Unruhe hatte meinen Geist befallen. Seit Tagen schien mich eine unsichtbare Kraft in Richtung der Berge zu ziehen - dorthin, wo ein stetiges Auf und Ab die Natur formte, so wie auch das Leben davon gezeichnet war. Eines Nachts schlich ich mich schließlich davon. Nur für eine Nacht wollte ich das Rudel unbeobachtet lassen, nachdem ich schon die Tage zuvor mehr im Schlafe abwesend war, als wirklich anwesend. Meine Pfoten trugen mich unaufhaltsam über Berge und durch Täler. Doch das ersehnte Ziel blieb aus. Stattdessen endete das felsige Gebiet nach einigen Tagen, in denen ich eigentlich längst daheim bei meiner Familie sein wollte.
Doch stattdessen lief ich weiter.
Wie ein Zigeuner verfolgte ich unsichtbare Wege, lief über die Pfade der Urväter und lernte neue Kreaturen und Wölfe kennen. Ich fand Länder, die von den Menschen gebrandmarkt wurden und Gegenden, in denen wohl noch nie ein Mensch seinen Fuß gesetzt hatte. Und doch trieb es mich immer weiter. Ich verfolgte ein nicht greifbares, undefinierbares Ziel. Ich versuchte zu verstehen was mich antrieb, doch ich schaffte es nicht. Rastlos, ruhelos...
Erst als sich hohe Felsen in den Himmel türmten und blaue Blumen das Land zu zeichnen begannen, verstand ich, wohin es mich zog. In meine Heimat, den Ort an dem meine Familie geboren wurde und starb. Mein Lauf verlangsamte sich, als ich fremde Gerüche wahrnahm. Menschliche Äcker hatten unser ehemaliges Revier eingenommen, doch ich konnte auch die Gerüche von Wölfen wahrnehmen. Ich folgte ihnen und traf auf ein fremdes Rudel. Sie waren anfangs skeptisch und aggressiv, doch am Ende war es ein alter Wolf, der für mich einstand. Er hatte einen weisen, sehr wissenden Blick. "Bleib bei uns!", sagte er. Ich blieb.
Die Monate vergingen schnell und ich lernte immer mehr dazu. Der Altwolf fragte jeden Tag, wohin es mich ziehen würde, doch ich verspürte keinen Drang mehr. Der eigentliche Alpha des Rudels behandelte mich wie einen Sohn, dem er viel beizubringen hatte. Weitere Monde gingen ins Land. Und irgendwann verspürte ich einen Drang. Einen Drang, der mir klar und regelrecht vor Augen lag. Der Drang nach dem Rudel, nach meiner Gefährtin...nach meinen Sohn. Ich ließ es den Altwolf wissen. Und er nickte. Das Rudel ließ mich ziehen und ich verschwand aus ihrem Leben, ebenso wie sie aus meinem. Ich durchquerte die Länder erneut, begegnete Kreaturen erneut, lief immer weiter den Weg zurück, den ich gekommen war.
Ich lief Richtung Heimat - wissend, dass ich kein Alpha sein wollte.
~Wenn du fällst, wieder aufstehen und angreifen, niemals deine Angst zeigen~