Angespannt drückte ich mich tiefer in den Schatten. Ich hatte Schritte gehört, ganz leise. Kein Zweibeiner, das war auszuschließen die trampelten viel lauter durch die Natur. Aber was dann? Meine Ohren rotieren und versuchten auszumachen welches Tier hinter den Schritten steckte. Hinter mir knarrte dann das schräge Holzkonstrukt, das den Menschen half auf die Jägerstände zu kommen. Wenn das ein neugieriges Jungtier ist kannst du dir die Chance nicht entgehen lassen Noire!
Der Gedanke hallte in meinem Kopf noch nach, da war ich schon aus dem Schatten gesprungen und sah eine Pfote. Erleichterung machte sich in mir breit, immerhin kein Bär oder doch ein Zweibeiner. Mit röhrendem Magen und kratzenden Schritten schoss ich auf das Tier zu und packte es. Mein Biss war nicht allzu stark da ich eine schwache Beute vermutete.

Ich hatte gerade meinen Weg in die Krone des seltsam gewachsenen Baumes fortsetzten wollen, als etwas passierte, mit ich wohl am wenigsten gerechnet hatte. So war ich auch völlig überrascht, als einer meiner Vorderläufe gepackt wurde. Der Biss schien zwar nicht allzu stark zu schein, aber er war eindeutig fürs festhalten einer Beute gedacht. Vor lauter Schock konnte ich mich die ersten paar Sekunden nicht bewegen, bemerkte nur wie meine Vorderpfote vom rauen Holz gezogen wurde und meiner Hinterläufe ebenfalls ihren Halt verloren. Meine Gedanken rasten, schrien mich an zu reagieren, zurückzukämpfen oder den unausweichlichen Fall zu verhindern. Doch dies alles passierte innerhalb dieser paar Sekundeneinheiten, sodass mir nicht einmal mehr der Versuch zu einer Reaktion gelassen wurde. Mein Sturz folgte und alles was ich wahrnahm war, dass eines meiner Hinterläufe in eine der Lücken rutschte und sich dort festzukeilen schien. Während mein Körper gerne nachrutschen wollte, hatte sich eine Vorderpfote in einem Loch weiter oben verfangen und meine andere befand sich noch immer in den Fängen meines Angreifers. Meine jetzige Position war alles andere als schmerzlos und ich war meinen Angreifer durch meine Verkeilung im Baum hilflos ausgeliefert. Ich winselte auf, ob des Schmerzes oder meiner Panik wegen, konnte ich nicht sagen.

Geschockt über das Winseln eines Wolfes ließ ich sofort die Pfote aus meinem Maul gleiten. Vor mir, in einer ziemlich seltsamen Pose, lag Niruth. Stocksteif stand ich da und wusste nicht ob ich sie befreien sollte oder schnellst möglich das weite suchen sollte. Helfen oder rennen? Helfen ... oder rennen? Helfen ... Ich zog Niruths Vorderpfote aus den Stiegen und versuchte sie nicht nach unten rutschen zu lassen. Ich zitterte vor Anspannung, die Situation hätte nicht schlimmer sein können. Um ihre Hinterpfote befreien zu können stellte ich mich über sie, allerdings sah ich sie nie direkt an und hoffte sie würde mich nicht ansprechen. Schlussendlich war sie befreit und ich wollte einfach nur noch davon rennen.

Mein Herz lief auf Hochtouren, rechnete ich doch noch immer damit, dass man mich gleich umbringen würde. Hätte ich in diesem Moment klar denken können, hätte ich wahrscheinlich gewusst, dass mich mein Angreifer nicht sanft befreit hätte und mich ein paar Sekunden im Gras liegen hätte lassen, nur um mich zu töten. Wahrscheinlich hätte ich auch den inzwischen bekannten Geruch Noires erkannt, aber ich konnte nicht klar denken. Hätte ich meine Augen während meiner Befreiungsprozedur nicht zusammengekniffen gehabt, hätte ich den Rüden wahrscheinlich schon an seinem Fell identifizieren können. So lag ich nur zitternd im Gras, ein paar undefinierbare Laute von mir gebend, meine Augen geschlossen, sowie mit meinen Pfoten bedeckt und auf meinen Tot wartend.

