lächelte ich und freute mich ein wenig mehr Zeit mit ihm alleine zu haben.