Ich lief durch die Berge und wusste, dass ich das Rudelgebiet längst hinter mir gelassen hatte. Doch die Berge waren groß und in dieser bizarren und abwechslungsreichen Landschaft gab es immer wieder etwas Neues zu entdecken. Während ich so die Gegend erkundete, gingen mir meine Gedanken durch den Kopf und die Gesichter der anderen Wölfe erschienen vor meinen inneren Augen. Kaya, der tapfere kleine Rüde, der mir gefolgt war, aber trotzdem Abstand wahrte, Gunter, der so liebevoll seinen Freund pflegte, die Anführerin und ihr Zweifel in ihrem Blick, als sie mich ansah, das Misstrauen in Saikkos Augen und die netten Worte von Casanova. Alles das war nun schon fast acht Tage her und seitdem - tja was? Nicht einmal Iki hatte mich noch einmal angesprochen. Vielleicht war das ja immer so, wenn man neu war. Man wurde geschnitten, weil die Anderen einem nicht vertrauten. Ich schüttelte meinen Kopf. Am Ufer eines kleinen Tümpels fand ich einen gemütlichen Lagerplatz, legte mich dorthin und - schlief irgendwann ein.
Ich erwachte, als die Vögel so laut zeterten, dass sie mich aus meinem Schlaf rissen. Es waren Moorhühner und sie führten offenbar gerade einen erbitterten Streit über - was auch immer. Hatten die jetzt Paarungszeit? Ich wusste es nicht. Mein Wissen über Moorhühner war begrenzt. Doch es waren Hühner, es waren Vögel! Vermutlich schmeckten sie vorzüglich. Das zarte Fleisch von Geflügel war sowieso ein Leckerbissen, so fand ich. Eine Jagd lohnte also! Ich war schnell und die Vögel waren abgelenkt. Wenn ich mich recht entsinne, waren die meisten Vögel ohnehin nicht besonders intelligent. Ich taxierte die Lage. Die Gelegenheit sollte genutzt werden! Bevor das flatternde Federvieh entkommen konnte, hatte ich schon zugeschlagen. Zwei prächtige Hähne und eine Henne lagen tot vor mir. Das war eine hundertprozentige Ausbeute! Ich war ein bisschen stolz auf mich. Blöde Vogel! Hätten mal weniger randalieren sollen, dann könnten sie noch leben! Ich betrachtete meine Beute. Die Henne sah ein bisschen zerrupft aus, denn ich hatte sie als letztes gepackt und schon aus der Luft reissen müssen. Doch zum Essen war das egal. Da ich zwar Vogelfleisch, aber keine Federn mochte-sie kitzelten so zwischen den Fängen - nahm ich mir die Zeit meine Beute ordentlich zu putzen. Ich hatte ja doch nichts anderes zu tun. Dabei dachte ich wieder einmal an Lena, meine Freundin. Wenn ich damals einen Vogel erbeutet hatte, hat sie ihn mir meist abgenommen und gesagt: "Lass´mich das machen, Svoboda! Menschenhände können das besser als Wolfspfoten." Und dann hatte ich sie meist ein wenig traurig angeschaut und sie hatte gelacht und mich umarmt. Und alles war gut gewesen ... Es geht auch ohne Menschenpfoten. Am Ende betrachtete ich die federlosen Körper und mir fielen wieder die Wölfe meines neuen Rudels ein. Niemand schien dort zu jagen. Es gab Verletzte, es gab Jungwölfe! Ein Rudel sollte für die seinen sorgen. Nun, sie hatten schon meine Hasen und meinen Rehbock. Sollten sie auch die Vögel kriegen! Die zerfledderte Henne allerdings gehört mir! Ich aß mich satt an der Henne, packte anschließend die beiden gerupften Hähne am Hals und trug sie zurück ins Revier.
