Die Tage verstriechen und Sunaa kehrte nicht zurück. Sie war zwar öfters schon ziemlich lange weg gewesen, aber die Angst war immer an meiner Seite. Man konnte ja sehen, was beim letzten verschwinden dabei raus kam, als Sunaa weg war. Ich kämpfte mich aus dem Kori Nazko gebilde heraus, um an dem Eingang frische Luft zu schnappen. Ein schöner Schwall von frischer Waldluft flog direkt in meine Nase und brachte diese zum kribbeln. Mit einem schleimigen Nieser verließ mich das Kribbeln wieder und ich konnte mich weiter auf die Aussicht konzentrieren.

Endlich kam ich mal wieder Zuhause an. Vorsichtig lugte ich hinein und lies mich drinnen neben Papa fallen. Ich.. Ich habe ihn nicht gefunden. murmelte ich und sah zu Boden. Mein Blick huschte zu meinem Bauch und ich hatte nun wirklich die Gewissheit, das ich schwanger war. Was für ein... mir viel kein Wort ein. Aber nun, irgendwie mischte sich auch ein kleines bisschen freudige Aufregung in mein Gefühlschaos mit ein. Ich würde Welpen bekommen! Ich! Kleine, niedliche Welpen die ich über lies lieben würde... Auch ohne Vater! Ich werde sie Lieben!

Leise, zögernde Pfotenschritte hallten durch unsere stille Behausung und hievten mich aus meinem tiefen Schlummer. Noch etwas schläfrig und nur blinzelnd, konnte ich die niedergeschlagene Silhouette von Ruvens Adoptivtochter sehen, was mich erst aufseufzen und dann schnaufen ließ. Ihre Worte, die bis zu mir, ans Ende der Höhle getragen wurden, bewirkten nochmals das gleiche. Also ist er tatsächlich so ein... wie kann er es nur wagen, sich so schamlos an unserer Sunaa zu vergehen? Ächzend erhob ich mich auf meine Pfoten und betrachtete Nazko, der beträchtlich gewachsen war mit einem kurzen, liebevollen Blick, ehe ich ihn sanft am Nackenfell packte und zu seinem Vater schleifte. Dort rollte ich ich ihn um das Hinterteil meines Gefährten, da dieser ja so schön sitzend posierte und schob den Kopf unseres kleinen Knusperkekses noch zwischen Vorderläufe und Bauch. "Sunaa?", fragte ich freundlich, ehe sich meine Ohren spitzen und meine Rute eine etwas höhere Position einnahm. "Name, Alter, geschätztes Gewicht, Größe und besondere Merkmale!", grollte ich und zog meine Lefzen leicht in die Höhe. Mal sehen, ob ihn nicht irgendjemand da draußen gesehen hatte. Niemand. Wirklich niemand legte sich mit der Adoptivtochter meines Gefährten und somit auch meiner an! So naiv sie auch sein mochte, aber das hier ging einfach zu weit.

Sunaa
öhm, was? Also er heißt Seduc und... Älter als ich. Aber Villeicht ist ihm ja nur irgendwas passiert... gut, okay jetzt musste ich mir selbst eingestehen das dass nur noch naiv war. Und ich stellte mit Schrecken fest, wie wenig ich über ihn wusste. Ah ja, und er war neu hier. Und Kahm... Von weit weg oder so.. ich seufzte.

"Aussehen Sunaa... gibt es da bestimmte Merkmale? Eine besondere Augenfarbe oder eine auffällige Narbe? Wie sieht sein Pelz aus?", hakte ich weiter nach und leckte mir kurz über die Lefzen. Wenn dieser Seduc nicht tatsächlich aus einem glaubhaftem Grund nicht bei ihr sein konnte, würde er mich und später wohl auch noch Ruven kennen lernen. Von Sunaa selbst würde er dann vielleicht auch noch zu hören kriegen und vielleicht stellte sich Mama Frosch ja auch aus Helfer bereit? Man wusste ja nie, wie sie ihre Entscheidungen fällte.

Also das Fell... So braun gräulich. Also eigentlich ist er sonst ganz normal. Oh man, du weist nicht mal mehr seine Augenfarbe... Wenn wir ihn finden... Wie soll ich ihm das dann überhaupt sagen? fragte ich, schon wieder echt ängstlich. Ich wusste das ich mich nicht die ganze Zeit so aufregen sollte, doch ich war wirklich ein einziges Nervenbündel. Bei irgendeiner anderen Schwangerschaft wäre es ganz anders gewesen, aber bei meiner eigenen war ich wohl nicht gerade vorsichtig. eigentlich, in meinem Alter wäre es doch ganz gut Kräuter zur milchanregung zu fressen... überlegte ich.

