Nachdem wir die Lichtung in den recht dunklen Wald verlassen hatten, kam wir bald zu einem riesigen Baum. Erstaunt schaute ich an ihm hoch und setzte mich. "Woah ist der groß."
Immer und immer wieder warf ich einen verunsicherten Blick zurück und erwartete, dass jede Sekunde einer der fremden Wölfe direkt hinter uns auftauchen könnte. Doch bisher war alles ruhig und der dunkle Wald umhüllte uns, verbarg und schützte uns. Ich blickte abermals zurück und kam schließlich unsanft zum stehen, als meine Nase auf weiches Fell stief. "Tschuldigung", nuschelte ich leise und folgte ihrem Blick, dem dunklen Stamm hinauf und zur breiten Baumkrone hin. "Boah!", stieß ich ehrfürchtig aus und war gleichermaßen fasziniert.
Ich war endlich mal wieder glücklich und sah Ago lächelnd an, in der Hoffnung, auf ihn überzuschwappen. Nach einem weiteren Augenblick des Staunens stand ich auf. "Lass uns weitergehen", sagte ich und lief los. Leider warem mir Revuergrenzen nicht wirklich ein Begriff, auch wenn wir durch Dash schon einen gewissen Rudelgeroch angenommen hatten, also führte ich uns aus dem sicheren Revier heraus. ->Nebellanden
Noch immer verblieben wir alleine und da keine weiteren Gerüche zu uns überschwappten, die frisch oder unbekannt waren, wurde ich langsam etwas offener. Sogar meine Rute schwang inzwischen leicht durch die Luft und ich folgte meinem Bruder weiter, ganz auf ihre Navigation vertrauend. Grenzen und Markierungen waren für mich ebenfalls kein Begriff, sodass ich unbekümmert darüber tapste.
Leise schlich ich in ein mir bislang völlig unbekanntes Gebiet. "Hallo?" Meine Ohren bewegten sich wild, doch meine Nase verriet mir nach kurzer Zeit, dass dies ebenfalls ein Gebiet der Schattenwölfe sein musste. Erleichtert setzte ich meinen Weg fort und traf schließlich auf einen gigantischen Baum, mitten im Wald. Ehrfürchtig blieb ich stehen und betrachtete den Baum. Seine Wurzeln ragten teilweise aus dem Boden und schienen doppelt so breit wie meine Läufe. Der Stamm war dick und rund und die Blätter bildeten ein dichtes Dach. Ich näherte mich dem Baum und trat in seinen Schatten. Die kühle Luft fühlte sich gut an und ich hatte ein geborgenes Gefühl. Vorsichtig legte ich mich nieder und bettete meinen Kopf auf meine Pfoten.
Hier war Shanes Geruch wesentlich deutlicher und bald sah ich den jungen Rüden unter dem großen Baum liegen. Würde ich mich nicht so stumpf fühlen, hätte ich betimmt erleichtert geseufzt. So trat ich aber nur näher an @Shane heran und musterte ihn. Hier bist du also.
Ich zuckte zusammen, als jemand zu mir trat und schreckte hoch. Kurz darauf seufzte ich jedoch erleichtert und meine Anspannung fiel in Sekundenschnelle wieder von mir ab. "Ach du bist es", erwiderte ich. Ich tat es Dash gleich und sparte mir eine Begrüßung. Langsam erhob ich mich und sah den Rüden etwas unterwürfig an. Der Schreck über seinen Auftritt steckte mir doch noch in den Knochen. Erst nach ein paar Sekunden wurde mir bewusst, was seine Anwesenheit zu bedeuten hatte. "Ihr seid also wieder da? Hat Stín euch geholfen ein paar Wölfe zu vermöbeln? Er hat sich große Sorgen gemacht. Hast du meinen Hirsch auf dem Rudelplatz gesehen? Ich hab ihn aus dem Nebelwolfrevier, so wie du befohlen hast! Hab sogar mir einem Nebelwolf kämpfen müssen, weil er mich erwischt hat. Er hat mich im Nacken gebissen. Glaubst du, das heilt wieder?" Bei meiner letzten Frage senkte ich kurz den Kopf, um Dash einen Blick auf meine halbverheilte Wunde werfen zu lassen. Das Fell um der Wunde war noch immer etwas blutverkrustet, doch es war nicht dramatisch und würde wohl bald abfallen, wenn ich es nicht sowieso wegwaschen sollte. Nach ein paar Sekunden sah ich Dash wieder an. Meine Stimme war leise und klang hoffnungsvoll, als ich meinen Überfall an Fragen mit: "Bin ich jetzt auch ein Schattenwolf?", beendete.