Ich führte die beiden Welpen durch die Berge. Ich weiss nicht, warum Conn nicht zurückgekommen war und was das Ganze eigentlich sollte, aber die Welpen waren da. Sie waren schlau und gelehrig und das war gut, denn ich machte auch jetzt nicht viele Worte. Sie sollten lernen zu überleben und ich bildete sie aus. Die ersten Schritte hatten sie bereits gemacht und ihre erste Beute gefangen. Doch bei mir lernten sie, dass es kein Spiel war, sondern Ernst. Es ging ums Überleben. Sie waren noch jung, aber jung lernt man am besten und noch besser lernte man, wenn man keine Wahl hatte. Die vorlaute Yara verstummte schnell, als ich ihr die Schuld daran gab, dass eine Gemse entkommen konnte, nur weil sie zu ungeduldig gewesen war. An diesem Abend gab es reichliche Beute, aber Yara erhielt nichts davon. Sie lernte, es ernst zu nehmen, wenn ich etwas sagte. Cherryll war cleverer und entschlossener. Ich muss gestehen, ich hatte meine helle Freude an ihr, aber auch sie brauchte ihren Dämpfer. Wenn du verstehst, dass es im Leben keine Gerechtigkeit gibt, lebst du intelligenter und besser! Das hatte ich ihr eines Abends gesagt und dann auch erklärt, denn hin und wieder musste man etwas Wichtiges auch erklären. Ich war selbst von den Besten meines Clans ausgebildet worden, hatte nichts vergessen und viel dazugelernt. Conn gegenüber empfand ich eine Schuld, denn er hätte mich wieder in die Gemeinschaft der ehrenwerten Wölfe aufgenommen und ich konnte es ihm nicht anders danken, als jetzt für Cherryll und Yara zu sorgen. Doch er war nun verloren. Ich verstand nicht alles, was er mir zum Abschied sagte - er redete von irgendwelchen Prophezeiungen und so weiter, von denen ich keine Ahnung hatte, aber ich hatte deutlich seine Verzweifelung gespürt. Er war ein gebrochener Wolf und er ging nicht ohne Grund. Nach dem, was er mir erzählte, schien sein Schicksal noch viel schlimmer als das meine zu sein, weil er gescheitert war. Doch schicksalshafte Bestimmungen zu erkennen war nicht mein Ding. Ich war Bradwr, ein Verfehmter, ein Ausgestoßener meines Volkes - weil ich mich selbst dafür entschieden hatte. Ich brauchte mich an keine Regeln zu halten und hatte weder Respekt noch Gnade zu erwarten. Man konnte mich einfach so töten, wenn man es wollte - und konnte. Bei den letzten Gedanken musste ich lächeln. Ich hatte nichts zu verlieren und gewinnen konnte ich auch nichts mehr, aber Überleben- das hatte ich gelernt! Cherryll und Yara würden lernen, Welpen ließ ich nicht im Stich, und sie würden stark werden, das konnte man schon sehen. Ich würde sie weiter ausbilden und wenn das Werk getan war, hatte ich meine letzte Schuld der Ehre abgetragen. Dann war ich auch bereit für den letzten Tanz mit dem schwarzen Wolf des Todes. So und jetzt Kinder, wandte ich mich an die aufmerksamen Welpen, jetzt werdet ihr lernen, wie man ganz allein ein Murmeltier fängt!
Odhran lehrte Yara und mich, wie man in den Bergen überlebte. Das war garnicht so leicht, denn man musste nicht nur Beute finden, sie jagen können, sondern auch noch wissen, wie man sich in den Bergen bewegte.Hier gab es es keine flache Wiese. Jeder Schritt oder Triit konnte einem zum Verhängnis werden, wenn man sich nicht vorsah. Wie sollte man hier jagen? Odhran zeigte es uns. Er begann damit, dass er uns durch die unwirtlichste und anstrengenste Gegend führte, in der Yara und ich je gewesen sind. Es gab steile Schluchten, Abhänge, die trügerisch waren, brüchige Felsbrücken und vieles mehr. Ihr könnt nicht immer sicher sein, ob es sicher ist, erklärte uns Odhran. Ihr müsst es fühlen, spüren, riechen ... ihr müsst einfach sicher SEIN ! Zuerst verstand ich es nicht. Papa hatte mir beigebracht, logisch zu denken, aber das hier war anders. Wir übten es. Mit geschlossenen Augen führte uns Odhran über abenteuerliche Gebirgspfade. Ihr müsst nichts sehen. Ihr habt eure Wolfsnase. Riecht, ob der Fels bröckelt! Aber wie riecht bröckeliger Fels? Odhran lehrte uns Geduld. Wir verbrachten zwei ganze Tage auf einem eisigen ungeschützten Bergplateau, wo die ganze Zeit der Wind heulte und wir bis auf die Knochen nass wurden, als es regnete. Das ist nur Wetter, sagte Odhran und sah uns missmutig an, als wir anfangen wollten uns zu beklagen. Das mit dem Beklagen, das ließen wir. Dann war es soweit, als ich zum ersten Mal - irgendwie spürte - was Odhran uns sagen wollte. Ich hatte , war es gerochen? war es gesehen? war es gespürt? dass der Vorsprung zwar fest aussah, aber trotzdem nicht sicher war. Natürlich war ich stur und ignorierte das. Prompt sackte das Gestein unter mir ab und ich war froh, dass mich Odhran am Kragenfell gepackt hatte und in Sicherheit zurückzog. Während mein Herz vor Aufregung noch klopfte, meinte er, dass ich dumm gewesen sei und jetzt nicht mehr leben würde, wenn er nicht aufgepasst hätte. Wenn ihr erst nachdenken müsst, wohin ihr tretet, welche Gedanken habt ihr dann noch für eure Jagd übrig? Da hatte er wohl recht. Yara und ich übten fleissig und waren erleichtert, als Odhran uns endlich erlaubte, auf die Jagd nach Murmeltieren zu gehen.
