Mayestril kannte den Verstorbenen nicht wirklich. Damit... konnte es eigentlich kein Wolf sein, der mir viel bedeutete - Wenn es Saikko, Casanova oder gar Lyvianne wäre, wüsste Gunter sicherlich davon. Es war daher sogar fraglich, ob ich ihn überhaupt kannte.
Es widerte mich an. Ich fühlte mich wirklich schlecht, weil ich deshalb erleichtert war. Ich schluckte und zuckte betreten mit meinen Ohren.
"Meinst du wirklich?", fragte ich - dankbar über den Themawechsel - und blickte nachdenklich in die Ferne. "Wir haben wirklich lange geschlafen und... der Nebel war sicherlich nicht natürlich. Ob die Menschen daran Schuld sind?"

Ja, das glaube ich. Ich wollte es auf jeden Fall glauben, sonst blieb mir ja nicht viel anderes übrig. Es ist möglich, ich kann mir eigentlich auch nichts anderes vorstellen was das verursacht haben könnte. Natürlich war das auf jeden Fall nicht, aber ich glaube auch nicht, dass es so schädlich war, außer, dass wir eine Weile von unserem Leben verpasst haben.

Ich hörte meinem zweifarbigen Freund aufmerksam zu. "Vielleicht hast du Recht.", stimmte ich ihm schließlich zu und seufzte lautlos - Ich wollte es wirklich glauben. "Das wäre zumindest das Beste."
Auch wenn "Eine Weile von unserem Leben verpasst" auch nicht unbedingt schön klang. Es war immerhin eine ganze Jahreszeit gewesen und noch immer war ich deswegen etwas durch den Wind. "Ich hoffe einfach, dass dieser Nebel nie wieder kommt!"

Ich auch, aber ich glaube nicht, dass er es tut. wenn die Menschen den Nebel aus einem Grund geschickt haben, dann haben sie jetzt sicher was sie wollten. Was auch immer das gewesen war, ich wollte es lieber gar nicht wissen, es hatte keinen meiner Freunde oder mich betroffen, mehr konnte ich mir gerade kaum wünschen.

Ich erwachte nur langsam, meine Augen öffneten sich erst nach einer ganzen weile, während ich bereits begann meinen Körper zu spüren, von der Brust ging es in die Beine und in die Rute und dann erst in den Kopf. Mich blendete das gedämpfte Licht im ersten Moment, doch schließlich gewöhnte ich mich wieder daran. Ich schlug die Augen auf und sah mich um. Ich lag in Mayestrils und meiner Schlafhöhle, auf dem alten Bärenfell, welches wir dort ausgelegt hatte. Ganz leicht konnte ich in der Luft den Geruch von Blut wahrnehmen, doch er war nicht mehr sehr streng, dann waren da andere Bergwölfe, Mayestril und... Silberrudel. Ich war mit einem Ruck auf den Pfoten, kippte dadurch aber zur Seite, da mein Kreislauf noch nicht wirklich hochgefahren war. Ich rappelte mich wieder auf und sah nach draußen, am Eingang zur Haupthöhle sah ich Mayestril stehen, bei ihm waren zwei Silberwölfe, die eine Fähe kannte ich nicht, doch im Geruch der anderen erkannte ich nun Naila. Ich zögerte, doch da ich wirklich gerne zu meinem Gefährten wollte, setzte ich mich in Bewegung und schlich förmlich an die Seite meines Partners. Ich musterte die fremde Fähe mistrauisch, Naila aber aufmerksam. Sie sah gut aus, gesund, das Silberrudel schien ihr gut zu tun. Hallo Naila. Meine Stimme war leise und klang noch etwas rau durch den langen Schlaf, den ich genossen hatte, auch wenn ich mir nicht sicher war wie lange er gewesen war. Ich musste in der Rauschhöhle eingeschlafen sein und Mayestril hatte mich wohl zurück Nachhause getragen.

In Gedanken versunken nickte ich. Mayestril hatte bestimmt Recht und ich wollte mir meinen Kopf nicht weiter über die Thematik zerbrechen.
Nachdem der schwarz-weiße Rüde kein anderes Gesprächsthema anschlug, tat ich es ihm gleich und schwieg. Ich richtete meinen Blick in die Ferne und ließ die raue Berglandschaft auf mich wirken.
Als ich jedoch direkt angesprochen wurde, zuckte ich überrascht und verschreckt zusammen. "Huch!", stieß ich aus und starrte den silbernen Neuankömmling mit großen Augen an. "Rolf! Seit... Seit wann bist du denn hier?" Ich hatte ihn nicht kommen hören, weshalb mich seine plötzliche Nähe so erschreckt hatte. Dann jedoch bildete sich ein erfreutes Lächeln in meinem Gesicht und auch meine Rute wischte fröhlich über den harten Boden. "Ich freue mich so dich zu sehen!", meinte ich und fragte gleich darauf, "Wie geht es dir?"