Alles sträubte sich in mir, wollte lieber die Zeit zurückdrehen als die braune Wölfin anzusprechen. Aber das wäre wahrlich keine elde Tat wenn ich sie einfach zurücklassen würde, vor allem nicht wenn sie nun verletzt war. Mein Herz schlug unfassbar schnell als ich einen Schritt zurück machte um sie ganz in mein Blickfeld zu bekommen, kurz musterte ich sie fand aber kein Blut oder offene Stellen. Vielleicht hatte ich sie auch nicht richtig und gründlich abgesucht aber wenn ich nicht hier und jetzt vor Scham sterben wollte war es besser sie nicht weiter anzusehen. Meine Aufregugng schnürte mir die Kehle zu und machte das Schlucken fast unmöglich ... außerdem behinderte mich ein kleiner Büschel kurzer hellbrauner Haare ebenfalls. Ich wollte mir aber nichts anmerken lassen und stubste stattdessen die Fähe an. "Bist du verletzt?" während ich das sagte schob sich ihr ausgerissenes Fell in meinen Rachen und ich begann fürchterlich zu röcheln inmitten meiner Frage.

Mein Herz schlug noch immer schnell und drohte auszusetzen, als mich jemand anstupste. Die Stimme die ich dann aber hörte, so verzehrt sie auch war, ließ meine eh schon geschädigte Pumpe schneller schlagen. In diesem Fall allerdings nicht aus Schreck oder Angst. Zögerlich öffnete ich meine Augen und verschob meine Pfoten, sodass ich den Rüden ansehen konnte. Es war tatsächlich Ruvaak und noch während ich das dachte machte mein Herz einen Sprung. Verärgert über mich selbst zuckte ich mit meinen Ohren. Ich sollte wütend auf ihn sein und nicht erfreut darüber ihn zu sehen. Er hatte mich immerhin angegriffen und das andere mal hatte er mich durch sein Verhalten verletzt. Warum vergab ich ihm allein, weil ich ihn sah? "Nicht wirklich", stammelte ich, nachdem ich für ein paar kurze Sekunden meinem Körper gelauscht hatte. Meine Pfote, sowie die Stellen mit denen ich auf dem Holz aufgeschlagen hatte, schmerzten ein wenig. Der Rüde röchelte und in mir wuchs die Sorge, dass er gleich vor mir ersticken würde. "Alles in Ordnung...Ruvaak?", fragte ich nach und versuchte mich mit zitternden Pfoten aufzurichten.

Immer noch hustend und würgend versuchte ich die Haare loszuwerden, wollte währenddessen aber Niruth fragen ob sie sich sicher war das ihr nichts fehlte. Ein klägliches würg-gurgeln entkam meiner Kehle und ich sah sie fragend an, vielleicht hatte sie ja verstanden. "Alles in Ordnung ... Ruvaak?" fzwar wollte ich antworten, quittierte ihre Frage aber mit einem erneuten röcheln. Es half wohl nichts ich musste die Haare irgendwie schlucken. Nachdem ich so viel Speichel wie möglich gesammelt hatte wollte ich meinen Plan in die Tat umsetzen, dies klappte bis auf ein hartnäckiges Haar. "Geht es dir wirklich gut?" meine Stimme klang sehr belegt und war eher ein flüstern. Aber ich wollte kein Risiko eingehen erneut einen Kampf mit dem ausgerissenen Fell auszufechten.

Der Rüde vor mir schien eine Art Todeskampf auszufechten. Die Töne die er dabei von sich gab, konnte man nun vielseitig interpretieren. So könnte er mich etwas fragen oder es war ein Todesschrei, vielleicht bat er aber auch nur um Hilfe. Schlussendlich schien er einen letzten Versuch starten zu wollen, sein Leben zu retten und ich durfte beobachten wie sich seine Kehle bei seinem Schluckvorgang bewegte. Seine Stimme war immer noch verzehrt, aber immerhin wieder verständlich. "Ich denke schon", antwortete ich und blickte auf den Boden. Diese Situation war einfach nur peinlich und zudem wollte mein Herz anscheinend aus meiner Brust hinausspringen und ihm um den Hals fallen. Abermals zuckte ich verärgert mit meinem Ohr und fragte dann leise: "Du erstickst mir hier nicht oder?"