Grau-brauner Rüde in einem Alter von ungefähr drei bis sieben Jahren, der auf den Namen Seduc hören sollte und nicht aus diesem Tal stammt... das ist nicht wirklich hilfreich... Bei ihrer deutlich spürbaren Angst, die wie eine Art Nebel um sie herum zu wabern schien, drückte ich ihr meine Schnauze tröstend zwischen ihre Ohren. "Wir konzentrieren uns jetzt erstmal darauf ihn zu finden, ja?", sagte ich ruhig und zog meine Nase wieder aus ihrem Fell, wobei ich sie weiterhin beobachtete. Gedanken über das 'Wie?' waren in diesem Moment einfach noch unangebracht. Sollte der Erzeuger ihrer noch ungeborenen Welpen nicht mehr auffindbar sein, würde die Frage gar nicht mehr auftauchen. Ich hoffe wirklich für ihn, dass er einen Grund hatte... ob auch Einzelgänger verschwunden sind? Der Gedanke war einfach so aufgetaucht und stimmte mich nachdenklich. Was, wenn sein Verschwinden genau den gleichen Ursprung hatte, wie das von Bailey und Lyvianne? Auch wenn ich noch immer fest daran glaubte, dass er unsere Sunaa einfach im Stich gelassen hatte, so musste ich in dieser Sache wohl doch auch Nachforschungen anstellen.

Ja, okay.. murmelte ich und sah sie dankbar an. Oft war ich als Heilerin die, die andere tröstete und ich hatte nicht oft die Erfahrung gemacht, selbst getröstet zu werden. Nur natürlich von Ruven und Kori. Und als ich klein war... Ich war meiner Familie jetzt gerade so dankbar, das sie für mich da waren und mir halfen. Ich... Es tut mir so leid. Ich war so leichtsinnig... genau! Und jetzt hör auf leichtsinnig zu sein und Pass gut auf dich auf! Für die Welpen!

Leise Stimmen holten mich aus meinem Schlaf und murrend kullerte ich mich auf die andere Seite, um mich wieder an die flauschige Wand zu lehnen, doch plumpste ich ungebremst direkt auf die andere Seite, anstatt in wohliger Wärme halt zu finden. Verwirrt kniff ich die Augenbrauen zusammen und schnupperte ein wenig, wobei ich allerdings ungeschickterweise Erdstaub aus der unmittelbaren Nähe einatmete. Ohne irgendwelche Vorwahnung musste ich also einmal heftig Niesen und stand in der nächsten Sekunde schon auf den Beinen, um angewidert mit dem Kopf zu schütteln und immer wieder zu schnaufen. Noch einmal richtig schüttelnd sah erkannte ich dann irritiert, dass die weiche Wand nicht mehr da war wo sie zuvor gelegen hatte und nach kurzem Umsehen entdeckte ich sie auch schon mit der anderen Fähe, die mich ständig irgendwie im Halbschlaf zwar angeglotzt und vollgequatscht hatte, als ich bei dem hellen Fleck gelegen hatte, aber der ich bisher nie die verlangte Aufmerksamkeit geschenkt hatte... Immerhin hab ich geschlafen und das besitzt höchste Priotität! Ich wollte mich also gerade in einen fröhlichen Trab begeben, um zu ihnen zu laufen, doch stockte ich sofort bei der ersten Bewegung und liesperplex meine Augen die Gegend abfliegen. Wo... sind wir? Langsam und vorsichtig sah ich mich um, versuchte einen bekannten Ort zu erkennen, doch war mir das hier komplett Fremd. Auch die bekannten anderen Wölfe waren nicht aufzufinden und nach kurzer Zeit rannte ich einige Male panisch im Kreis, ehe ich im vollspeed und mit einigen kurzen Bruchlandungen jeden Winkel der unbekannten Umgebung absuchte. Wo sind Wechselschatten und das kalte nicht-kalte Weiß?!?

Ich sah auf und mein Blick schnellte zu Natzko der die Höhle ziemlich schnell erkundete. Und ich musste Lächeln. Er ist so etwas wie mein Bruder, oder? Hey Natzko, was machst du denn da? fragte ich und ging grinsend zu ihm, um ihn anzustupsen.

