Ich lächelte liebevoll bei Freyas Sorge. Ich war es die auf sie aufpassen musste nicht umgekehrt. Aber dann erinnerte ich mich daran, dass man sich in einer Familie die Sorge umeinander teilte. Ich lasse mich untersuchen und dann komme ich zum Mondscheinteich. Wir müssen ihr eine würdigen Abschied bereiten und sie auf die Reise schicken. Sagte ich sanft und richtete mich dann unter anstrengend noch einmal auf. Tristans Blick begegnete meinen und ich sah seine stumme Frage, mein Kopf nickte ruckartig. Meine Augen glitzerten wie kalte Bersteine. Es war mir egal ob es Luna höchst persönlich wäre, er würde zahlen müssen wenn er wirklich für ihren Tot verantwortlich war.
Ich musste noch einmal zu Twix und lief sehr langsam mit vorsichtigen Schritten zu dem Körper herüber. Ich atmete schwer, wollte Freya aber nicht noch weiter aufregen. Langsam senkte ich den Kopf und lehnte meine Wange an die tote kleine Wölfin. Gute reise meine Kleine. Es tut mir so leid, du wirst immer ein Teil meines Rudels sein. Flüsterte ich mit geschlossenen Augen, eine einzelne Tränen lief mir aus dem Augenwinkel. Ich prägte mir ein letztes mal ihren Geruch ein, indem ich meine Nase in ihr Fell steckte. Ich würde niemals vergessen wie jemand roch den ich verloren habe, genauso wie ich niemals einen Namen vergessen würde. All ihre Gesichter erschienen in meinem Kopf und nun kam auch die lächelnde Twix dazu. Seufzend öffnete ich die Augen, lächelte Twix und Sky zu und lief dann langsam zurück zu Tristan. Als ich mich setzten wollte war der Schmerz so groß, dass ich unsanft auf dem Boden landete und plötzlich kam mir das ganze viel zu bekannt vor. Tristan? Ich glaube ich weiß was los ist. Die Panik in meinen Augen war nur für ihn sichtbar. Mein Kopf war von den anderen abgewand.

Morganas Reaktion ließ keinen Zweifel zu. Sie roch ihn auch. Doch bevor ich darauf reagieren konnte, brach sie zusammen. Nun hatte sie meine volle Aufmerksamkeit. "Was?", fragte ich besorgt. "Was ist los, Morgana?" Hatte sie etwas falsches gegessen? Ich konnte mir noch keinen Schluss draus ziehen, was mich als Heilwolf ziemlich dumm da stehen ließ.

Knurrend richtete ich mich wieder auf, was nun beinah einem Aufstieg in die Berge gleich kam. Ich würde das nicht hier durchziehen, jetzt wo ich verstand was passierte. Dafür bin ich viel zu alt. Wie konnte das bloß passieren?, brummte ich vor mich hin. Die Panik war nicht weg aber sie war einen Moment der Verwirrung gewichen. Tristans Blick wäre beinah komisch gewesen wenn die Situation nicht so tragisch war. Ich drehte mich zu den anderen, ich erkläre es euch später, mir gehts gut. Tristan komm mit, sagte ich frustriert und schleppte mich über den halben Platz um zu der kleinen Höhle unter dem Baum zu kommen. Ich hatte sie ausgehoben als ich mit Cupo und Liora trächtig gewesen war und im Winter hatten wir dort vor der Kälte Schutz gesucht. Jetzt waren alle möglichen Blätter und Äste hinein geweht worden. Seufzend begann ich unter Schmerzen die Äste zu beseitigen, für mehr war keine Zeit. Ich konnte mir das denn ein zweites Mal passieren?, sagte ich beinah Wütend zu Tristan und hielt einen Augenblick inne als die Krämpfe mich in die Knie zwingen wollten. Ich wollte das nie, ich habe gesagt ich bekomme keine Welpen. Ich sollte bei Freya sein, ich sollte Twix beerdigen. Die kleine Twix. Nun rannen mir doch tatsächlich Tränen über die Wangen. Es war so ungerecht. Wütend hob ich den Kopf zum Himmel. Warum?, knurrte ich leise und vor Wut gepresster Stimme. Aber es gab keine Antwort, ich hatte eben noch erklärt, dass es manchmal einfach keinen Grund gab, so grausam die Welt auch war und würde nun meinen eigenen Rat befolgen. Ich beruhigte mich etwas und sah zu Tristan, wieso haben wir es schon wieder nicht gemerkt?. Bei der Frage musste ich plötzlich anfangen zu lachen und konnte erst aufhören als ein weiterer Krampf meinen Bauch zusammen drückte. Okay das war deutlich heftiger gewesen, leise keuchend senkte ich den Kopf und atmete hecheln durch das Maul.

Immer noch verwirrt folgte ich Morgana bis sie die Stelle erreicht hatte, an der vor ein paar Jahren Cupo und Liora auf die Welt gekommen waren. Als sie begann die Äste zu beseitigen, blieb ich ungläubig stehen. Was? Wie kann das sein? Fassungslos half ich Morgana, damit sie sich hinlegen konnte und schleckte ihr über die Schnauze. "Damit hätte ich nicht im Traum gerechnet", stimmte ich ihr zu. Niemals hätte ich damit gerechnet. Ich sah wie ihr Tränen durch das dichte schwarze Fell liefen und drückte meine Schnauze kurz an ihren Hals. "Morgana. Du bist unglaublich", sagte ich und musste ein heiseres Lachen aus meinem Maul lassen. "Du liegst in den Wehen und denkst immer noch an dein Rudel." Ich konnte es verstehen. Twix nicht auf diese Art verabschieden zu können, war hart. Dennoch... Twix war tot. Man konnte ihr nicht mehr helfen und Morgana schenkte Leben. Ein Leben endet, ein anderes beginnt, dachte ich fasziniert. "Ich verspreche dir, es wird alles gut. Wir folgen den anderen sobald wir können." Bei ihren Worten, wie wir das schon wieder nicht gemerkt haben konnten, musste ich leise lachen. "Das solltest du deiner Top-Figur zu schreiben."