Da Niruth ihren Kopf senkte nutzte ich die Gelegenheit und besah mir sie noch einmal in Ruhe, wand mich dann aber auch schnell ab bevor sie meinen Blick bemerkte. "Nein, ich hab zu wenig erlebt um jetzt schon zu sterben" witzelte ich ganz zaghaft schob ich ein "Tschuldige" hinterher. Man, Noire ein einfaches Tschuldige? Das ist das letzte, wenn schon dann richtig!
"Niruth hast du Zeit oder musst du gleich wieder gehen?" als ich das sagte versuchte ich sie sogar anzusehen ohne gleich wieder wegzusehen. Mein Magen zog sich einmal schmerzhaft zusammen, ob vor Aufregung oder Hunger konnte ich nicht sagen. "Ich würde gerne mit dir reden" in diesem Moment schickte ich Stoßgebete gen Horizont, das um Himmelswillen jetzt nicht Morgana oder jemand anderes auftauchte. Morgana ... mit ihr musste ich auch unbedingt noch reden. Angespannt schob ich ein paar Blätter und Zweiglein über den Boden, der Klang beruhigte mich ... irgendwie.

Mein Herz mochte ihm zwar verziehen haben, aber ob ich mit ihm reden wollte wusste ich nicht. Zudem verwirrte es mich einfach, wie ich oder besser gesagt eines meiner Organe auf ihn reagierte. "Ich habe noch ein wenig Zeit", antwortete ich schließlich und hob meinen Blick vom erdigen Boden. Allerdings wusste ich jetzt nicht, wohin ich schauen sollte. Ich war mir nicht sicher, ob ich ihm tatsächlich in die Augen oder überhaupt ihn ins Augenmerk nehmen sollte. Schlussendlich fixierte ich einfach einen kleinen braunen Vogel hinter seinem Kopf, sodass es zumindest so aussah als würde ich ihn ansehen. Mein Kopf war bis oben hin gefüllt mit Theorien, warum er mit mir reden wollte. Bis jetzt war der unbesiegte Champion die, dass er mir irgendwelche Vorwürfe an den Kopf hauen würde. Zumindest hatte er hier die Möglichkeit dazu. Hier würde man mich wahrscheinlich am wenigsten suchen und ich ging doch stark davon aus, dass Aylia schon die Augen offen hielt. Die Regentropfen erzeugten leise "Patsch" Geräusche auf der Erde und schafften es für wenigstens einen kleinen Moment mein Herz ruhig zu stellen.

"Also erst mal will ich mich dafür entschulidgen das ich dich eben angefallen habe. Aus dem Schatten war nicht alles erkennbar und ich habe dich, naja für ein Beutetier gehalten. Und dann will ich mich noch für unsere letzte Begegnung entschuldigen. Dafür das ich dir gegenüber nicht freundlich geblieben bin, das ich dir die Schuld an Morganas Laune geben wollte, dafür das ich dich nicht alleine aus der Höhle bringen konnte und dafür das ich dir aus dem Weg gehen wollte." ich redete einfach auf sie ein ohne überhaupt Luft zu holen, fürchtete ich doch das mich jede andere Tätigkeit zu sehr ablenken würde, ein Atmenzug mich der Worte berauben würde die einfach so aus mir heraus sprudelten. Aber ansehen konnte ich sie plötzlich nicht mehr, ein Gewicht schien meinen ganzen Körper nach unten zu ziehen. Inmitten meiner Brust saß der sonst so leichte Lebensmuskel und plötzlich machte er sich so schwer wie noch nie zuvor in meinem Leben. Mein Herz und Magen zogen sich zusammen, immer wieder ganz plötzlich, ohne Grund. War ich vielleicht doch nicht zu jung um ... zu sterben?

Mein Herz machte einen Satz und schien davon zu tanzen, mich alleine hier auf der regnerischen Welt zurücklassend. Ich hatte ja mit allem gerechnet, nur nicht damit, dass er sich entschuldigte. Mein Kiefer hatte sich vielleicht für eine Millisekunde der Erdanziehungskraft hingegeben, während mein lebenswichtiges Organ wieder in meinen Körper zurück kehrte und anfing mit meinen anderen Organen Salsa zu tanzen. "Du...Das...das..", stammelte ich, wollte ihm einige der Sachen ausreden und sagen, dass er nichts dafür konnte. Nur schien mir meine Zunge nicht mehr gehorchen zu wollen, vielleicht hatte sie sich aber auch nur dem Tanzmittag angeschlossen. Noch immer konnte ich nichts anderes als den Rüden anzustarren, dem es im Moment nicht so ganz gut zu gehen schien. Als ich meine Stimmbänder schließlich endlich dazu bringen konnte einen Satz zu fabrizieren, war dieser nicht halb so aufmunternd wie er eigentlich gedacht gewesen war: "Auch ich hatte eigentlich vor dir aus dem Weg zu gehen"