Ich hörte Rolfs Pfotenschritte natürlich sofort, als er zu uns kam, mein gehör war allerdings auch etwas feiner als das der meisten Wölfe, ich konnte mich ja auch in vielen Fällen nur noch darauf verlassen. Hey. Ich lächelte und schleckte meinem kleinen Gefährten sanft über den knochigen Kopf. Er wirkte halbwegs in Ordnung, was mich noch mehr mit der Rute wedeln ließ, als es seine reine Anwesenheit schon tat.

Ich lehnte mich leicht an Mayestril, schwach schwang meine Rute, ehe sie wieder zum Stillstand kam.Es geht mir gut. Oh toll... ein ganzer Satz ohne zu stottern... Wie... wie geht es dir? Uuund schon ist es wieder vorbei... natürlich...

Noch immer lächelte ich den silbernen Wolf erfreut an. "Mir geht es gut.", antwortete ich sogleicht und... fügte nach ein paar Sekunden noch leiser "Ich mache mir nur etwas Sorgen. Als Talia und ich aufgebrochen sind, sind noch nicht wieder alle aufgewacht." hinzu.
Doch ich rückte den trüben Gedanken wieder zur Seite und erzählte nochmals, warum wir hier waren. "Wir wollten schauen, wie ihr den Nebel überstanden habt. Alessio sucht deswegen gerade nach seinem Vater oder Lyvianne."

Ich überließ die beiden einen Moment ihrem Gespräch, das tat Rolf sicherlich gut, und beschäftigte mich damit Rolfs Ohren mit meiner Zunge etwas zu säubern und sein Fell hier und da zu glätten, wo es nach seinem Schlaf aufstand.

Ich runzelte bei Nailas Worten leicht aber umso verwirrter die Stirn, denn ich verstand den Inhalt ihrer Worte nicht. Wie...wieso aufgewacht und welcher Nebel? Offenbar hatte ich irgendetwas gravierendes verpasst während ich geschlafen hatte, meine Ohren drückten sich an meinen Hinterkopf.

Rolf war verwirrt. Kurz blickte ich zu seinem Gefährten hinüber, doch Mayestril blieb schweigsam.
"Wir... haben alle ganz lange geschlafen.", versuchte ich mich schließlich an einer Erklärung und lächelte den silbernen Rüden beruhigend an, "Da war so ein merkwürdiger Nebel mit wirklich komischen Geruch! Und als wir alle wieder aufgewacht sind, war er weg." Ich wusste nicht, wie ich dieses seltsame Szenario überhaupt beschreiben sollte. "Jedenfalls schlafen bei uns im Rudel noch ein paar wenige. Aber ich bin mir sicher, dass sie auch noch aufwachen werden!" Entschuldigend blickte ich erst zu Rolf, bevor ich mich hilfesuchend an Gunter wandte. "Ich kann das nicht gut erklären..."

Oh! natürlich weiß Rolf nichts davon! Ich hatte ihn schon öfter schlafend heimgetragen, für ihn war das nichts ungewöhnliches, er schlief manchesmal ein, er fühlte sich immer so erschöpft. Naila versuchte zu erklären, war sich selbst allerdings nicht ganz sicher. Ich lächelte sie an und legte beruhigend meine Schnauze auf Rolfs Kopf ab, wie es seine Schwester früher oft bei ihm getan hatte. Schon okay Kleiner. Ich war auch verwirrt, Naila hat recht, es kam ein seltsamer Nebel und offenbar ist das ganze Tal eingeschlafen, wir haben einiges an Zeit verpasst. Als ich aufgewacht bin hast du noch geschlafen, also hab ich dich heimgebracht.

Unruhig zuckte mein Blick zwischen den Anwesenden hin und her und ich machte einen halben Schritt zurück. Wie hatte ich den Nebel nicht bemerkt? Ich hatte doch eine gute Nase. Warum war mir nichts aufgefallen? Schliefen bei uns noch Wölfe? Lebten alle noch? Mayestril wusste allerdings zum Glück meistens was er tun musste um mich zu beruhigen, wie es auch meine Schwester damals gewusst hatte. Ich schloss einen Moment die Augen und konzentrierte mich auf das Gefühl von mayestrils großer Schnauze auf meinem schmalen Kopf, ehe ich leicht nickte. In Ordnung. Ich sah wieder Naila an und versuchte mich auf etwas anderes als meine sich um sich selbst drehenden gedanken zu konzentrieren. Sind bei euch sonst alle wohlauf? Bis... bis auf diejenigen die noch nicht aufgewacht sind?

Mayestril übernahm schließlich die weitere Erklärung und beruhigte nebenbei noch seinen Gefährten. Der silberne Rüde wirkte erst unruhig, entspannte sich jedoch wieder - Zumindest etwas.
"Alle anderen sind wohlauf!", bestätigte ich und lächelte wieder etwas. Rolf hatte ebenfalls lange geschlafen - Deutlich länger als die anderen Wölfe. Daher war ich mir jetzt sicher, dass auch die anderen wieder aufwachen würden. "Wirklich geschadet scheint es uns nicht zu haben. Wir haben nur einige Zeit lang tief und fest geschlafen.", wiederholte ich teilweise Mayestrils Worte und lächelte den silbernen Wolf beruhigend an.