Immer weiter duckte ich meinen Kopf, bis meine Läufe nicht mehr gerade zum Boden standen. Aylia.. ich.. Das war einfach noch nicht lange genug her und ich wurde mir gerade erst bewusst, was ich getan zu haben schien. Ich kann noch nicht., versuchte ich ihr leise begreiflich zu machen. Die Tatsache, dass ich sie genommen hatte, war schlimm genug.. dass ich sie nicht getötet hatte, wie Emfan es dem Rudel aufgetragen hatte, noch schlimmer.

Ich krümmte meinen Rücken, um mich kleiner zu machen und mich so meiner Stimmung anzupassen. Es tut mir so Leid.. Meine Augen brannten, doch die Tränen wollten einfach nicht erscheinen. Du.. solltest lieber gehen, ich will nicht.. ich darf dir nicht weh tun.. auf gar keinen Fall.. Sie war die Einzige hier, die so etwas wie eine Freundin für mich war, und ihr durfte auf gar keinen Fall etwas passieren. Und erst Recht nicht durch mich. Das Rudel ging mir nun mal über alles.. auch wenn es nicht mein eigenes war.

Für einen Moment überlegte ich, ob ich sie einfach weg jagen sollte.. Aber würde ich sie dadurch nicht auch verletzen? Meine Gedanken wirbelten in meinem Kopf herum, kamen einfach nicht zum Stillstand und ließen mich auch nicht zur Ruhe kommen. Irgendwann hatte ich mich hingelegt, Aylias Gegenwart akzeptiert und meinen Kopf auf den kalten Boden gelegt. Starr schaute ich einfach nur vor mich her. Wie sollte ich in Zukunft damit leben sollen? Wie sollte ich in diesem Zustand Leevi helfen? Leevi. Meine Ohren zuckten und legten sich wieder an. Was hab ich nur getan?, fragte ich mich immer wieder und bemerkte gar nicht, dass es mir zwischen den Lefzen rausrutschte.

Die plötzliche Nähe zu Aylia, holte mich aus dem wirbelnden Sog meiner Gedanken heraus und mir wurde langsam bewusst, was sie da gerade tat. Danke, flüsterte ich leise und ertappte mich dabei, dass ich mich zwang sie nicht anzustupsen. Resignierend schloss ich meine Augen und hatte sofort wieder das Bild der ohnmächtigen Akru in meinem Kopf. Ich war noch nie so unkontrolliert zu dieser Zeit.. ich wollte dir nicht zu nahe treten, ich wollte Leevi nicht über-.. ich hab sie bestimmt erschreckt., begann ich zu erzählen und verzog gequält meine Schnauze. Ich bin aus dem Revier raus, damit ich keiner anderen Fähe zu nahe komme.. und dann stand da plötzlich Akru. Bis an diesen Punkt war meine Stimme relativ fest, nur von gelegentlichem Schlucken unterbrochen. Sie kam fröhlich auf mich zu.. und dann setzte alles in mir aus. Tonlos hauchte ich die Worte, die mir so viel Angst machten, und ich konnte nicht unterbinden, dass meine Läufe wieder zu zittern begannen. Ich meine.. es war Akru, aber dennoch.. was, wenn es eine von euch gewesen wäre? Ich bin eine Gefahr für das Rudel.. Vorsichtig und langsam, um sie nicht zu erschrecken, schob ich meine Schnauze unter meinen Vorderlauf, der daneben lag. Wie pathetisch ich doch war.. versank hier in Selbstmitleid, obwohl ich doch eigentlich das Rudel schützen sollte. Und wieder war es Aylia, die mir half.

Ihr leichtes Zusammenzucken blieb mir nicht verboren und es wurde von meinem erwidert, als sie mich anstupste. Als wäre diese eine Berührung dazu in der Lage, dass sie sich an mir verbrannte.. und diese Vorstellung gefiel mir überhaupt nicht. Leise seufzend zog ich meine Schnauze soweit wieder hervor, dass ich sie ansehen konnte. Ich will euch auch nicht schaden.. ihr seid mir alle wichtig, du voran.., gestand ich leise und löste meine Ohren von meinem Hinterkopf, auch wenn sie noch immer nach hinten gedreht waren. Ich.. bleibe hier, bis die Paarungszeit vorbei ist.. und passe auf die Grenzen auf. Wie feige ich doch war, aber immerhin konnte ich mich so auch nützlich machen.

Ihre Worte hörten sich wie Schelte an, auch wenn ihr Ton viel milder war. Ich zog meinen Kopf zwischen meine Schultern und schielte zu ihr auf. Danke. Wie oft hatte ich das jetzt schon zu ihr gesagt? Wenn die Zeit.. wenn ich mich wieder unter Kontrolle habe, komme ich zurück.. Ich wusste nicht, ob mich das Rudel wirklich brauchte, aber Aylia zuliebe würde ich mich zusammen reißen und zurück kehren. "Ein Leben für ein anderes", ging es mir durch den Kopf. Meine Schuld war noch immer nicht beglichen und sie stieg jedes Mal, wenn sie mir half.

Nachdem Aylia gegangen war, hatte ich mich noch weiter zurück gegen die Nische gedrückt. Wie gern ich ihr gefolgt wäre.. doch der Schreck und die Angst vor einem erneuten Kontrollverlust saß noch zu tief in meinen Gliedern. Nicht einmal der schreiende Hunger in Form eines knurrenden Magens schatte es, mich aus meiner kleinen Welt heraus zu holen. Ich rollte mich nur enger zusammen und versteckte meine Schnauze unter meiner Rute.

Wie viele Tage wohl vergangen waren, seit Aylia zurück zum Rudel gegangen war? Sehnsüchtig sah ich aus meiner Nische heraus und betrachtete die Regentropfen, die von den Steinen und Ästen der Büsche tropften. Niemand hatte mich gesucht und darüber war ich unheimlich froh. Doch langsam nagte der Hunger ernsthaft an meinen Reserven und ich sollte mich mal wieder bewegen. Vorsichtig streckte ich einen Lauf nach vorn und zog meinen restlichen Körper nach. Die Leichtigkeit dieser Übung zeigte mir, wie leicht ich mittlerweile geworden war. Leise seufzend erhob ich mich und schüttelte meinen Pelz, als ich dabei den Bodenkontakt meiner Pfoten verlor. Blinzelnd knickte ich mit den Hinterläufen ein und entschied mich erstmal dazu, mir ein oder zwei Mäuse zu suchen. Diese waren am Rand des Felsen - Wulf sei Dank - vermehrt zu finden und auch einfach zu fangen. Rasch hatte ich sie verschlungen und den gröbsten Hunger erstmal gestillt, ehe ich mich auf den Weg zum Bach machte.

(Schwarzbach)