Hinterher ist man wohl immer schlauer... Aufatmend wollte ich zu weiteren, tröstenden Worten ansetzen, als ein plötzliches und umso heftigeres Niesen ertönte. So, als wäre ich gerade bei etwas unartigem ertappt worden, zuckte ich verschreckt zusammen und drehte meinen Kopf langsam in die Richtung der schnaufenden Geräuschen. Allerdings... ließ sich dort nichts auffinden und beinahe dachte ich, blinkende Pfeile auf die Stelle weisen zu sehen, wo unser Sohnemann bis vor ein paar Sekunden noch gelegen hatte. "Nazko?", rief ich sorgenvoll, da ich die eiligen Pfotenschritte im ersten Moment nicht richtig zuordnen konnte und zu Anfang wirklich glaubte, jemand hätte ihn sprichwörtlich hinter Ruvens Rücken ungesehen entführt. Meine Rute war sofort auf Habachtstellung und ich auf meinen Pfoten, als auch schon eine braune Rakete an mir vorbei schoss und die nächstbeste Ecke in den Augenschein nahm.
Kurzzeitig spülte Erleichterung alle anderen Empfindungen fort, ehe sie von unendlicher Sorge verdrängt wurde. Was wenn er einfach ungebremst ins Freie rannte oder bei einem Sturz gegen die Wand geschleudert wurde? Was wenn er sich durch seine Panik schrecklich verletzen würde? Das Sunaa auf ihn zuging, nahm ich nur aus dem Augenwinkel wahr - zu sehr war ich auf das blitzartige Bündel fixiert. "Nazko? Nazko, komm doch mal her, ja?", versuchte ich ihn zu locken und hoffte einfach, dass meine Stimme eine beruhigende Wirkung auf sein Gemüt haben würde. Vielleicht würde auch die Silhouette der trächtigen Fähe ihren Teil dazu beitragen. Denn, auf ihn drauf schmeißen, konnte ich mich ja schlecht. Während ich ihn fest im Blick hatte, versuchte ich gleichzeitig irgendwie den Höhlenausgang wirksam zu blockieren.

Hechelnd rannte ich von der einen der vielen kleinen Ecken zur anderen, auch wenn bei diesen von einigen Sekunden erst gewesen war. Ja ich schaute sogar in einigen Nieschen des Gesteins, wo selbst ich nicht mehr drunter passen würde, allein um sicher zu gehen. Nein nichts! Weg! Einfach weg! Irgendwann hatte ich alle Ecken mehrfach abgesucht und stand etwas außer Atem in der Mitte der kleinen Höhle sah mich aufmerksam um. Vielleicht konnte ich sie ja einfach nicht sehen..! Meine schnelle Atmung sofort einstellend und die Luft anhaltend stand ich muksmäuschen still da, drehte die Ohren in alle möglichen Richtungen, doch war nur das Rauschen von Wasser zu vernehmen. Mit zuckenden Tasthaaren und immer wieder anklappenden Ohren begann ich also kurzerhand meine Nase gegen den Boden zu pressen und energisch Gerüche aufzunehmen, doch das Resultat war eher eine komplett verdreckte Schnauze. Mich davon abhalten lassen würde ich allerdings auf keinen Fall. Den Hintern nach oben gestreckt krabbelte ich so den gleichen Weg zu den Ecken und wollte gerade schon wieder an der weichen Wand vorbei, als ich immer wieder erneut das gleiche zu hören bekam. Ob sie mich meint? Beim dritten Mal blieb ich also in der Bewegung stehen und schreckte mit dem Kopf nach oben, um sie erwartungsvoll anzublicken.

