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| Zuletzt Online: 17.04.2023
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Wir standen uns nun zähnefletschend und drohend gegenüber. Durch sein aufgeplustertes, dichtes Nackenfell wirkte der schwarze Wolf mit Sicherheit etwas imposanter als ich. Meine Erscheinung war eher staksig und ausgehungert -- alter Knacker wirkte ziemlich passend -- aber das verminderte die Dominanz meiner Haltung nicht. Wegen einem Reh? Der Kerl hatte wohl noch nie echten Hunger überlebt, ansonsten wüsste er, dass ein Reh über Leben und Tod entscheiden konnte. Und jetzt war ich in der Stimmung über ihn zu entscheiden. "Ja, das will ich," knurrte ich und schnappte mit den letzten Worten nach seiner Kehle. Meinen Körper versuchte ich in einer seitlichen Bewegung so weit wie möglich aus seiner Reichweite zu bringen. Es war riskant diesen Kampf einzuleiten. Er wirkte zwar jünger, aber fitter und stärker. Ich wusste jedoch auch, dass ich schon eine Menge Erfahrung gesammelt hatte.
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Meine neue Bekanntschaft hatte wohl nicht vor nachzugeben. Im Gegenteil: seine Körpersprache strotze von Dominanz und die Worte die aus seinem Maul kamen waren nicht weniger provokant. "Deine Jagd?! Als ich hier ankam war es noch Wolfsleer. Sperr deine Augen das nächste Mal besser auf, du Saboteur!", entgegnete ich entschlossen und machte ebenfalls einen weiteren Schritt auf ihn zu, meinen Schwerpunkt stabilisierend. Wenn ich ganz ehrlich zu mir war hatte ich überhaupt keine Lust auf einen Kampf. Ich war noch nicht bei voller Stärke und der verdammte Hunger war wirklich eine Plage. Wie ironisch, dass ich genau deshalb in dieser unpraktischen Lage war. Aufzugeben kam allerdings auch nicht in Frage. Ich war verdammt nochmal im Recht und das würde der Mistkerl zu spüren bekommen.
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Kaum hatte ich diesen Gedanken zu Ende gedacht, flitzten sie los. Immerhin genau in die Richtung, die ich erwartet hatte. Kräftig stieß ich mich ab und preschte zwischen den Bäumen der Herde hinterher, ungeachtet der sonstigen Umgebung. Meine Hirschkuh bildete netterweise das Schlusslicht. Wie entgegenkommend von dir! Ich wusste, dass ich mir keinen weiteren Fehler erlauben durfte — wenn das Knacken denn überhaupt mein Fehler gewesen war — sonst würde ich mir damit alle Möglichkeiten auf fette Beute in der nächsten Zeit verspielen. Diese Jagd würde mich Energie kosten und auf halber Strecke abzubrechen, nur um dann nach einer weiteren, langen Suche in einem ganz anderen Gebiet noch mal von neuem zu starten war momentan keine Option. An Schnelligkeit hatte ich trotz langer Pause wenig Einbuße zu verzeichnen, aber das wurde auch zu meinem Verhängnis: Der schwarze Schatten, der von der Seite kam, fiel mir viel zu spät auf, sodass wir unkontrolliert zusammenstießen. Noch während der Kollision und meinem Aufprall auf dem Boden, gute zwei Wolfslängen weiter entfernt, sah ich die weißen Wedel der Hirsche in die Ferne hüpfen. Verdammte Scheiße. Mein erster Gedanke galt meinem Magen, den ich heute wohl doch nicht ganz füllen würde. Dann erst realisierte ich, dass ich gegen jemanden und nicht etwas gerannt war. Ob es tatsächlich meine Schuld war, weil ich zu unaufmerksam die Verfolgung aufgenommen hatte, wusste ich nicht, aber entschuldigen war das letzte, woran ich dachte. Selbst wenn ich dem schwarzen Wolf reingerannt war, hatte er dennoch ganz offensichtlich meine Jagd sabotiert. Außer den Hirschen war niemand dagewesen, als ich die Herde gefunden hatte. "Du ver—", ein stechen in meinen Rippen schnürte mir die Worte ab. Ich atmete aus, stand auf und setzte erneut an, Ohren und Rute dominant aufgestellt: "Was soll die scheiß-Aktion, hmm?!" mit den vorderen Zähnen angriffslustig gebleckt knurrte ich den Fremden an. Er würde eine verdammt gute Erklärung abgeben müssen, um einen Kampf zu verhindern. Dem Mistkerl musste jemand Respekt beibringen.