Ihr Satz enttäuschte mich, obwohl ich das selbe vorgehabt hatte. Mein Herz wurde noch schwerer bis es sich schließlich anfühlte als würde aus einem Luftballon langsam die Luft entweichen. Ich fühlte mich als würde der Tod höchstpersönlich neben mir stehen aber auch nicht wissen ob meine Zeit nun gekommen war oder nicht, unschlüssig darüber ob er mich dahinscheiden lassen sollte oder ob dieses Herz einfach wieder aufzupumpen war. Eine ganze Weile stand ich einfach nur da, ließ mich von den sanften Regentropfen berieseln und sagte nichts. Würde ich jetzt ein Wort verlieren, dann läge mir mein Herz auf der Zunge und ich wollte nicht so verletzlich sprechen. Nicht jetzt, eigentlich niemals.
Ein Windhauch strich mir den Rücken herab...
Nein, der Tod fuhr mir mit seinen weißen dürren Knochen durchs Fell. Und dann hörte ich ein leises klappern, er hatte genickt. Den Tod kann man nicht sehen aber man spürt ihn. Er hat mir gesagt meine Zeit ist noch nicht gekommen und mir zu verstehen gegeben das ich jetzt nicht verschwinden kann. Offenbar habe ich etwas zu erledigen. "Warum?" frage ich Niruth, kaum das dieses Wort mir von der Zunge purzelt verschwindet auch die Präsenz des knöchernen Wesens. Ich will eigentlich noch tausend Dinge zu Niruth sagen, aber kein Satz formt sich mehr in meinem Kopf und der Muskel in meinem Mund macht auch nicht mehr mit.

Mein Herz schien augenblicklich zu stoppen und sich zu verkrampfen, schrie mich an, dass ich ihn mit meinen Worten enttäuscht oder sogar verletzt hätte. Diese Meinung schien fast jeder Baum, jeder Stein und sogar die Regentropfen zu teilen. Ich hatte das Gefühl, als würden mich ihre Blick durchbohren, mich am liebsten umbringen wollten, dafür, dass ich es gewagt hatte, etwas zu sagen, dass ihn verletzen konnte. Das Wasser schien härter als nötig auf mir aufzuprallen und ich ließ meinen Kopf sinken, musste wie ein begossener Pudel dastehen. Sogar der kleine braune Vogel, stieß einen Schrei aus, welcher sich mehr als verärgert anhörte. Regen tropfte von meinen Ohren und lief als kleines Rinnsal meinen Kopf hinab. Dass sich salzige Tränen dem stetigen Fluss anschlossen, bemerkte ich in diesem Moment nicht, wollte ich in diesem Moment doch einfach nur weg rennen. "Ich... Ich war verletzt und verwirrt", stammelte ich, dass ich nebenbei schluchzte und nach Luft schnappte war in diesem Moment in weite Ferne gerückt. Mit Tränen in den Augen und einem Anflug von Wut auf mich selbst, riss ich meinen Kopf hoch, sah ihn an und schrie: "Warum? Warum verwirrst du mich so? Warum nimmt mich das alles so sehr mit?"

Weinte sie? Nein, das konnte nicht sein es war bestimmt nur Regen. Das redete ich mir ein, auch wenn ich es besser wusste, aber ich wollte nicht wahrhaben das sie in meiner Gegenwart wahrscheinlich auch noch wegen mir weinte. Als sie mich anschrei zuckte ich zusammen, kauerte mich gen Boden und verharrte dort. So sehr ich auch antworten wollte, ich konnte es nicht. Mein Körper war wie gelähmt, jede Bewegung erforderte höchste Konzentration, jeder Atemzug war plötzlich nichts selbstverständliches mehr sondern eine einstudierte Bewegung. Worte wollten mir immer noch nicht über die Lippen kommen und ich sah sie einfach nur aus weit aufgerissenen Augen von unten herab an. Zwar können wir Wölfe nicht mit den Schultern zucken wie diese Zweibeiner aber ich versuchte es. Eine lange fließende Bewegung die in meinem Hals begann und in meiner Schwanzspitze endete, sie erforderte meine ganze Konzentration. Als wäre die Situation nicht schon peinlich und verwirrend genug röhrte mein Magen erneut wie eine Herde brünftiger Hirsche und von da an wollte ich einfach nur im Boden versinken.