Heute haben wir Murmeltiere gejagt. Das war aufregend. Die passten höllisch auf und warnten sich gegenseitig mit lauten Pfiffen. Odhran sagte uns, dass wir sie genau beobachten sollten und so fanden wir dann auch die Tricks heraus. Es dauerte den ganzen Tag, aber schließlich hatten wir endlich unsere eigene erste Beute in den Bergen gemacht. Mich wurmte immer noch mein Fehler bei der Gemsenjagd und ich wusste mittlerweile, dass man mit Odhran nicht diskutieren konnte. Er ließ sich auch nicht von viel Tamtam beeindrucken, sondern machte einfach das, was er wollte - oder wie er es sagte, was sinnvoll oder notwendig war. Er verhätschelte uns nicht und das gefiel mir an ihm. Wir waren noch jung, aber wir waren beide ehrgeizig. Das akzeptierte er einfach. Mir fiel auf, dass Cherryll immer verschlossener wurde. Immer öfter knurrte sie mich an und hatte wenig Verständnis, wenn ich ein bisschen Spass machen wollte. Das gefiel mir nicht. Doch viel Zeit darüber nachzudenken hatten wir sowieso nicht. Wir mussten lernen, schnell lernen, wenn wir überleben wollten. Das sagte Odhran und wir beide wussten, das es die Wahrheit war. Es ist immer noch ein Abenteuer! dachte ich, aber ich wusste bereits, dass es kein Abenteuer mehr für kleine Kinder war. Wir mussten groß, stark und schnell werden, wenn wir als Wölfe überleben wollten.
Die Welpen hatten heute Murmeltiere gejagt. Sie hatten fast den ganzen Tag gebraucht, um endlich die Tricks herauszufinden, aber am Ende hatten sie es geschafft. Sie waren müde und fertig, aber ihre Augen glänzten. So sollten Jungwölfe sein! Ich ließ ihnen ihre Beute und ihren Schlaf. Morgen ziehen wir in die Ebene. Die Berge kennen sie jetzt, aber in der Ebene gibt es keine Verstecke. Da muss man rennen können! Man muss schnell sein und Ausdauer haben. Ich wusste, wovon ich sprach. Ich war schnell und ausdauernd. Es war meine Stärke. Ich weiss noch, wie man mich trainieren ließ, bis ich blutige Pfoten hatte, aber ich hatte es gelernt. Meine Muskeln waren entwickelt, meine Fähigkeit auch und ich kannte das richtige Timing, auch das war wichtig. Ich seuftzte. Es würde einen Zeit dauern, den Welpen das beizubringen, aber jetzt war genau die Zeit dafür, denn jetzt entwickelten sich ihre Muskeln und ihr Talent. Schlaft gut und tief, Cherryll und Yara, meinte ich zu ihnen. Ihr habt gut gelernt und eure Beute verdient. Morgen werden wir sehen, ob ihr auch laufen könnt. Dann rollte ich mich zusammen und erlaubte es auch meinen Gedanken ein wenig abzuschweifen, bevor ich einschlief. Meine Gedanken wanderten also und sie wanderten zu Morgra.
Am nächsten Morgen zog ich mit den Welpen um in die Ebene. Dort, wo es keine Felsen und kaum Deckung gab, zählte ausschließlich die Schnelligkeit, die Ausdauer und die höchst wichtige Fähigkeit, sich jeden noch so winzigen Vorteil und jede noch so geringe Deckung zunutze zu machen. Auch vor dem Wetter konnte man sich dort nicht verstecken.