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Der Wald war kein optimaler Jagdgrund, doch ein Fundort durchaus. Hirsche. Ich hatte es auf einen Hirsch abgesehen, von dem ich mich einige Tage ernähren könnte, ohne bald schon wieder vom Fleisch zu fallen. Wenn ich hier eines aufspürte, konnte ich es vielleicht an einen weitläufigeren Ort hetzen, an dem es nicht so viele Versteckmöglichkeiten hatte. Durch den Weg hierher waren meine Muskeln auch ausreichend gelockert. Mit gesenkter Schnauze, gespitzten Ohren und bedachten, leisen Bewegungen, um bloß keine potentielle Beute zu verschrecken, durchstöberte ich den Waldboden nach den feinsten Spuren. Zuerst wurde ich von diversen Wolfsdüften begrüßt. Meine Güte, warum sind hier denn schon wieder so viele Wölfe unterwegs? Wahrscheinlich haben die schon alles Leben hier vertrieben. So schnell wollte ich nicht aufgeben. Leicht änderte ich meine Richtung. Die Jagd half mir, mich nach dem langen Schlaf, dessen Hintergrund mir wirklich ziemlich egal war, wieder zu erden. Mit jeden Atemzug drang eine Harmonie aus den verschiedensten Gerüchen in meine Lungen: Verrottendes Laub. Pilze, die in der feuchten Erde ungehindert sprießen konnten. Eine Hirschmaus, die im Gebüsch ihr Erdloch versteckt hatte (Ich verschonte sie. Heute war ich auf eine größere Art Hirsch aus.). Vom Regen aufgeweichte Rinde. Auf einer durchgängigen Höhe blank gelegte Stämme — Hirsche. Hartnäckige Arbeit zahlt sich aus! Ich nahm die Fährte auf, schnüffelte intensiv an den Bissspuren im Holz und den einzelnen Haaren, die durch kräftiges Schubbern an der Rinde hängen geblieben waren. Dann nahm ich die Verfolgung auf. Ganz gelassen, um nicht jetzt schon essentielle Energie zu verschwenden. Ich fand mein Ziel auf der Seite des Waldes, die an das Revier der Zigeunerwölfe grenzte: Ein kleiner Sprung Weißwedelhirsche stand zwischen den Bäumen, teils die Rinde anfressend, teils im Boden wühlend oder nur in der Gegend rumstarrend. Geduldig beobachtete ich die Tiere von meinem entfernten Standpunkt aus. Ich versuchte das schwächste Tier, wenn möglich sogar ein verletztes, ausfindig zumachen. Mit den Vorderbeinen stützte ich mich auf einem Baumstumpf ab, um besser sehen zu können. Eine Ricke, die etwas kleiner als die anderen ihrer Gruppe wirkte, fiel mir ins Auge... Und hoffentlich gleich zwischen die Krallen... Ich beschloss es vorerst mit einem Angriff aus dem Hinterhalt zu versuchen. Sollte das nicht funktionieren würden die Hirsche mit Sicherheit nicht in Richtung der anderen Wölfe fliehen, sondern notgedrungen auf die Fläche bei den Gleisen ausweichen. Wenn nötig würde ich die Kleine dort erwischen. Langsam spürte ich die Anspannung der Vorfreude in mir aufwallen. Wo eben noch die frische Waldluft war, roch ich jetzt nur noch ihre Duftspur. Ich verließ meinen Spähposten auf dem Baumstamm und umrundete den Ort, bis ich eine geeignete Stelle fand, um zuzuschlagen. Zwischen den Bäumen positioniert, gegen den Wind ausgerichtet, sodass mein Geruch den Sprung nicht schon alarmieren würde.