Stín iat verletzt, weil er sich nicht an meinen Befehl gehalten hat am Rudelplatz zu bleiben, Aylia kümmert sich schon um ihn. Wegen deines Hirsches gratuliere ich dir, du hast deinen Auftrag erfolgreich ausgeführt. Ich wollte nicht so kühl und distanziert klingen, Shane war noch so jung und voller Freunde, doch wenn ich wieder Emotionen zuließ würde der Damm brechen. Ich würde daran denken was ich getan hatte und daran was für ein Chaos hier herrschte im das ich mich kümmern musste, weil ich der Alpha war und... und schon wurde es schwerer zu atmen. Nein! Nicht jetzt! Reiß dich zusammen! Ich nickte Shane zu, auch wenn ich so kein Lächeln zu Stande kriegte. Willkommen im Rudel der Schattenwölfe. Deine Verletzung sieht nicht schlimm aus, aber lass sie dir von Aylia untersuchen. Komm jetzt, ich will alle sicher am Rudelplatz wissen, die Zigeunerwölfe planen sicher schon ihre Rache. Und gaben uns die Schuld an dem Krieg. Dabei hatte ihr Beta das alles alleine losgetreten und seine Kameraden waren ihm hirnlos gefolgt, wie die Schafe. Gemordet hatten sie. Sie hatten den Tod in diese Angelegenheit gebracht. Wir waren im Recht.
Bei Dashs Worten war es, als wenn ein Vorhang über mein Gesicht fiel. Mein Lachen verblasste und meine Augen wurden tellergroß. "Verletzt?", fragte ich verwirrt und mit einem besorgten Unterton. Dann schüttelte ich den Kopf. "Aber was für ein Befehl? Niemand hat uns gesagt, dass wir da bleiben sollen. Juri ist aufgetaucht und hat erzählt dass ihr alleine losgezogen seid und Stín hat sofort ein Hilfetrupp organisiert. Aber niemand sagte, dass wir hier bleiben sollen, ich meine...ich meine..." - ich brach ab. Völlig verwirrt schüttelte ich erneut den Kopf und sah Dash etwas benebelt an. Als dieser mich zum Schattenwolf erklärte, lächelte ich wieder etwas und wedelte erfreut mit der Rute. Stolz streckte ich die Brust raus, nickte dann aber, als er mich zum Rudelplatz schicken wollte. Ohne Wiederrede trabte ich an dem Alpha - meinem Alpha! - vorbei und lief mit stolz schwingender Rute zum Rudelplatz.
Ich runzelte nun dezent die Stirn. Ich habe Naron deutliche Anweisungen gegeben. Trug er am Ende doch die Schuld, wie er selbst gesagt hatte? Ich folgte Shane auf der Pfote, auf dass er auf dem Weg nicht verloren ginge und ich musste sowieso auch zurück. (Rudelplatz)
Es war ruhig, sobald ich den Rudelplatz hinter mir gelassen hatte, aber bald stieg mir ein unangenehmer Gestank in die Nase. Ein Gestank nach Fäulnis, dem ich auf den Grund gehen wollte. Bei einem großen Baum angekommen, rastete ich, denn der Geruch wurde fast schon unerträglich und ich brauchte eine Verschnaufpause und begann zu hecheln. Mir wurde plötzlich ganz komisch im Kopf, dieser begann zu brummen und mit einem Mal drehte sich der Hohe Baum neben mir erst in die eine Richtung, dann in die andere und wieder zurück. Ich wollte weg von ihm kommen, spürte aber nur einen abgedämpften Schlag auf meine Schulter, dann nichts mehr.
Auch ich erreichte das Gebiet und mir schlug ein bekannter Geruch in die Nase. Sofort hatte ich Erinnerungen von Damals und mein Blick wurde glasig. Ich sah mich um und sah naron auf dem Boden liegen. Sofort lief ich hin. Ich musste meinen Kameraden aus der gefahrenzohne bringen. So packte ich Naron fast vorsichtig am Nackenfell und zog ihn weiter vom Gestank weg.
Ich fand mein Bewusstsein wieder und spürte taub, wie meine Brust über den Waldboden rutschte. Vor mir sah ich den Fuß des hohen Baums und davor eine Gestalt. Sie war Schwarz am Körper, mit einem blau leuchtenden Kopf. Instinktiv versuchte ich mich fortzureißen von der Kraft, die an mir zog, dem Wesen entgegen.
Wolfsrudel - Das Leben der fünf Rudel
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06.09.2018 08:54
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