Erst als sich das Terrain veränderte blickte ich auf und erwachte aus meinem schlafähnlichen Zustand. Die Berge! Erleichtert atmete ich die frische Brise auf, Woche von den Gipfeln herunter kam, mich heranlockte und ich folgte dem Ruf mit wachsender Begeisterung. Wie immer erfüllte mich der Rausch das Tal von oben erblcije zu können und bald jagte ich den Berg hinauf bis ich hechelnd an einem guten Aussichtsort zum Stehen kam und das Tal im Schein des Mondes betrachtete. So riesig..! dabei hatte ich damals den Zoo für das größte gehalten wie hatte man nicht davon weglaufen wollen? doch dieser Gedanke führte wieder in die Vergangenheit und so schüttelte ich mich und genoß einfach die Aussicht.
Von der Ruhe der Berge entspannt war ich eingeschlafen, doch der Regen hatte dem schnell ein Ende gemacht. Die ganze Zeit lag ich mit genervte Stimmung auf dem Stein und versuchte zu Dösen, während das Wasser bis zu meiner Haut durch tropfte. Langsam hatte ich genug. Grummelnd sprang ich auf, schüttelte mich -was eigentlich nutzlos war im Regen- und machte mich an den Abstieg. Ich überlegte in dem Wald zurück zu kehren, schlug aber stattdessen die Richtung zum Fluss ein. Hunger kam wieder auf und Fisch hatte ich länger nicht mehr gegessen.
Langsam tapste ich wie ein welpe um die steine herum und suchte nach der mir bekannten Fährte als ich plötzlich die erste wolfsfährte seit langem fand. Ich nahm die Fährte auf und folgte ihr vorsichtig da sie durch den leichten regen verwaschen wurde. Aufmerksam folgte ich der spur in ein Tal das direkt an der bergflanke lag. Schon während des abstiegs erkannte ich einen großen fluss der die Landschaft durchschnitt. Vorsichtig kletterte ich hinab und folgte der Fährte weiter
Ich war dem kleinen Pfad aus dem Wald in die Berge gefolgt. Mein Körper lief auf Autopilot, da ich tief in Gedanken versunken war. Das war kein Zufall. Niak beschrieb seine Mama genauso, wie ich Fauna in Erinnerungen hatte. Und dann roch er auch noch nach ihr. Nein, das war definitiv kein Zufall. Niak und seine Schwester, Flo - Ob das ein Spitzname war? - waren eindeutig Faunas Welpen. Ich zog meine Lefzen hoch und drehte meine Ohren nach hinten. Natürlich ist meine geliebte Wölfin weiter gegangen, hat ihr Leben weiter gelebt. Dies konnte ich ihr auch nicht verübeln. Sie musste denken, dass ich tot sei. Schließlich hatte ich nie auf ihr Heulen geantwortet. Nur wusste sie nicht, dass ich nicht konnte.. Und wenn ich ehrlich war, überraschte es mich nicht wirklich, dass sie scheinbar jemanden anderes gefunden hatte. Ihre Schönheit konnte man nun wirklich nicht anzweifeln. "Verdammt nochmal..", ich ließ mich auf den Boden sinken und platzierte meinen Kopf zwischen meine Vorderläufe. Hätte ich mit Niak mitgehen sollen? Doch was hätte ich sagen sollen? Was hätte Fauna gesagt? Wie hätte sie reagiert? Ein leises knurren drang aus meiner Kehle. Wie hätte ihr neuer Gefährte wohl reagiert?
Am Fuß der Berge angekommen, machte ich mich im dichten Unterholz gleich auf die Suche nach ein paar Rebhühner. Und musst du unwiderruflich immer wieder an die Bilder denken, als um die schwarze Schönheit ein Bett aus Fäden lag.
Müde und völlig erschöpft kam ich wieder im Tal an wo ich mit meiner Familie gelebt hatte ich ließ mich einfach auf den Boden fallen und wartet auf Coll meinen Bruder
Langsam wurde ich wach und sah mich um. Finn schlief noch und ich leckte ihn sanft wach Komm schon wir brauchen Wasser lass uns zum Fluss gehen und etwas trinken vielleicht finden wir da noch Fische die wir fangen können sagte ich und stupste ihn immer wieder an. Er ist so schwach aber ich wußte das er dafür immer der kluge war und das macht ihn stark. Na komm schon Finn steh auf drängte ich ihn und schließlich stand er auf. Ich stellte mich neben ihn und leckte aufmuntern über seine Ohren. Dann machten wir uns auf den Weg zum Fluss. Ich achtet auf Finn und auch auf die Umgebung
Wolfsrudel - Das Leben der fünf Rudel
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15.04.2018 15:03
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