Eine falsche Bewegung ließ einen dünnen Zweig irgendwo knacken. War ich das? Wurde ich alt und verlor die Koordination über meinen Körper? Hatte der verdammte Wildschweinhauer späteinsetzende Langzeitfolgen verursacht? Nicht nur ich hatte das Geräusch gehört. Auch die Hirsche schauten jetzt aufmerksam alle in eine Richtung. Sie sahen schon leicht dümmlich aus, wie sie da erstarrt und ängstlich witterten. Ein Bock stieß ein Warnschnauben an seine Gefährten aus. Na, wunderbar. Viel Zeit hatte ich nicht mehr, oder ich müsste ihnen wirklich hinterher rennen, während sie mit ihren hoch erhobenen, weißen Puschelschwänzchen vor mir davon hüpften.
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Ich nickte zustimmend. "Wunderbar. Dann hoffe ich, dass du einen guten, ungestörten Platz findest," sagte ich und senkte meinen Kopf leicht zum Abschied. "Viel Glück auf deiner Reise." Auch wenn die Wölfin fast schon interessant genug war, um mich in ein längeres Gespräch verwickeln zu können, hatte ich kein Interesse daran die Konversation gekünstelt in die Länge zu ziehen. Meine Energie war mir zu kostbar, besonders nach diesem ungewöhnlich langen Schlaf. Mit einem mehr oder weniger ehrlichen Lächeln wandte ich mich Flussabwärts, weg von den Wasserfällen, damit sie es bloß nicht als Einladung ansah mir zu folgen. Ich hatte Mordshunger.
--> Freie Gebiete, Wäldchen
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"Ha!", Steiß ich aus und tat ihre Annahme mit einem Schnaufen ab. "Nein, mit Sicherheit nicht. Ich würde mich nicht einmal als Bewohner bezeichnen. Bevor die Hitze kam hatte ich diesen Ort gerade verlassen nur um dich das Wetter wieder zurückgesunken zu werden. Rudel ziehen uneigenständige, verweichlichte und validierungssüchtige Persönlichkeiten an. Das ist nichts für mich." Ihr Blick entging mir nicht. Obwohl ihre Worte noch immer harmlos waren, zeichnete ihr restliches Auftreten abermals ein anderes Bild. Das beiläufige Mustern ihrer kalten Augen, gepaart mit der verzogenen Miene ließ sie unnahbar und vor allem undurchschaubar wirken. Als würde sie ihre Gesprächspartner innerlich verspotten. Was das Verhalten mit ihrer Vorliebe für Wälder zu tun hatte konnte ich allerdings nicht herauslesen. "Dann solltest du hier kein Problem haben ein Plätzchen zu finden, Blackout. Wald gibt es hier genug."
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Schockschwerenot! Blacksoul... Der Name spricht für sich. Ich tat mich schwer meine Überraschung zu unterdrücken. Wenn ihr Name repräsentativ für ihren Charakter war, sollte ich vermutlich reißausnehmen. "Freut mich dich kennenzulernen, Blacksoul," sagte ich mit leicht affektiertem Ton. "Also über die Wölfe, die sich hier aufhalten kann ich dir nicht mehr erzählen, als dass sie etwas eigen und respektlos sind. soweit ich weiß gibt es fünf Rudel, aber von denen habe ich mich ferngehalten." Runas Rudel ließ ich bewusst außer Acht. Die Fremde musste ja nicht jedes Detail wissen und wirklich viel hatte ich mit denen auch nicht zutun gehabt. "Dafür ist die Landschaft außerordentlich vielfältig und schön. Ich kann den Wasserfall flussaufwärts empfehlen," erklärte ich und nickte in Richtung meines Lieblingsplatzes. Hoffentlich kein Fehler, denn sollte dieser Ort plötzlich von Wölfen überrannt werden, würde ich mich sehr daran stören.
