Unruhig blickte ich mich um und schüttelte mein Fell aus. Düfte lagen in der Luft, die ich nicht alle so recht einordnen konnte. Sobald ich eine erste Wasserpfütze sah, stürzte ich mich auf diese und trank sie fast vollkommen leer. Wasser, hechelte ich erleichtert. ɢʀatʊʟɨɛʀɛ... ʝɛtʐt ҡaռռst ɖʊ ʝaɢɛռ ɢɛɦɛռ, aʟtɛʀ ʍaռռ...
Der Geruch von frischem Blut stieg mir in die Nase und ließ das Wasser in meinem Munde zusammenlaufen. Eigentlich war das ja nicht meine Art, doch nun leckte ich mir vorfreudig und voller Gier über die Lefzen. ɨċɦ աɛɨß ռɨċɦt, աaռռ ɨċɦ ɖas ʟɛtʐtɛ ʍaʟ ɛtաas ɢɛɢɛssɛռ ɦaɮɛ, schoss es mir durch den Kopf und ich folgte der Fährte gierig. Ein Stück südlich meiner Position fand ich einen verwundeten Hasen, der sich hinter einem Baum verschanzt hatte und sich wohl gerade ausruhte. Mir entging die Wunde an seinem linken Hinterlauf nicht... sie zog sich quer über das Bein. Vermutlich hatte er es sich irgendwo aufgerissen. Sozial wie ich nun mal war, entschied ich mich, seinem Leiden ein Ende zu setzen. Ich erlegte das Tier ohne Reue und mit großem Hunger, doch als ich das zarte Fleisch genoss, gingen meine Gedanken zu Marco. Schlechtes Gewissen stiegen in mir auf bei dem Gedanken, womöglich einen seiner Brüder zu fressen, also entschied ich, für das Rudel keine Hasen zu jagen. Und genau das tat ich. Trotz der abgebauten Muskeln erlegte ich mit Müh und Not einen alten Rehbock, den ich dann auch schnell in Richtung Rudelplatz zog. ɨċɦ ʍʊss ɛɨռɖɛʊtɨɢ ʍɛɦʀ tʀaɨռɨɛʀɛռ...
Eilig war ich in das neblige Wäldchen eingetreten, wobei meine Ohren aufmerksam gespitzt waren. Meine Nasenflügel bebten, als ich nach fremden Gerüchen suchte, doch seltsamerweise roch es in keinster Weise anders als sonst. Also doch außerhalb?, fragte ich mich überrascht, doch wollte ich mich erstmal noch ein bisschen umsehen, um sicher zu gehen, dass ich nichts übersah. Meine Augen untersuchten jeden Winkel, doch ich fand nichts. Nachdenklichen Blickes drehte ich mich zu Kobalt um. "Hier scheint nichts zu sein", murmelte ich und sah wieder auf eines der dichten Gestrüppe, das ich eben untersucht hatte. Langsam legte ich den Kopf in den Nacken und schickte ein anfangs leises, dann jedoch in seiner Lautstärke zunehmendes Heulen zurück zu dem unbekannten Aussender. Ich brauchte seine Koordinaten und zudem würde uns ein weiteres Heulen in der Annahme bestätigen, dass der Aussender nach wie vor Hilfe brauchte. Meine Rute hing locker herab und zuckte nur ab und an vor Anspannung, während sich meine Ohren zu Kobalt drehten.
Meine Pfoten trugen mich sicher und zielstrebig durch das bewaldete Gebiet, wobei der Nebel immer wieder um meine Pfoten strich und mir die Sicht auf den harten Waldboden verwehrte. Deutlich langsamer schloss ich zu Jive auf, welcher in der Zwischenzeit begonnen hatte, die Gebüsche und das dichte Unterholz zu untersuchen. Nachdenklich erklomm ich einen kleinen, relativ flachen Hügel in seiner nächsten Nähe und durchsuchte die Umgebung aus einer etwas höheren Lage mit meinen Augen. Allerdings ließ sich weder ein Artgenosse, noch auch nur ein Fellbüschel entdecken, weshalb ich mich wieder nachdenklich zu meinem besten Freund gesellte. "Ich glaube nicht, dass jemand hier ist", stimmte ich leise zu und drehte meine Ohren leicht zurück, als Jive den Kopf in seinen Nacken legte und ein fragendes Heulen aussandte. Der durchdringende Ton schien durch das Wäldchen zu hallen und vom Wind weiter getragen zu werden - sollte der Artgenosse noch in der Nähe sein, würde er es jedenfalls hören. Dennoch glitt mein Blick immer mal wieder über die angrenzenden Büsche, als könnte sich dort jemand gerade in diesem Moment anschleichen. Außerdem waren meine Ohren gespitzt und lauschten angespannt auf eine Antwort, wobei eines dennoch in Jives Richtung gedreht war.
Noch während mein Heulen verklang, ertönte bereits die Antwort. Mittlerweile sehr viel näher. Wir sind richtig! Erleichtert sah ich zu Kobalt. Mein Blick schien erfreut und lag warm auf meiner besten Freundin. Es brauchte keine Worte, meine ganze Ausstrahlung war eine Aufforderung. "Na dann los!" Mit einem kleinen Satz setzte ich mich erneut in Bewegung und verfolgte das Heulen in einem leichten Galopp. Ich wusste, dass Kobalt mir folgen würde.
