Kaum hatte ich den Gleisen folgend den Wald verlassen und das Gebiet der Tümpel wieder betreten, hob ich erneut meinen Fang zum Heulen gen Himmel. Kasaiii?, rief ich nach der jungen Fähe und hoffte, dass sie in Ordnung war.

Ich zitterte. Sowohl vor Kälte als auch Nässe. Aber auch die Panik, welche noch immer in meinen Augen stand und dafür sorgte dass ich die Ohren mit einem sich immer wieder wiederholenden Knurren anlegte. Sieh dich doch an, wie jämmerlich du aussiehst! Die Worte waren wie Pfotenhiebe, welche gegen meinen Kopf gerichtet waren. Ich winselte kurz. Wie schon sooft fühlte ich mich allein, verloren. Doch grade als ich mich wie ein Häufchen Elend zusammen rollen wollte, erklang eine Stimme. Zunächst war es mehr dumpf, weil ich mich nicht auf die Stimme konzentrieren konnte vor Panik. Doch dann wurde es immer klarer. Luen.. Es war ein ersticktes Flüstern. Die Stimmen in meinem Kopf hatten unrecht. Ich war nicht mehr allein. Und ich hatte mir geschworen nicht mehr weg zu laufen. Oh bitte..mach dich nicht lächerlich Monsterchen. Ich konnte das Augenrollen und das hämsiche Grinsen wieder in meinem Kopf kribbelnd fühlen. Obwohl ich noch durchnässt und panisch war, erhob ich mich witternd, fing schließlich Luens Witterung auf. Ich..ich bin hier! Mein Rufen klang unsicher und schwach. Da ich mir nicht sicher war ob er mich gehört hatte ging , oder vielmehr schlich ich Luen mit hängenden Ohren und eingekniffener Rute entgegen.

Da! Dort war sie! Rasch wandte ich meinen Körper in die Richtung, aus der ich Kasais Stimme vernommen hatte. Schwach und unsicher. Was war passiert? War sie nun doch zum Aussichtspunkt gegangen und war womöglich dem anderen Rudel begegnet? Immer schneller wurden meine Pfoten, bis ich die Fähe endlich entdeckte. Sie war nass und sah tatsächlich mehr als unsicher aus. Ich verlangsamte meine Pfoten und trat schließlich langsam auf die Fähe zu. Kasai? Ist alles in Ordnung?, fragte ich überflüssigerweise, doch die Sorge um die jüngere Fähe war mir ins Gesicht geschrieben. Aufmerksam umrundete ich sie witternd, um zu sehen, ob sie Verletzungen hatte.

Als Luen auf mich zukam, wedelte meine Rute zaghaft. Noch immer wirkte ich wie ein Häufchen Elend. Verletzungen hatte ich ja keine, außer denen in meiner Seele. Ich..ich habe Angst.. Entfuhr es mir leise. Ich..will nicht weglaufen..aber..aber.. Ich winselte. Wie sollte ich Luen erklären, dass ich immer wieder diese Stimmen in meinem Kopf hatte, ohne dass er mich für verrückt hielt. Ich..ich bin mein Leben lang immer nur weg gelaufen..weil..weil mich alle immer als Monster bezeichnet haben..darum..darum spricht jetzt..immer etwas in meinem Kopf.. Ich wusste dass es sich seltsam anhörte. Ich kauerte mich hin und schloss zitternd die Augen für einen Moment. Als ich diese wieder öffnete standen pure Angst und Schmerz in diesen. Ich war immer nur abgelehnt worden. Luen und Xena..und auch der Rest des Rudels waren die ersten die mich aufnahmen, die mich nicht fort jagten. Darum wollte ich so gerne bei ihnen bleiben. Aber wie sollte das gehen wenn ich die ganze Zeit gegen diese Stimme, gegen das Verlangen weg zu laufen ankämpfen musste? Ich blickte Luen hilflos an.

Erleichtert blieb ich wieder an ihrer Front stehen und musterte ihre Mimik. Vorsichtig reckte ich meine Schnauze vor, als mir Angst und Schmerz entgegen schlug und den Beschützer in meinem Innern ansprach. Ich wollte schon los stürmen und mich auf denjenigen werfen, der ihr etwas angetan hatte, als sie weiter sprach. Beruhigend leckte ich mir über die Lefzen und schüttelte den Pelz meiner Schultern. Ruhig sah ich sie an und trat näher an sie heran, um durch ihr meine Ruhe durch die Nähe zu vermitteln. Erinnerungen kann man nicht einfach auslöschen, sprach ich leise, denn ich wusste nur zu gut, wie es war. Noch heute reagierte ich instinktiv auf Hunde.. das hatte der Vorfall am Fluss deutlich gezeigt. Und Kane hatte nicht mal zu mir gehalten! Den plötzlichen Gedanken sofort wieder verdrängend, weil er gerade absolut fehl am Platz war, sah ich Kasai zuversichtlich an. Egal wie sehr du den Drang verspürst, weg zu laufen, komm anschließend wieder zurück zu uns. Kannst du mir das versprechen? Ich neigte leicht den Kopf, um ihn auf ihre Augenhöhe zu bringen. Ich würde sie aufgrund dieses "Defekts" nicht verjagen, im Gegenteil. Sie brauchte Schutz, Geborgenheit und Fürsorge.. und ich war mehr als gewillt, ihr dies zu schenken.