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Kaum hatte ich die Fremde bemerkt näherte sie sich mir. Welch ein Glück für sie, dass ich gerade in einer ausgesprochen gelassenen Stimmung bin. Ich hütete mich davor mir jemals anmerken zu lassen, dass ich genau das immer dachte, wenn mich jemand ansprach und ich nicht direkt abweisend und herablassend war — So würden es zumindest Sensibelchen beschreiben. Neutralität setzte ich wohl mit Freundlichkeit gleich. Nach einem weiteren Schluck Wasser wandte ich mich zu der Wölfin um. Eisblaue Augen blitzen mir entgegen und ließen vermuten, dass unter ihrer harmlosen Frage etwas kaltes und berechnendes Lag. "Na, stellt man sich heutzutage denn gar nicht mehr vor? mit wem habe ich es denn überhaupt zu tun? Ich bin Cato." Vermutlich wollte ich sie testen. So unglaublich wichtig waren mir Namen letztendlich nämlich gar nicht. Während ich redete erhob ich meine Rute leicht dominant. So gewohnt war ich es mittlerweile ein überlegenes Auftreten an den Tag zu legen, dass ich diesem Automatismus wieder bewusst entgegenwirken musste.
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Als ich wieder zu Bewusstsein kam war mein Fell von einer kalten Schicht aus Raureif bedeckt. Einige Sekunden lang bestaunte ich nur die Grautöne in denen der bedeckte Himmel die Welt erscheinen ließ und beobachtete wie bei der kleinsten Bewegung die feinen Eiskristalle in meinem Fell brachen und zu Boden fielen um dort zu schmelzen. Dann kehrte meine Erinnerung langsam wieder zurück: Ich war in einer tödlichen Trockenperiode wieder hier im Tal angekommen und bald darauf von einem Nebel umhüllt worden. Danach war nur Dunkelheit und Leere. Offenbar war einige zeit vergangen seit ich eingeschlafen war, denn von der Hitze war nichts mehr zu spüren. ein wenig skeptisch machte mich diese Tatsache schon, doch das war kein Grund zu Panik. Ich fühlte mich bis auf deutliche Steifheit in meinen Knochen nicht verletzt oder schwach und meine Sinne kehrten auch zu ihrem Normalzustand zurück. Nach einiger Zeit raffte ich mich auf und strebte den Fluss an, den ich in der Nähe rauschen hören konnte. Das kalte Wasser erfrischte meine Kehle. Wenige Wolfslängen entfernt fiel mir eine schwarze Wölfin auf, die auch ein wenig desorientiert wirkte.
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[<-- Felsenfälle/ Wiederankunft im Tal]
Nach meinem kurzen Aufenthalt beim Zigeunerrudel hatte ein kurzer Abstecher zu dem Wasserfall den Abschluss gebildet, wie vorher bereits angedacht. Der Ort hatte es mir schließlich angetan. Ansonsten hielt mich nichts mehr im Tal: Die Wölfe, die ich bisher hier getroffen hatte, waren eher so mäßig interessant — auch wenn die kleine Runa mir bestimmt in Erinnerung bleiben würde — und die freien Gebiete hatte ich fast vollständig erkundet. Ich war Flussaufwärts gegangen und dann nach Osten bis ich die Berge hinter mir gelassen hatte. Der Abschied war mir mal wieder nicht schwer gefallen. Kurz darauf zwang mich jedoch die Hitze wieder umzudrehen: Die Wasserquellen versiegten, die Beute verreckte in der prallen Sonne oder verkroch sich irgendwo. Selbst mir machten die extremen Temperaturen und der Wassermangel zu schaffen, obwohl ich viel gewohnt war. Wird der Sommer jedes Jahr wärmer oder täuscht mich das? Notgedrungen machte ich also Kehrt, um nicht zu verdursten. Wenigstens wusste ich, wo ich den Lachsfluss finden konnte, auch wenn der Weg lang war.
Hechelnd und mit leicht benebelten Sinnen erreichte ich endlich mein Ziel und stürzte mich rücksichtslos in das erfrischende Nass. Der Wasserspiegel war auch hier sehr deutlich gesunken, doch es war mehr als genug für mich. Gierig trank ich bis mein Bauch beim Laufen gluckerte. Mit tropfendem Fell und schwerem Atem stand ich eine ganze Weile einfach nur da und spürte wie die Kühle mich wieder belebte.