Tristans Reaktion ließ mich einen Moment inne halten. Die gröbsten Äste waren beseitigt. Lächelnd schmiegte ich meinen Kopf unter sein Kinn. Das du da bist macht alles erträglich. Es gibt nichts was ich mit dir an meiner Seite nicht schaffe. Sein Fell war so schön warm, am liebsten hätte ich mich einfach komplett hinein gekuschelt. Sein letzter Satz brachte mich zum lachen, ich trat zurück und warm ihm einen skeptischen aber fröhlichen Blick zu. Dann war der Schmerz zurück und stärker als alle vorher. Winsend legte ich mich in die überdachte Vertiefung und spürte wie der Instink übernehmen. Mein Körper presste und krampfte sich zusammen. Es tat höllisch weh, war aber schneller vorbei als beim ersten mal. Erschöpft senkte ich den Kopf eine Sekunde, aber als das beruhigende Geräusch eines wimmernden Welpen ausblieb sah ich besorgt nach hinten. Ein kleines Fellknäul lag still da, auch als ich es ableckte passierte nichts. Nun wimmerte ich aus einem anderen Grund. Tristan etwas stimmt nicht, meine Stimme klang ängstlicher als ich sie je gehört hatte.

Ich war unglaublich stolz auf Morgana und drückte mich kurz unterstützend an sie. Als sie sich nach hinten umsah, war mir klar, dass sie es geschafft hatte. Allerdings beunruhigte mich die Stille genau so wie mich. Unsicher schnupperte ich an dem kleinen Fellknäuel. Der Herzschlag war da. Wenn auch etwas schwach. Glücklicherweise übernahm sofort mein Verstand und mein Wissen für mich. Vorsichtig streckte ich die Kehle des kleinen Fellknäuels mit meiner Schnauze nach vorne aus und stupste ihm sacht auf den Rücken, damit es von selbst atmete.

Ich bekam kaum Luft vor Angst und starrte auf meinen Gefährten und den Welpen der sich immer noch nicht bewegte. Weil ich so gebannt starrte fiel mir auf, dass sich der Brustkorb bewegte. Aber es wirkte nicht richtig, es waren keine richtige Atemzüge und die Pause dazwischen war zu lang. Es war nicht in einem Sack wie Liora und Cupo. Es kam einfach so, was ist mit ihm?. Das Fell des Welpen war noch verklebt und nass aber es war dunkel, das sah man schon jetzt. Tränen brannten in meinen Augen, während ich Tristan dabei zusah wie er versuchte unseren Welpen zu retten. Bitte nicht, betete ich unaufhörlich, während Angst mir die Luft zum atmen nahm.

Ich schüttelte den Kopf und unterdrückte die Panik, die in mir hochkam. Panik schwächte den Geist. "Ich weiß es nicht, aber sie lebt." Ich hatte den kleinen Welpen noch einmal gedreht, in der Hoffnung, dass er dadurch eine Reaktion zeigen würde. Der Herzschlag war da. Die Atmung allerdings bereitete mir Sorgen.

Ich hielt so lange die Luft an, dass langsam schwarze Punkte vor meinem Inneren Auge tanzten. Es kam einfach kein richtiger Atemzug aus dem kleinen Körper und die Panik kroch mit ihren kalten Fingern durch mein Fell. Sie hatte mein Herz bereits erreicht und begann es langsam in Eis zu verwandeln. Da hustete der Welpe und begann zu quietschen. Das Eis splitterte und ein Schluchzen drang aus meiner Kehle. Ein verzweifelter Laut. Du hast ihn gerettet. Meine Stimme zitterte und ich konnte mich noch nicht bewegen. Konnte nur stumm auf das wimmernde Bündel starren.

Als ich das mir nur zu bekannte Geräusch hörte, wäre ich am liebsten vor Erleichterung zusammen gebrochen. Sie lebt! Ich konnte es selber kaum glauben. Meine Rute begann wie wild zu schlagen und ich schmiegte mich überglücklich an Morgana und schleckte dann voller Freude über das kleine Bündel. "Morgana, du bist unglaublich!" Diese wundervolle Fähe schenkte mir einen weiteren Welpen. Eine zweite Tochter! Ich konnte es nicht fassen.

Ich sah Tristan an und erkannte die bodenlose Erleichterung in seinen Augen die ich selbst fühlte. Ganz vorsichtig zog ich den Welpen zu mir und leckte sie sauber. Ein Mädchen?, ich weinte immer noch, deswegen war meine Stimme fast nicht zu verstehen. Während ich ihr dunkles Fell sauber machte das schon jetzt ziemlich lang am Nacken war und sie geschützt von meiner Rute zum trinken schob, weinte ich immer noch leise weiter. Ich erinnerte mich wie abgekoppelt ich mich das letzte mal gefühlt hatte. Ich liebte meine Kinder sehr, aber es hatte gedauert. Dieses Fellkneul, dass fast keine chance auf ein schönes Leben gehabt hatte, liebte ich schon jetzt so sehr, dass es weh tat. Das war es also was alle beschrieben wenn sie Welpen bekamen. Ein interessantes Gefühl, aber es konnte einem ganz schön Angst einjagen.

Ich nickte. "Ja", sagte ich und legte mich auf den Bauch, direkt vor das kleine Wunder, das Morgana nun an ihren Bauch geschoben hatte. "Sie ist wunderschön. Wie willst du sie nennen?"