Ich trat unsicher von einer Vorderpfote auf die andere. Meine Stimme war leise. Ich..ich weiß nicht ob ich das kann. Bisher..hatte ich nie einen Ort an dem ich hätte zurück kommen können. Darum..macht es mir Angst. Angst dass ich nicht wieder zurück komme, wenn ich einmal weg laufe. Ich konnte nicht verhindern, dass meine Angst dafür sorgte das ich einen Moment die Zähne fletschte. Sie setzte sich mit erneutem, fort laufenden Zittern meines Körpers und leisem Knurren fort. Ich..ich will nicht so sein. Ich hasse es wenn die Stimmen mit mir sprechen. Wenn..wenn sie mich verspotten. Ich schloss einen Moment wieder die Augen, versuchte den Schmerz in meiner Seele zu verdrängen. Es war nicht gut, wenn ich zuviel davon zeigte. Ich wollte nicht dass andere aus Mitleid bei mir waren, sondern weil ich ihnen wichtig war. Und Luen hatte schon von Anfang an deutlich gemacht dass er mich gerne im Rudel haben wollte, und auch Xena hatte dies gezeigt. Auch wenn es wohl lange ungewohnt sein würde, wenn mich andere in der Absicht berührten nett zu sein. Dafür würde das Vertrauen erst stärker werden müssen um nicht mehr so ängstlich darauf zu reagieren. Dir ist schon bewusst, dass du mehr als wahnsinnig auf ihn wirkst Monsterchen?! Das Lachen kribbelt in meinem Kopf. Winselnd legte ich mich hin und legte meine Vorderpfoten so über meine Schnauze dass ich meinen Kopf in ihnen vergraben konnte. Sei still, sei bitte still. leise wimmernd drückte ich mein Gesicht tief in das Fell meiner Vorderpfoten.

Schweigend ließ ich mich auf den Hinterläufen nieder und betrachtete die mit sich selbst kämpfende Fähe noch eine Weile, ehe mein Blick auf unsere Umgebung schwank. Leise brummend blieb ich einfach nur ruhig neben ihr sitzen und wartete ab, bis sich die Stimmen in ihrem Kopf wieder beruhigt hatten. Was hätte ich auch sagen können? Worte brachten kein Vertrauen, das vermochten nur Taten. Also würde meine pure Anwesenheit nun erstmal den Anfang machen müssen, so wie es bei Lakni anfangs auch gewesen war. Ich unterdrückte das leichte Lächeln, das sich bei dem Gedanken an die kleine Welpin auf meine Lefzen legen wollte. Bald würde ich selbst kleine Welpe haben.. und noch immer verspürte ich keine Angst vor dieser Tatsache, was mich ein wenig wunderte.

Es dauerte eine Weile ehe ich den Kopf langsam aus den Pfoten hob. Ich sah Luen unsicher an. Es überraschte die Stimme in mir sichtlich, dass er nicht einfach gegangen war, das konnte ich spüren. Wohl unsicher wie sie darauf reagieren sollte schwieg die Stimme. Vorsichtig robbte ich näher an Luen heran. Nur leicht richtete ich mich auf und leckte zaghaft so über Luens Kehle. Ein Zeichen der Dankbarkeit, aber vielleicht auch um zu zeigen wie sehr ich ihn respektierte. Dann kroch ich ein Stück weiter und erhob mich ganz. Ich..ich wollte für das Rudel jagen..weil..das andere Fleisch bald verdirbt..magst..magst du mit mir jagen? Ich stellte mich innerlich darauf ein, dass Luen es ablehnen würde. Wie es bisher immer alle gemacht hatten.

Meine Ohren zuckten, als Kasai sich langsam beruhigt und wieder bewegte. Als sie mir über den Hals leckte, lächelte ich sanft und sah wieder zu ihr hinab. Doch die Feuerrote kroch auch schon ein Stück weiter. Ich überlegte nicht lange, sondern erhob mich und folgte ihr die paar Schritte. Gerne., brummte ich zustimmend. Was meinst du? Worauf hat meine Gefährtin wohl gerade Appetit? Ein schelmisches Glitzern zeigte sich in meinen Augen und übertrug sich sogleich auch schon auf meine Lefzen, um ein Grinsen zu formen.