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Während der Rüde ohne eine Reaktion auf meinen Ruf von dannen zog, entschuldigte sich die Wölfin für sein Verhalten. Soll mir auch recht sein. "Jaja, vermutlich," erwiderte ich leicht ironisch. "mein Anliegen hat sich somit auch erledigt." Zufrieden trottete ich den Fluss aufwärts um dem Tosen des Wasserfalls nicht ganz so ausgesetzt zu sein.
[edit: --> Lachfluss nach längerer Abwesenheit]
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<-- Rudelplatz Zigeunerrudel
Wie vorher beschlossen strebte ich ohne Umwege den großen Wasserfall an. Ich hatte gehofft etwas Ruhe für mich zu haben — und vielleicht auch dieser Hilfsbereitschaft, die ich verspürt hatte, auf den Grund zu gehen — aber kaum hatte ich die Felsen erklommen erkannte ich den Geruch des Zigeunerrudels. Es war nicht Huttser. Das hätte ich auf dem Weg hier hin schon bemerkt, aber wer auch immer hier war gehörte zu dem Chaoshaufen. Ich meinte mich daran zu erinnern, das Gin noch zwei Mitglieder vermisste, die sich länger nicht gezeigt hatten. vermutlich handelte es sich hier um die beiden. "Eh, ihr zwei!", machte ich über das Rauschen des Wassers hinweg auf mich aufmerksam. Wenn ich ihnen verkündete, dass es im Rudel Neuigkeiten gab, würden sie hoffentlich gehen und ich hätte den Ort für mich.
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Über Gins verdatterten Blick musste ich fast schon lachen. In dem Moment wirkte er überhaupt nicht mehr wie ein Alpha. Dann stürmte er auch schon zu seiner Gefährtin. Huttser machte sich bereits wieder aus dem Staub, obwohl er doch gerade erst wieder angekommen war. Er hatte zwar auch Welpen, aber warum er die Mutter nicht mit zum Rudel brachte verstand ich nicht. Vielleicht schämte er sich ja. Ein paar Augenblicke lang beobachtete ich noch das Geschehen auf dem Rudelplatz, dann kehrte ich den Wölfen auch endlich den Rücken zu.
--> Freie Gebiete, Felsenfälle
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Runa bedankte sich abermals bei mir. Das nahm ja fast Überhand. "Ja, du hast dich jetzt oft genug bedankt. Ist in Ordnung", erwiderte ich leicht genervt mit einem Seitenblick auf sie. Sich einmal ehrlich zu bedanken reichte doch vollkommen aus. Alles andere zeugt nur von Unsicherheit. Die rote Fähe näherte sich Runa und mir und leckte ersterer einmal mütterlich über den Kopf. Der kleine, verlorene Cato in mir, den ich vor Jahren zurückgelassen hatte, regte sich und holte Erinnerungen an Keana hervor, wie sie mich mit der selben Geste umsorgte bis ich mich wehrte und aus ihrem Griff befreite. Nein, auch diese Kasai reichte nicht an meine Ziehmutter heran. Husters Verkündung ließ mich aufhorchen und dann weckte auch das Benehmen der Roten wieder meine Aufmerksamkeit. Es war fast schon zum Lachen wie lange der Alpha brauchte, um zu schalten was seine Gefährtin ihm vermitteln wollte. Sie ist trächtig, du Depp. Hier würde wohl bald reges Treiben herrschen. Welpen waren so gar nicht mein Ding. Ich hatte nichts mit den gleichaltrigen Welpen in meinem Ziehrudel zu tun gehabt, war gegangen, als der nächste Wurf kam und hatte mich immer schnell von den Fähen distanziert, mit denen ich mich vergnügt hatte. Und obwohl ich skeptisch beobachtete wie der Jungwolf einen Stock durch die Gegend wirbelte, regte sich gleichzeitig ein seltenes Gefühl in mir. Als wäre ich verpflichtet zu helfen. Dieses Rudel würde vermutlich total überfordert sein mit so vielen neuen Welpen. Ich hatte das ein paar Mal mitbekommen. Aber wieso sollte mich das jetzt irgendwie umstimmen? Ich hatte sowas immer als Anlass genommen zu gehen, denn ein chaotisches Rudel ist ein schlechtes Rudel. "Sie bekommt Welpen," klärte ich die Situation trocken auf, als Gin sich verwundert an den grauen Schönling wendete. Das dauerte mir wirklich zu lange. Wie konnte er das denn noch nicht verstehen?