Es war nicht viel Zeit vergangen, vielleicht ein paar Sekunden, als schon eine Antwort ertönte. Automatisch richteten sich meine Ohren in die Richtung und mein Kopf folgte der Bewegung gleich darauf, wobei meine Rute vor Anspannung leicht zuckte. Wir konnten nicht mehr weit von unserem Artgenossen entfernt sein - vielleicht noch ein paar Meter, über unsere Territoriumsgrenze hinaus. Bei Jives verbalen Aufforderung nickte ich entschlossen und setzte meinem besten Freund eilig hinterher. Er sollte dem Fremden ja nicht alleine gegenüberstehen!
Schnell, ohne große Umschweife war ich in das vernebelte Rudelgebiet eingedrungen. Mit der Zeit hatte sich mein Tempo verdreifacht, von einem langsamen Trott zu einem schnellen Galopp. Meine Ohren waren dicht in mein weiches Winterfell gedrückt, welches rötlich durch den Nebel schimmerte, der sich kühl und feucht um meinen Körper schlang. Ich war verwirrt - völlig verwirrt. Als ich eine kleine Anhöhe erreichte, wurde ich langsamer und blieb schließlich stehen. Meine Rute hing unglücklich herab, ich fühlte mich so seltsam...mein Herz schmerzte, mein Kopf dröhnte vor Verwirrung. Mühsam setzte ich mich nieder und starrte auf meine schlammigen Pfoten. Der Nebel und die Dunkelheit vermischten sich auf geisterhafte Weise und fast schien es mir, als wenn sie Form annehmen würden. Ein tiefes Seufzen verließ mein Maul, dann ließ ich mich Stück für Stück auf den Bauch gleiten und legte den Kopf zwischen beiden Vorderpfoten auf den kalten Boden. Müde sah ich in die Ferne, doch ich konnte nicht schlafen. Zu aufgewühlt war ich wegen Kobalt und diesen seltsamen Vorgängen in meinem Leben.
Irgendwann war ich wohl eingedöst, doch ich schlief unruhig und schreckte immer wieder auf. Völlig dehydriert schreckte ich heute erneut auf und stellte erstaunt fest, dass es bereits wieder Abend war. Mein Maul fühlte sich trocken an, mein Rachen war völlig ausgedörrt. Keuchend drehte ich mich hin und her, ehe ich mich schwankend erhob. Ich fühlte mich als hätte ich seit zwei Wochen nichts mehr getrunken. Ein leises Winseln entfuhr mir, doch ich trottete weiter und bewegte mich der Wasserquelle unsere Rudels entgegen.
Zuerst waren meine Schritte noch etwas steif gewesen - meine Gelenke durch die lange Zeit in der Höhle etwas eingerostet. Doch nun waren meine Sprünge schwungvoller und flüssig, sodass ich das Wäldchen schnell erreichte. Wie verlorene Seelen schwebte der dunstige Nebelschleier über dem Waldboden und gab dem Ort eine gespenstige Atmosphäre. Ich fühlte mich allerdings pudelwohl - der Nebel war über die Jahre zu einem schützenden und gewohnten Mantel geworden, den ich zu lieben gelernt hatte. Ich blieb schließlich stehen und drehte mich zu meiner Familie um, wobei meine Ohren schon jetzt nach winzigen Tatzen lauschte. Doch meine Konzentration war nicht vollständig. Ein hartnäckiger Gedanke setzte sich in meinem Kopf fest und es schien mir, als wäre er schon die letzten Tage dort verankert gewesen. Allerdings konnte ich nicht greifen - er schien noch sicher verhüllt und so sehr ich mich anstrengte, ich konnte ihn nicht ergründen. Ich schüttelte mich kurz und richtete meine Augen dann wieder zurück, wo gleich meine Familie auftauchen sollte.
Ich hatte mich dicht hinter Kobalt gehalten, wohl wissend, dass Marco und Papa wohl ebenfalls direkt hinter mir waren. Der Nebel war hier dichter, da undurchdringlich und dort wieder lichter. Ich empfand ihn fast wie ein Lebewesen, das atmete und unser Rudel schützend umhüllte -wobei sich jeder in Rudel um die Tücken des nebligen Moors bewusst war. Bislang war ich mir noch unsicher, was ich von dem Nebel halten sollte. Ich schloss zu meiner Schwester auf. Ist da schon etwas? fragte ich ins Blaue hinein. Abenteuerlust ergriff mich und ich schlich an ihr vorbei, schnupperte umher. Aber ich roch bislang nur die hohe Luftfeuchtigkeit.
Nach all der Zeit im Nebelrudel hatte ich mich an den dichten Nebel hier angepasst und fand mich nun ohne in ihm Probleme zurecht, er war fast zu eimem alten Frend geworden. Auch meine Welpen schienen keinerlei Probleme mit ihm zu haben, was mich lächeln ließ. Sie waren alle drei so klug. Als ich leise hinter Nero und Kobalt anhieit, setzte sich Marco zwischen meine Vorderpfoten und begann sich zu putzen, während ich den beiden jüngeren Wölfen zusah.
Wolfsrudel - Das Leben der fünf Rudel
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05.10.2017 12:42
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