Ich legte den kopf schief und sah dann Richtung Stille Gleise. Auch ich konnte mir ein leichtes Grinsen nicht verkneifen und murmelte dann ein Sie allein? Bestimmt ein ganzes Bison. Ich erschrak über mich selbst. Seit wann machte ich denn bitte Scherze? Sofort ließ ich die Ohren wieder verunsichert hängen und hoffte dass Luen mir wegen diesem Scherz nicht böse war. Vorsichtig blickte ich ihn an. A..aber wir können..auch versuchen einen Elch oder Hirsch..zu erlegen.. Fügte ich dann unsicher hinzu und erinnerte mich an die Jagd, bei der sich ohne zu fragen einfach die fremde Fähe in den Fang eingemischt hatte.

Hatte sie gerade einen Witz gemacht? Leise begann ich zu lachen und erinnerte mich daran, dass ich wohl selbst mittlerweile Scherze machte und nicht mehr immer so ernst war, wie bei meinem Eintreffen im Tal. Grinsend sah ich der Feuerroten entgegen, als sie mich so unsicher ansah und nickte auf ihren Vorschlag hin. Nachdenklich wandte ich dann jedoch meinen Blick die Gleise gen Süden entlang. Bei uns werden wir aber wohl weder Elch noch Hirsch finden., gab ich zu bedenken und verzog die Schnauze. Dazu müssen wir in die freien Gebiete.. bist du schon bereit, fremde Wölfe zu treffen? Fragend sah ich zu ihr hinab und meine Rute begann leicht zu wedeln.

(Monsterchen? Hast du Maleficent geguckt? XD)

Mit pendelnder Rute und eigentlich guter Laune folgte ich der Spur und sah auch nach kurzer Zeit das helle rot der Fähe. Ich schmunzelte, da ich es wirklich schön fand und nicht verstand wieso jemand das nicht so sah. Ja okay sie war leicht zu sehen, aber dafür konnte sie anderes gut. Blinde und Taube Wölfe hatten ja auch gelernt damit umzugehen. Ich trat durch das Unterholz und lächelte, mein Rute schwang etwas mehr als ich Luen entdeckte. Hey ihr beiden, grüßte ich fröhlich und kam zu ihnen.

Ich war wirklich erleichtert das Luen mir wegen des Scherzes nicht böse war und wollte grade seine Frage wegen der fremden Wölfe beantworten als Xena zu uns trat. Freudig begann meine Rute zu wedeln und die Ohren stellten sich aufmerksam auf. Sachte trat ich an die Fähe heran, wich dann aber etwas zurück als der Geruch einer fremden Fähe von ihr aus ging. Ich zuckte einen Moment nervös zusammen, ehe ich durchatmete. Ich wollte der Stimme in meinem Kopf keinen Freiraum geben und trat daher näher an Xena heran, rieb meinen Kopf leicht an ihrer Flanke und leckte aus einem Implus heraus kurz über ihren Rücken. Wie..wie geht es dir? Ich freute mich Xena zu sehen, doch zugleich machte ich mir Sorgen wegen ihrer Ungeborenen. Ich ging einmal um Xena herum und schmiegte mich wie schützend an sie heran. Etwas was für mich eher ungewöhnlich war. Und vielleicht würde mich Xena auch von sich weisen, doch das Risiko ging ich in diesem Moment ein. Als..als ich den Elch..für euch gejagt habe..bin..bin ich bereits einer Fremden Fähe begegnet..sie..sie wollte mir die Beute wegnehmen. beantwortete ich dann doch Luens Frage und musste dabei ein Knurren unterdrücken. Meine Rute zeigte aber, dadurch dass sie still herab hing und nur die Spitze zuckte, dass ich gerade aufkommende Wut unterdrückte.

Als Xena in mein Blickfeld geriet, begann meine Rute noch mehr zu wedeln. Ihr Bauch war nun nicht mehr zu übersehen und ich freute mich über den Nachwuchs. Wie Kasai lief auch ich rasch zu ihr und leckte ihr über die Lefzen. Wir wollten jagen gehen und überlegen gerade, auf was du Appetit haben könntest, klärte ich sie über unseren Plan auf und rieb meine Schnauze an der ihren. Dabei fiel auch mir der fremde Geruch auf und mein Nackenfell plüschte sich ganz von selbst. Sogar meine Rute hob sich etwas mehr in die Höhe. Mit wem warst du zusammen? Ein Hauch von Misstrauen mischte sich in meine Stimme. Wir mussten vorsichtig sein, ihr durfte auf keinen Fall etwas geschehen, das dem Nachwuchs schaden könnte.