Seine erdige Schnauze reckte sich meine Richtung, während mich seine Knopfaugen fixierten und zudem erwartungsvoll anstarrten. "Ach Nazko...", begann ich aufseufzend und trat langsam auf ihn zu, damit er es sich nicht doch anders überlegte und wieder zu einem unaufhaltsamen Wirbelwind wurde. "... sieh dich doch mal an. Wir wollen doch nicht, dass du so ein Drecksspund wie dein Vater wirst!" Auch wenn Ruven nicht sonderlich dreckig war, so rechtfertigte ich mich innerlich damit, dass ich ihn noch nie bei einer Fellreinigung beobachten hatte dürfen. Er hatte noch nicht einmal den gröbsten Dreck aus seinem Pelz gezogen! Kurz pustete ich Nazko liebevoll ins Gesicht, ehe ich meine Zunge säubernd über seine Schnauze gleiten ließ.
Zufrieden besah ich mir mein Werk und legte meine Nase auf seine, nun wieder sauber glänzende. Ich konnte mir zwar denken, dass das Aufwachen in dieser fremden Umgebung ein Schock für ihn gewesen sein musste, aber um es wirklich nachempfinden zu können, fehlte mir schlichtweg die Vorstellungskraft. "Es ist alles gut, Nazko!", brummte ich sanft und versuchte noch immer den kleinen Wolf zur Ruhe zu bringen. Zu einem kleinem Teil schien das ja auch geklappt zu haben. Er rannte immerhin nicht mehr wie eine aufgebrachte Wespe hin und her und suchte nach... nach was eigentlich? Vielleicht nach Ambi und Mayestril und Rolf und die anderen? Mein armer Kleiner...

Als sie dann auf mich zukam wedelte ich leicht unsicher mit der Rute. Einerseits freute ich mich über ihre Aufmerksamkeit, doch war ich mir nicht ganz sicher, ob sie gerade sauer auf mich war oder nicht, da sie nicht wirklich hochauf begeistert wirkte. Als sie dann in einer leicht enttäuschten Art und Weise weitersprach legte ich die Ohren leicht an und setzte mich langsam hin. Ich hatte fast schon das Gefühl was falsch gemacht zu haben, aber es kam mir nicht so eindeutig rüber. Widerwillig lies ich mich dann auch noch leicht muckend säubern, was mein Fell letztendlich so merkwürdig und nass anfühlen lies. Leicht angewidert leckte ich mir selbst noch einmal über die Schnauze, um sie wenigstens mit meinem eigenen Speichel zu beschmutzen und sah sie wieder aufmerksam an, als sie weitersprach. Diesmal klang es jedoch eher positiver und resigniert wackelte ich mit den Ohren. Wie frage ich nun nach dem kalten Weiß... Und dem Wechselschatten? Kurz überlegend stand ich dann wieder auf und knetete dann etwas aufgeregt den Boden mit meinen Pfoten. "Aljain?" fragte ich sie und spähte dann unter ihr kurz durch, um zum Höhleneingang zu schauen. Draußen schien es zu regnen und meine Rute begann wie wild zu peitschen. Vielleicht würde sie mir erlauben raus zu gehen?

Meine Ohren legten sich etwas verwirrt an meinen Kopf und ich konnte auch nicht verhindern, dass dieser in eine leichte Schräglage geriet. Es war einer dieser Momente, die bestimmt jeder kannte, da wahrlich niemand vor so einem verschont bleiben würde: Ich hatte festgestellt, dass ich für etwas einfach nicht gemacht war. Die Brabbelsprache meines Sohnes, war mir so unverständlich wie die Sprache der Fische! Aljain? Vielleicht Allein, ...aber wo ist da der Sinn? Ich war mir sicher, er würde das Sprechen gelernt haben, bevor ich in seiner Babysprache durchblicken würde.
"Du willst doch nicht etwa raus, Nazko?", fragte ich dann schließlich zögernd, aber dennoch sanft, als ich seinem Blick nach draußen folgte. Soll ich wirklich schon mit ihm nach draußen gehen? Was wenn ihm etwas passiert, weil ich nicht schnell genug war? Aber... ich kann ihn ja auch nicht nur in der Höhle halten...wer weiß, wozu das führt? Vielleicht geht er ja dann einfach mal alleine auf Entdeckungstour? Schlussendlich stupste ich sein kleines Hinterteil in Richtung Ausgang und machte einen kleinen Schritt in eben diese Richtung. Leichte Anspannung legte sich auf mein Gemüt, während ich den kleinen Wolf aufmerksam beobachtete und ihn in meine Richtung lockte: "Komm Nazko! Nach draußen!" Vorsichtshalber blieb ich am Ausgang stehen, damit er nicht in einem Anschwung von Übermut den kleinen Abhang übersah und unweigerlich das Fliegen lernte. Er musste seine Umgebung erforschen und Erfahrungen sammeln, sonst würde aus ihm ja nie ein stattlicher Wolf werden! Auch seiner Entwicklung würde es bestimmt gut tun. Allerdings würde ich fürs erste nicht zulassen, dass er sich aus meinem Reaktionsradius begab oder die Lichtung vor unserer Höhle verließ. Einzig und allein diese würde nämlich fürs erste seine Spielwiese sein.