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Für einen Moment verfinsterte sich meine generell schon ernste Miene, als sich Enya zwischen den Alpha und mich stellte. Ich brauchte kein Schutzschild. Ihr Verhalten nahm ich persönlich und es beleidigte mich. Als wär ich nicht erwachsen genug die Verantwortung für mich selbst zu übernehmen. Eigentlich sträubte ich mich nie davor meine Meinung kundzutun, doch es war wohl doch vernünftiger fürs erste das Maul zu halten. Als mein Sichtfeld dann wieder frei war, nickte ich Gin würdigend zu. Mit einem Ohr verfolgte ich die Gespräche um mich herum, die zunehmend lebhafter wurden. "Danke, aber Runa ist jetzt ja wieder in guten Pfoten," erwiderte ich. Ich hatte vorgehabt bald einen ruhigeren Platz zu suchen. Ein Gefühl sagte mir zwar, dass die graue Wölfin sich wieder in Gefahr bringen würde, sobald ich außer Sichtweite wäre, doch das war nicht mehr mein Problem. Mein Blick fiel auf die rote Wölfin, die mich kurz zu mustern schien und dann zu Gin sah. Dann kam auch Huttser wieder, der seit einiger Zeit weg gewesen war.
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Runas Zungerausstrecken war mir zuwider, doch für den Tag hatte ich mich definitiv genug aufgeregt. Das kindische Getue ignorierte ich also geflissentlich und nickte zustimmend. "Versprich nichts, was du nicht halten kannst." Das konnte ich mir nicht verkneifen. Versprechen nahm ich äußerst ernst. Ich hatte gerade anbieten wollen ihr ein wenig Wasser zu bringen, da nahm ich die Schritte mehrere Wölfe wahr. Zuerst ging ich davon aus, dass Enya und der Jungwolf mit dem Beta wiederkommen würden, doch stattdessen tauchte ein hellbrauner Rüde neben zwei Fähen auf. Als er uns erblickte änderte sich seine Körpersprache blitzschnell. Ah, der Alpha. Ich war ein Fremder und hielt mich hier ohne sein Wissen auf. Da war es nur logisch, dass er seine Dominanz demonstrierte. Trotzdem ließ ich mich von dem Knurren und der erhobenen Rute nicht aus der Ruhe bringen. Respektvoll erhob ich mich, zeigte aber keinerlei Zeichen der Unterwerfung. Weder war das meine Art, noch war ich hier unerlaubt eingedrungen. Zumindest mit guten Grund. Mir fiel auf, dass ich vorher gar nicht nach dem Rudelanführer gefragt oder jemand ihn erwähnt hatte, doch das war nicht weiter schlimm. Ich war durchaus gespannt was das für ein Kerl war, nachdem ich mir noch nicht ganz sicher über die Kompetenz meiner bisherigen Bekanntschaften war. "Hallo, mein Name ist Cato. Ich habe Runa hergebracht, nachdem sie sich verletzt hatte, und habe ein Auge auf sie bis Enya mit dem Wasser wieder kommt, dass sie am Fluss holt," erklärte ich kurz und prägnant. Dann fiel mir ein, dass dieser kleine Wolf, dessen Namen ich schon wieder vergessen hatte, angeblich noch nie außerhalb des Reviers gewesen war. Bevor jemand durchdrehen konnte, weil er fehlte, stellte ich das also auch noch klar: "Sie hat den Jungwolf mitgenommen."
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Ich schnaufte amüsiert. Hatte sie nicht eben noch selbst zugestimmt, dass ich Anstand hatte? "Okay. Steh auf und zeig mir, dass du nicht nur hilflos hier herumliegen musst, wenn dann doch etwas passiert. Dann gehe ich." Es war klar, dass sie das noch nicht konnte. Das Blut war gerade mal geronnen. Ob ich jetzt wartete bis die Heilerin wieder auftauchte, oder nicht, macht jetzt keinen besonders großen Unterschied mehr. Vielleicht sollte ich einfach selbst das Wasser holen. Das Wasser war nicht so weit entfernt.
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